Nach dem Einsatz der Brettener Feuerwehr im Hochwassergebiet berichtet Markus Rittmann von den Erlebnissen
"Vor Ort herrschte eine surreale Endzeitstimmung"

Schuttberge in Ahrweiler. Die Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Bretten im Einsatz. | Foto: privat
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  • Schuttberge in Ahrweiler. Die Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Bretten im Einsatz.
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Bretten (bea) Vier Tage lang haben insgesamt zwölf Helfer der Freiwilligen Feuerwehr Bretten im Hochwassergebiet an der Ahr in Rheinland-Pfalz beim Aufräumen geholfen. "Wir wurden am Freitag angefragt und sind am Samstag gefahren", sagt Markus Rittmann, Zugführer in der Brettener Wehr. Mit dem seitens der Stadt Bretten neu angeschafften Wechselladerfahrzeug und einem Mannschaftstransportwagen seien sechs Helfer am 24. Juli zum Nürburgring aufgebrochen. Da sie an diesem Tag jedoch noch keinem Einsatzort zugeteilt bekamen, seien sie erst am darauffolgenden Morgen in Ahrweiler angekommen und hätten zunächst an der einzig intakten Brücke Stellung bezogen.

Surreale Situation in Ahrweiler 

Zwar habe auch er sich auf schlimme Bilder eingestellt, doch die Situation vor Ort sei "surreal" gewesen, sagt Rittmann - "wie die Endzeitstimmung in den Madmax-Filmen". Unter anderem seien sie an einer Schule im Einsatz gewesen, in der "alles komplett kaputt" gewesen sei. Die Bundeswehr hätte die Schulen von Hand leergeräumt. Mit dem Teleskoplader hätten die Brettener Wehrler Schrott und Schlamm auf die Mulde ihres Wechselladerfahrzeugs geladen, um diesen wiederum auf Sammelplätzen, wie einem kaputten Sportplatz abzuladen. "Unsere Kinder waren während Corona nicht in der Schule, doch jetzt sind die Schulen dort nachhaltig zerstört." Zu einer Schule sei auch Holz gebracht worden, um die Fenster zu verbarrikadieren, da befürchtet wurde, dass Querdenker die Schule besetzen wollten, wie sie es bei anderen getan hätten, so Rittmann. Er selbst habe aber keine negative Stimmung gegen die Helfer mitbekommen.

Bevölkerung war über jeden Helfer froh

Zudem hätten sich überall riesige Schrottberge aufgetürmt, erzählt der Zugführer. Fahrzeuge seien einfach auf der Straße abgestellt worden, rund 150 Stück neben- und übereinander, um dort wiederum von Abschleppwagen abgeholt zu werden. Da sich das Wasser bei ihrem Einsatz bereits wieder zurückgezogen hatte, und durch die ständig umherfahrenden Fahrzeuge Staub aufgewirbelt wurde, habe über Ahrweiler eine Art Staubkuppel gelegen. „Es war eine unwirkliche Welt.“ Doch das Glück für die Einsatzkräfte sei es gewesen, am Abend wieder zurück in die Normalität zurückkehren zu können und nach zwei Tagen abgelöst zu werden. Im Zeltlager auf dem Nürburgring hätten Duschen und Feldbetten für die Helfer bereitgestanden. Diese stünden den betroffenen Anwohnern an der Ahr nicht zur Verfügung, sie müssten seit Wochen ohne fließendes Wasser und Abwasser leben, so der Brettener Zugführer. Daher sei die Bevölkerung über jeden Helfer froh gewesen. „Die freiwilligen Helfer sind wirklich wertvoll.“ Zwar könne jeder einzelne nur in einem kleinen Rahmen helfen, doch trage alles am Ende zu dem großen Puzzle bei, so Rittmann. 

Ganz andere Dimension als in Bretten

Ein Architekt, mit dem er gesprochen hat, habe ihm gesagt, dass viele Menschen nicht mehr in ihren alten Häusern oder auf ihren Grundstücken wohnen wollten. Die Zerstörung habe auch bei ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. „Das ist eine ganz andere Dimension als das, was wir bisher bei Hochwasser in Bretten erlebt haben.“ Bislang habe er eine derartige Zerstörung noch nicht mit eigenen Augen gesehen. In Bretten habe man jedoch vieles richtig gemacht, besonders mit der Anschaffung des Wechselladerfahrzeugs samt Ausrüstung. Dennoch sei die topografische Lage in Bretten nicht mit der im Katastrophengebiet vergleichbar, daher geht Rittmann davon aus, dass sich ähnliche Szenen in Bretten nicht abspielen würden. 

Gute Gründe für den Erhalt von Katastrophenschutzzügen

Zwar habe die Polizei in Ahrweiler die Leichensuche übernommen, doch im Gespräch mit anderen Rettungskräften im Zeltlager habe er mehr über deren Erlebnisse erfahren. Das Technische Hilfswerk habe beim Abpumpen einer Tiefgarage elf Tote gefunden, ein Baggerfahrer ein totes Baby, das vom reißenden Wasser in einem Baum angespült worden war. "Es gibt Gründe, warum man Katastrophenschutzzüge zusammengestellt hat und unterhält." 

Helfen ist ein Grundgedanke bei der Feuerwehr

Er selbst habe sich gemeldet, um Erfahrungen zu bekommen, die ihn bei der Einschätzung von Einsatzsituationen in anderen Fällen helfen sollen. Auch habe es ihm sein Vorgesetzter einfach gemacht. "Viele sagen: ich wollte einfach helfen." Doch dieser Gedanke sei für ihn als Mitglied der Feuerwehr selbstverständlich und müsse nicht gesondert angesprochen werden. Dennoch könne er es sich nicht vorstellen, als Freiwilliger Helfer in das Gebiet an die Ahr zurückzukehren. Denn er würde sich ohne seine großen Gerätschaften und nur mit einer Schaufel bewaffnet verloren fühlen, sagt Rittmann. Bei einem weiteren Einsatz der Brettener Feuerwehr wäre der Zugführer jedoch sofort wieder bereit in das Katastrophengebiet zu fahren. „Dort gibt es Menschen, die haben alles verloren, das nimmt einen mit.“ Er geht davon aus, dass frühestens in zwei Wochen das Gröbste weggeräumt sein wird. Doch das Problem liege nicht nur im Schadensgebiet. Auch die Orte in der Nähe der Ahr seien von der zerstörten Infrastruktur, wie defekten Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen betroffen.

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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