Eine Zwischenbilanz des Hochwasser- und Starkregenschutzes in der Region: das Beispiel Oberderdingen
Nachjustierungen im Zeichen des Klimawandels
Unter dem Eindruck teils erheblicher Schäden infolge der in den letzten Jahren aufgetretenen Dauerregen- und Starkregen-Ereignisse wurden und werden im Kraichgau Millionen in Schutzmaßnahmen investiert. Nicht nur in Bretten, auch in der Region. Wir haben uns in den am stärksten getroffenen Kommunen umgesehen: heute in Oberderdingen.
OBERDERDINGEN (ch) In vielen Kellern stand das Wasser bis zu 50 Zentimeter hoch und einige Straßen glichen eher einem Bachlauf als einer Fahrbahn. Doch beim Starkregen in der Nacht zum 1. Juni 2018 kam Oberderdingen um einiges glimpflicher davon als beim Dauerregen am exakt demselben Datum fünf Jahre zuvor.
Überflutungen mit Vorwarnzeit
Allerdings trafen die Überflutungen vom 1. Juni 2013 die Gemeinde nicht so überraschend wie der Starkregen. Bis Kraich-, Humster- und Kohlbach über ihre Ufer traten, hatte es fast zwei Tage lang anhaltend stark geregnet. Im Oberderdinger Gewann „Breitwiesen“ liefen Wasser und Schlamm einen Hang hinab in einen Pferdehof. Die zum reißenden Fluss mutierte Kraich überschwemmte weite Uferbereiche, darunter mehrere Wohnhäuser und einen Lagerkeller der kunststoffverarbeitenden Firma Riel in der Hagenfeldstraße.
Immense Schäden
Wegen Überflutungen wurde die Straße nach Sternenfels gesperrt. In den Weinbergen am Derdinger Horn kam die Erde ins Rutschen. Im Ortsteil Großvillars musste die Feuerwehr einen Entlastungsgraben baggern, um die enormen Mengen Oberflächenwasser abzuleiten. Auch im Ortsteil Flehingen setzten die Fluten von Humster- und Kohlbach sowie Kraich etliche Keller unter Wasser. Die Schäden waren immens, allein bei der Firma Riel wurden sie 2013 laut einer Gemeinderatsvorlage auf rund 1,5 Millionen Euro geschätzt.
Flehinger Rückhaltebecken bewährt
Dennoch zog die Gemeinde schon damals keine durchweg negative Bilanz. Unter der Überschrift „Jahrhunderthochwasser gut überstanden“ hieß es, durch die von 2006 bis 2010 gebauten Rückhaltebecken Humsterbach, Kraichbach und Kohlbach seien größere Schäden wie im Jahr 2002 vermieden worden. Die randvollen neuen Rückhaltebecken in Flehingen hätten den Wassermengen ebenso standgehalten wie die Becken am Froschgraben und Bremich in Oberderdingen.
Mehr Schutz für das Unterdorf
Im Anschluss durchgeführte Ortsbesichtigungen und eine bei einem Ingenieurbüro in Auftrag gegebene Untersuchung ergaben gleichwohl weitere, über den inzwischen erreichten Schutz vor einem 100-jährlichen Hochwasser hinausgehende Verbesserungsmöglichkeiten. Um Wohnlagen und Gewerbe im Unterdorf besser zu schützen, sprach sich Bürgermeister Thomas Nowitzki 2017 für den Bau eines zusätzlichen Regenrückhaltebeckens in den „Breitwiesen“ aus. Auch wenn man dafür „möglicherweise keine Landesförderung“ erhalte, weil diese Maßnahme über die vom Land vorgegebenen Anforderungen hinausgehe, wie der Schultes damals betonte.
Hochwasserschutz „fortgeschrieben“
„Um die Sicherheit im Zeichen des Klimawandels zu gewährleisten, wird der Hochwasserschutz zurzeit fortgeschrieben“, teilt Oberderdingens neue Bauamtsleiterin Angelika Schucker mit. Nach ihren Angaben befindet sich das Becken in den „Breitwiesen“ inzwischen „in der Planfeststellung“. Mit seinem Fassungsvermögen von rund 24.000 Kubikmetern entlaste es den Kraichbachspiegel nachhaltig und sorge „somit auch für Oberderdingen für einen hundertjährlichen Hochwasserschutz, in dem der Klimaschutzfaktor berücksichtigt ist.“ Das heißt, das Becken wird von vorneherein um 15 Prozent größer ausgelegt als für ein 100-jährliches Ereignis erforderlich.
Klima-Aufschlag für Flehinger Becken
Dieser Klimaschutzfaktor wird nachträglich ebenso auf die bestehenden Rückhaltebecken in Flehingen angewendet: Ihr Fassungsvermögen wird nachjustiert. Laut Bauamtsleiterin soll die Erhöhung der drei Becken „voraussichtlich 2020“ umgesetzt sein. Dagegen hängt die Umsetzung des Hochwasserrückhaltebecken „Breitwiesen“ davon ab, wann das Landratsamt die Genehmigung erteilt. Denn erst danach können Fördermittel beantragt werden, deren Bewilligung wiederum dauern kann.
Privatvorsorge weiter unerlässlich
Nachdem die Gemeinde für die Errichtung der drei Flehinger Becken bereits – nach Abzug von 70 Prozent Landesförderung – rund 830.000 Euro aus Eigenmitteln aufgewendet hat, stehen für die Erhöhung der drei Flehinger Becken und den Neubau des Beckens „Breitwiesen“ laut Angelika Schucker voraussichtlich weitere rund 670.000 Euro Bruttokosten ins Haus. Als Entwarnung für Privateigentümer will die Bauamtsleiterin diese Investitionen indes nicht verstanden wissen. Sie zitiert Paragraf 5, Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, der „jede Person dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Eigenvorsorge für den Fall eines Hochwassers zu treffen.“ Denn, so Schucker: „Die technischen Hochwasserschutzeinrichtungen wirken immer nur bis zu einer festgelegten Höhe des Hochwassers und können somit keinen vollständigen Schutz für extreme Ereignisse bieten.“
Weitere Artikel zum Thema finden Sie auf den Themenseiten Hochwasser und Starkregen
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.