Walzbachtal stellt sich bei Haushaltsverabschiedung den aktuellen Herausforderungen
Investitionen trotz Schieflage
Walzbachtal (ger) Eine Flasche Sekt für die kürzeste Rede und weitgehende Einigkeit bei anstehenden Investitionen gab es in der jüngsten Sitzung des Walzbachtaler Gemeinderats in der Böhnlichhalle in Wössingen. In den wegen der Pandemie kurz gehaltenen Haushaltsreden brachten die Fraktionen ihre Zustimmung zum eingeschlagenen Kurs zum Ausdruck und lobten, dass trotz zunehmender finanzieller Schieflage auch in diesem Jahr in die Zukunft investiert werde. Am 18. Januar hatte Bürgermeister Timur Özcan den Haushalt für das Jahr 2021 in der öffentlichen Gemeinderatssitzung eingebracht, zwei Wochen später, am 1. Februar, wurde er nun vom Gremium einstimmig beschlossen.
Negatives Gesamtergebnis von über 3,8 Millionen Euro
Die Corona-Krise ist jedoch auch in Walzbachtal spürbar. Der Ergebnishaushalt der Gemeinde schließt für 2021 mit einem negativen Gesamtergebnis von Minus 3,841 Millionen Euro ab. So stehen gesunkenen Einnahmen gestiegene Ausgaben gegenüber: Die Gewerbesteuereinnahmen werden zum Beispiel im Vergleich zum Vorjahr um 125.700 Euro auf 2,2 Millionen Euro sinken, der Einkommensteueranteil geht von rund 6,6 Millionen Euro auf 6,2 Millionen Euro zurück, die Schlüsselzuweisungen von 4,7 Millionen Euro auf 4,46 Millionen Euro. Dagegen steigen die Personal- und Versorgungskosten von 8,66 Millionen Euro in 2020 auf rund 9,15 Millionen Euro in 2021. Der Gesamtbetrag der ordentlichen Erträge beläuft sich auf rund 22,37 Millionen Euro, der der ordentlichen Aufwendungen auf 26,21 Millionen Euro. Die Verschuldung pro Kopf im Ort belaufe sich damit auf 2.020 Euro, so die Verwaltung.
Feierlichkeiten verschoben
Gute Nachrichten hatten die Kreisräte Jutta Belstler (CDU), Kerstin Futterer (Grüne) und Werner Schön (FDP) zu vermelden: Die Kreisumlage wurde von 30 auf 28,5 Prozente reduziert, was für Walzbachtal eine Ersparnis von 207.000 Euro ausmache. „Ohne Verwendung eines Taschenrechners kann ich Ihnen mitteilen, dass dann die Pro-Kopf-Verschuldung unter die Grenze von 2.000 Euro rutschen würde“, sagte Schön an die Adresse des Bürgermeisters. Mit Bedauern verwiesen alle Fraktionssprecher auf die Feierlichkeiten, die dieses Jahr in der Gemeinde anstehen würden und aufgrund der Pandemie ins nächste Jahr verschoben werden müssen: Vor 50 Jahren schlossen sich Jöhlingen und Wössingen zu Walzbachtal zusammen. In Wössingen feiern die Glocken der evangelischen Kirche und der Musikverein 100. Geburtstag und der Turnverein blickt gar auf 125 Jahre Bestehen zurück.
Für Straßensanierungen 600.000 Euro
Dass Investitionen in die Infrastruktur trotz der prekären finanziellen Lage nicht ausbleiben können, unterstützen alle Fraktionen. 600.000 Euro werden im Haushalt daher für Straßensanierungen eingestellt, eine gut begründete Ausgabe in den Augen der Gemeinderäte. Würde man hier nicht jedes Jahr investieren, „müssten wir in einigen Jahren Straßen vollkommen erneuern, was ein Vielfaches der Sanierungskosten betragen würde“, brachte es Silke Meyer, Sprecherin der SPD, auf den Punkt. 48.000 Euro sind für die Beleuchtung des Weges zum Naturfreundehaus vorgesehen. Der Kreisverkehr am Falltor werde jedoch erst 2022 angegangen, „da zuerst mögliche Zuschüsse beantragt werden müssen“, so Andrea Zipf, Fraktionsvorsitzende der Grünen.
Digitalisierung nur mit Fördermitteln
Einen wichtigen Posten macht die Digitalisierung aus. „Gerade in Zeiten des Homeoffice, Homeschooling und Homestudying“ würde deren Bedeutung besonders offensichtlich, resümierte Belstler. Nachdem Teile von Wössingen schon eine Glasfaserleitung erhalten haben und Binsheim gerade angeschlossen werde (wobei die Gemeinde nur zehn Prozent der förderfähigen Kosten tragen muss), erhalte Jöhlingen in 2021 vom Bahnhof bis zur Schule das schnelle Netz. „Bis ganz Walzbachtal aber an das Glasfasernetz angeschlossen ist, vergehen noch einige Jahre“, stellte Meyer klar. Ein wichtiges Finanzmittel sei hierbei, wie der Digitalpakt an den Schulen, die Fördermittel, so Zipf, die, wie auch FDP-Sprecher Werner Schön, appellierte, dass zu Online-Angeboten für ältere Mitbürger auch weiterhin analoge Zugänge zu Informationen und als Kontaktmöglichkeit bestehen bleiben sollten.
Mobilitätsforum soll fortgeführt werden
Das 2020 unter reger Bürgerbeteiligung begonnene Mobilitätsforum soll, sobald es die Pandemie zulasse, fortgeführt werden. Dafür sind im Haushalt 2021 35.000 Euro eingestellt. „Damit sollen schnell und unbürokratisch kleinere Maßnahmen zur Verkehrssicherheit für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen ergriffen werden“, umriss es Zipf. „Die Verbesserung der Betriebsqualität, Verlässlichkeit und Steigerungen der Kapazitäten auf der Strecke S4“ sei, so Belstler, zudem seit vielen Jahren ein wichtiges Ziel. So freue man sich über den geplanten zweigleisigen Ausbau auf den Teilstrecken Hummelberg – Jöhlingen und Wössingen – Dürrenbüchig, der im November im Kreistag entschieden wurde, auch wenn man sich bis zu dessen Ausführung in 2025/26 noch etwas gedulden müsse.
Familien, Vereine und Naturschutz im Blick
Alle Fraktionssprecher hatten vor allem auch Familien und ihre Situation in der Pandemie im Blick. „Wir haben dieses Jahr die Gebühren und Steuern nicht erhöht, da die coronabedingte finanzielle Anspannung in vielen Familien prekär ist. Selbst im Bereich der Kinderbetreuung, welches ein riesiges Defizit in unserem Haushalt darstellt, wurden die Gebühren nicht angepasst“, verwies Meyer auf die Beitragsreduzierung der Kitagebühren während des ersten Lockdowns, die auch derzeit wieder greife. Auch die Bezuschussung von Vereinen habe man nicht angetastet. Alle Fraktionen begrüßten auch die neu geschaffene Verwaltungsstelle Umwelt- und Naturschutz und zeigten sich gespannt, welche neuen Ideen sie der Gemeinde bescheren wird. Eine witzige Überraschung gab es noch zum Schluss des öffentlichen Teils: Andrea Zipf überreichte Werner Schön eine Flasche Sekt für die kürzeste Haushaltsrede.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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