Maulbronns Bürgermeister Andreas Felchle: „Ich bin kein Auslaufmodell“
(ch) Andreas Felchle ist seit 25 Jahren Bürgermeister von Maulbronn. Wir haben ihn nach seinen Erfahrungen und Plänen gefragt.
Herr Felchle, 25 Jahre Bürgermeister von Maulbronn – für Sie ein Anlass zum Feiern oder eher Routine?
Manche würden´s wahrscheinlich feiern – „eventfokussiert“, wie wir heutzutage sind. In Maulbronn feiert´s keiner. Ich nicht, weil es für mich „eher Routine“ ist – und die anderen ganz offensichtlich auch nicht. Liegt vielleicht auch daran, dass man im württembergisch-evangelisch-pietistisch-oberamtlichen Maulbronn zum Lachen eh meistens in den Keller geht.
Es heißt, Sie hätten im Verlauf der Jahre durchaus auch Ambitionen in anderen Politikfeldern gehabt. Bedauern Sie, dass daraus nichts geworden ist?
Da gab es mal Überlegungen Richtung Landtag. Und ein paar „Angebote“, als OB zu kandidieren, gab es auch. Aber dass ich Maulbronner sein und bleiben darf – und das als Schultes – bedaure ich kein bisschen.
Immerhin ist ja Maulbronn mit dem zum Weltkulturerbe erhobenen Kloster-Ensemble kein unbeschriebenes Blatt. Bereichert das den Alltag eines Bürgermeisters oder ist es auch eine Bürde?
Eindeutig Bereicherung! Das Kloster macht den Maulbronner BM-Job ein gutes Stück weit „landespolitisch“ und mordsmäßig „denkmalpolitisch“ – beides ist manchmal „aufwendig“, vorsichtig ausgedrückt, macht´s aber auch richtig spannend. Und natürlich ist das Kloster als Stadtmitte kultur- und tourismuswirtschaftspolitisch etwas ganz und gar Außergewöhnliches.
Wenn Sie nach 25 Jahren eine Zwischenbilanz ziehen sollten: Welche Erfolge sind Ihnen in der Rückschau am wichtigsten?
Oha – in 25 Jahren ist man an ziemlich vielem beteiligt oder gar federführend gewesen. Ohne lang nachzudenken, beispielsweise: Erneuerung nahezu der gesamten städtischen Infrastruktur, unter vielem anderen Stadthalle, Sportanlagen, Straßen, Wasser- und Abwasserleitungen, Kläranlagen, diverse neue Schulgebäude, weitreichend veränderte Schullandschaft mit Ganztagsbetreuung, neue Kindertagesstätten, neuer Bauhof, neuer Wasserhochbehälter, neues Feuerwehrhaus in Schmie, Ortskernsanierung in Zaisersweiher, Ortsdurchfahrt in Maulbronn, Begegnungsstätte „Postscheuer“, Jugendtreff und Jugendreferent, Senioren-Pflegeheim, vier städtische Museen, Entwicklung der Klosterkonzerte, Veranstaltungskonzept für den Klosterhof mit Wochenmarkt und Weihnachtsmarkt und Ostereiermarkt und Lebendigem Kunsthandwerk und Weinmesse und Wein-Sommer und Kräuter- und Erntemarkt, Vereinsförderung. Aber auch: geordnete finanzielle Verhältnisse, leistungsfähiges und motiviertes Verwaltungsteam, gute Partnerschaft im Gemeinderat.
Richten wir den Blick in die Zukunft: Bei welchen lokalpolitischen Themen möchten Sie noch eigene Akzente setzen?
Was heißt hier „noch“? Ich bin kein Auslaufmodell! Derzeit auf der Agenda sind die Innenentwicklungsquartiere im Schenk- und im Schmid & Wezel-Areal, die Überplanung und Erschließung der „Hechtsee“-Fläche, das Stadtentwicklungskonzept „Maulbronn 2030“ - mit Schwerpunkten in der Talaue, vielleicht auch am Tiefen See -, möglichst schnelles Internet, die Klärung, ob und wie es mit Maulbronn als Gewerbestandort weitergehen kann, der ÖPNV mit mehreren zukunftsorientierten Initiativen, bei denen allerdings noch nicht klar ist, ob sie funktionieren. Auch die weitere Entwicklung der „Schul- und Sozialstadt Maulbronn“ bleibt spannend: Im September kommen die ersten Gemeinschaftsschüler nach Maulbronn. Eine weitere Kinderkrippen-Gruppe muss kurzfristig, eine weitere Kita mittelfristig kommen. Das Kinderzentrum braucht eine grundlegende Altbau-Sanierung. Im nächsten Jahr geht es nicht zuletzt um „50 Jahre Klosterkonzerte Maulbronn“ und „25 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Maulbronn“ – mit allen Image- und Vermarktungschancen.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu den Maulbronnern beschreiben?
Ich glaub´, es ist insgesamt und mit den meisten ziemlich gut. Aber das müssen Sie die anderen rund 6.500 Maulbronner fragen. Natürlich gibt´s Ausnahmen: Ein „lieber Mitbürger“, der zurzeit ein Dienstaufsichtsbeschwerde-Verfahren gegen mich am Laufen hat, findet mich wahrscheinlich nicht so toll. Er dürfte zu denjenigen in Maulbronn gehören, die auch nach 25 Jahren „Schultes Andi F.“ nicht damit klar kommen, dass ich im Traum nicht daran denke, den distanzierten Polit-Profi zu geben, sondern in Maulbronn daheim und von Freunden umgeben sein möchte.
Sie gelten als Mann, der gerne auch mal Klartext redet. Aber wer Kritik übt, muss auch einstecken. Wie gehen Sie mit Gegenwind um?
Ja – das mit dem „Klartext“ ist in der Tat auch etwas, das mich wohl von so manchem anderen „öffentlichen Menschen“ unterscheidet. Den meisten gefällt´s, manche finden es shocking. Mal abgesehen davon, dass ich so erzogen wurde, in der Familie, aber auch durchs Ehrenamt, und gar nicht anders kann – ich will auch nicht anders. Dazu gehört dann natürlich auch, ertragen können zu müssen, wenn andere mit mir ebenso umgehen. Und solange das kritisch-direkte Wort sachlich bleibt, kann ich, glaub´ ich, ganz gut mit Gegenwind leben. Weh tut´s mir allerdings heute mehr als vor 20 Jahren, wenn unter Meinungsverschiedenheiten in der Sache zwischenmenschliche Beziehungen leiden.
Gestatten Sie ausnahmsweise eine eher private Frage: Es ist bekannt, dass Sie vor einiger Zeit eine längere Krankheitsphase durchgemacht haben. Verändert so eine Erfahrung die Sicht auf manche Dinge?
So arg „lange“ war das mit dem Herzinfarkt 2015 ja gar nicht: fünf Wochen inklusive Reha. Aber natürlich gehen da einem die Augen - und noch mehr - weiter auf. Ich bin unserem Herrgott von Herzen dankbar für all das, was er mir schenkt – auch an Möglich- und Fähigkeiten, anderen etwas weitergeben zu können. Es geht uns so mordsmäßig gut in unserem Land, in unserem Leben!
Zum Schluss noch einmal ein Schwenk zurück zu Ihrem Dienstjubiläum: Gab es für Sie einen unvergesslichen Moment in diesen 25 Jahren? Oder anders gefragt: Was war Ihr schönstes Erlebnis?
Das schönste Erlebnis zwischen 1992 und heute für „Andi Felchle“ ist ganz einfach: dabeisein zu dürfen, als meine Frau Heike unsere Tochter Rebecca zur Welt gebracht hat am 20. September 1998. Mein schönstes Erlebnis als Schultes? – So zahlreiche faszinierende Menschen, so viele lehrreiche, interessante, spannende, fröhliche, manchmal saukomische Stunden … Priorisierung unmöglich!
(Die Fragen stellte Chris Heinemann)
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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