Experten bleiben entspannt
Krisenwinter: So bereitet sich die EU auf Blackouts und nukleare Notfälle vor
Die Energiekrise schürt die Angst vor Blackouts oder gar nuklearen Katastrophen. Doch die EU-Kommission sieht sich in Sachen Katastrophenhilfe für solche Notlagen gut gerüstet. Wie real ist die Gefahr für Europa wirklich?
Infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine hält die Krise auf dem Energiemarkt weiter an. Zudem sorgen technische Ausfälle zahlreicher Atomkraftwerke in Frankreich für einen Strommangel. Teile der Bevölkerung sehen sich daher nicht nur der Gefahr von weiter steigenden Energiepreisen ausgesetzt. Auch die Angst vor regelmäßigen Stromausfällen oder gar Blackouts steigt immer mehr. Auch die EU-Kommission hält Stromausfälle für denkbar und bereitet sich daher auf etwaige Krisenfälle vor. Sogar gegen nukleare Notlagen innerhalb der Europäischen Union sieht sich die Brüsseler Behörde gewappnet. Der Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz Janez Lenarčič hält es in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) für „gut möglich, dass Katastrophenhilfe auch innerhalb der EU nötig wird“.
EU-Kommission bereitet sich auf Blackout-Szenarien vor
Laut Lenarčič geht die EU-Kommission bei ihrer Vorbereitung von zwei unterschiedlich großen Szenarien aus. „Wenn nur eine kleine Zahl an Mitgliedsstaaten von einem Zwischenfall wie einem Blackout betroffen ist, können andere EU‑Staaten über uns Stromgeneratoren liefern, wie es während Naturkatastrophen geschieht“, sagte der Kommissar. Bei schwereren Ereignissen, die eine große Zahl an Ländern gleichzeitig betreffen und EU-Länder dazu zwingen, ihre Nothilfe-Lieferungen zu deckeln, könne die Kommission den Bedarf aus ihrer strategischen Reserve bedienen. Zu den Reserven zählen Löschflugzeuge, Generatoren, Wasserpumpen und Treibstoff, aber auch medizinisches Gerät und inzwischen auch Medizin, so Lenarčič. Er betont, dass die Hilfen mit Material und Gerät aus anderen EU-Staaten im Notfall sogar noch am selben Tag weitergeleitet werden können . Dies wird vom EU-Katastrophenschutzprogramm unter dem Krisenschutz-Kommissar koordiniert.
Wie wahrscheinlich ist ein Blackout als Folge der Energiekrise?
Doch wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit überhaupt, dass uns nun häufiger Stromausfälle und Blackouts drohen? Experten gehen davon aus, dass die Krise auf dem Energiemarkt auch im Winter wohl nicht zu größeren Stromausfällen führen wird. Laut Professor Christian Rehtanz, Inhaber des Lehrstuhls für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Technischen Universität Dortmund, ließe sich nie ausschließen, dass es etwa durch ein Attentat oder einen Meteoriteneinschlag zu einem möglichen Blackout kommt. Aber „dass es zu einem Blackout kommt, ist auch in den kommenden Monaten höchst unwahrscheinlich“, sagt Rehtanz. Durch die Energiekrise sei die Gefahr nicht größer als zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt. Wolfgang Fritz, Geschäftsführer von Consentec, einem unabhängigen Beratungsunternehmen zu Energiefragen, sieht dies ähnlich: „Ein Blackout, also ein unkontrollierter großräumiger Stromausfall über Tage oder Wochen ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Der ist durch die Energiekrise auch nicht wahrscheinlicher geworden. Es gibt keine Notwendigkeit, sich deshalb verstärkt Sorgen zu machen“, so der Experte.
Blackout oder Stromausfall, wo liegt der Unterschied?
Nicht jeder Stromausfall ist auch als Blackout zu betrachten. Von einem Blackout spricht man dann, wenn durch ein plötzliches größeres und unvorhergesehenes Ereignis großflächig die Stromversorgung zusammenbricht. Ein solches Ereignis ist Teil vieler Katastrophenszenarien. Der letzte kurze Blackout liegt bereits 16 Jahre zurück, im November 2006. Damals hatte der Energiekonzern Eon eine Hochspannungsleitung abgeschaltet, um ein Kreuzfahrtschiff sicher darunter passieren zu lassen. Laut einem Untersuchungsbericht war die Abschaltung mangelhaft geplant, daher kam es in der Folge zu einem Stromausfall in bis zu zehn Millionen Haushalten in Europa. Diese hielten allerdings nirgendwo länger als zwei Stunden an.
Vorbereitung der EU-Kommission hat bereits vor der Krieg begonnen
Bereits vor dem Krieg habe man sich zudem im Zuge der Corona-Pandemie gegen chemische, biologische, radiologische und nukleare Notfälle gewappnet. So habe man etwa bereits fünf Millionen Jodtabletten an die Ukraine geliefert, die dort an Anwohner bedrohter Atomkraftwerke verteilt werden könnten. Bei dem EU-Programm für Katastrophenschutz können alle EU-Mitgliedsstaaten, aber auch alle anderen Länder der Welt Hilfe im Fall von Waldbränden, Überschwemmungen, Erdbeben und ähnlichen akuten Krisen beantragen.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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