Interview mit Gabriele Mannich anlässlich ihrer Verabschiedung in den Ruhestand am 22. September
Die „leise Dekanin“ sagt Adieu
BRETTEN (ch) Sie war 23 Jahre lang Dekanin im evangelischen Kirchenbezirk Bretten-Bruchsal und davor fast zehn Jahre Gemeindepfarrerin in Diedelsheim. Ende September geht Gabriele Mannich in den wohlverdienten Ruhestand. Am Sonntag, 22. September, um 16 Uhr wird die 64-Jährige in einem Gottesdienst in der Brettener Stiftskirche mit anschließendem Empfang im evangelischen Gemeindehaus von Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh verabschiedet. Wir haben aus diesem Anlass mit der gebürtigen Karlsruherin auf ihre Lebenserfahrungen, insbesondere in ihrer Brettener Zeit, zurückgeblickt.
Frau Mannich, gab es eine Erfahrung, die Sie bereits in jungen Jahren geprägt hat?
Gabriele Mannich: Ja, die gab es. Was mich sehr beeindruckt hat, war das Leben mit den behinderten Menschen während meines Studiums in den von Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld-Bethel. Schon vorher hatte ich, als ich 1975 das Abitur machte, eine Patentochter mit Down-Syndrom. Ein Gefühl für die Stärken und begrenzten Möglichkeiten von Menschen mit Beeinträchtigungen zu bekommen, hat mir sehr gut getan. Und ich war damals sehr gut im Rollstuhlschieben. (lacht)
Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit als Gemeindepfarrerin in Diedelsheim besonders im Gedächtnis geblieben?
Zuerst einmal natürlich, dass mir die Gemeinde geholfen hat, in den Beruf als Pfarrerin hineinzukommen. Dass sie die junge Frau, die ich damals war, angenommen hat. Wobei mich manche auch Schritt für Schritt angenommen haben. Ich war ja die erste Pfarrerin in Diedelsheim überhaupt. Man kann sagen, Diedelsheim war meine erste große Gemeindeliebe.
Das müssen Sie uns erläutern.
Es berührt eine junge Frau, wenn auch die Katholiken sagen: Die Mannich ist unsere Dorfpfarrerin. Es berührt mich bis heute, wie Menschen einer Pfarrerin etwas aus ihrem Leben zeigen und ein Stück Wegbegleitung erbitten oder zulassen. Ich habe beim Aufräumen ein Heft gefunden, das mir meine damaligen Konfirmanden von einem gemeinsamen Theaterspiel geschenkt haben. Das ist wie eine kostbare Perle, die man wiederentdeckt und sich daran freut. Einfach schön.
Es war nicht alles schön, Sie mussten auch die persönliche Erfahrung einer schweren Krankheit machen…
Ja, am Tag meiner Verabschiedung in Diedelsheim habe ich erfahren, dass ich Brustkrebs habe. Ich musste lernen, dass Krankheit und Endlichkeit auch Teil meines Lebens sind. Ich durfte aber auch erfahren, dass Menschen rund um den Globus – von der Ukraine bis nach Brasilien – in dieser Zeit für mich gebetet haben. Das hing mit meiner langjährigen Arbeit für das Diaspora-Werk der Evangelischen Landeskirche zusammen.
Was hat die Krankheit mit Ihnen gemacht?
Dankbar hat sie mich gemacht. Vor allem natürlich, weil ich sie überwinden durfte. Sie hat mir aber auch die innere Freude an den kleinen Kostbarkeiten des Lebens bewusster gemacht, mich intensiver wahrnehmen lassen. Ich höre seitdem, glaube ich, genauer hin. Ich höre auch noch, was von Sätzen nachklingt. Die Krankheit hat mich Sensibilität gelehrt für die Zerbrechlichkeit der Dinge.
Hat sich diese erhöhte Sensibilität auch auf Ihre seelsorgerische Praxis ausgewirkt?
Die Krankheit hat mich auch in die geistige Tiefe geführt. Und in dieser Folge habe ich Jahre später eine Ausbildung zur Spiritualin, zur geistlichen Begleiterin, gemacht. Darin kam die Freude zum Ausdruck, meine Tätigkeit als Geistliche und Seelsorgerin zu vertiefen. Ich habe mich deshalb die leise Dekanin genannt, nicht die der großen Projekte. Als Spiritualin biete ich den Menschen an, die Themen, die sie bewegen, vor dem Horizont unseres christlichen Glaubens, des unbegreiflichen und doch so menschlichen Gottes, anzuschauen.
Wie verträgt sich Spiritualität mit Ihrer langjährigen Tätigkeit in der Disziplinarkammer der Landeskirche?
(Lacht) Gut. Eine Verhandlung vor der Disziplinarkammer beginnt immer mit einer Andacht. Ich erinnere mich an eine dieser Verhandlungen und meinen Geistlichen Impuls: Gott unterscheidet immer zwischen Werk und Person. Gott sagt zum Menschen: `Du bist mein geliebtes Kind. Aber das, was du gemacht hast, ist absolut unmöglich. Damit verletzt du andere Menschen.´ Und in dieser Unterscheidung verträgt sich beides gut.
Sie haben vorhin erwähnt, dass Menschen im Ausland für Sie gebetet haben. Konnten Sie selbst auch Erfahrungen im Ausland sammeln?
Ja, ich war in Süd- und Osteuropa. Am eindrücklichsten war bestimmt die Reise in die West-Ukraine. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Erlebnis bei einer ukrainischen Familie. Wir waren zum Essen eingeladen. Es wurde aufgetischt und wir wurden aufgefordert, kräftig zuzulangen. Unsere Gastgeber schauten zu und aßen nichts, weil es nicht für alle gereicht hätte. Zugleich machten sie uns klar, dass wir ihre Gastfreundschaft tief verletzt hätten, wenn wir nicht gegessen hätten. Es kann doch nicht sein, dass wir bei uns tonnenweise Essen wegwerfen, während in Nachbarländern Menschen hungern.
Zurück ins Inland: Welchen Stellenwert hat für Sie die Ökumene, sprich die Überwindung der Gegensätze zwischen den christlichen Konfessionen?
Ich glaube, wir evangelischen und katholischen Christen können in unserer Gegenwart nur noch gemeinsam Zeugen des christlichen Glaubens sein. Die Zeit des sich gegeneinander Profilierens sollte der Vergangenheit angehören. Ich erinnere mich an unseren ökumenischen Gottesdienst zum Stadtjubiläum vor zwei Jahren, als der katholische Pfarrer Maiba und ich uns spontan beim Friedensgruß in den Arm genommen haben. Die häufigste Rückmeldung auf den Gottesdienst war, dass genau das das wichtigste Zeichen für die Anwesenden war.
Sie haben gesagt, Sie wollten nicht Dekanin der großen Projekte sein. Wie haben Sie es geschafft, zum Ende Ihrer Amtszeit dann doch noch ein großes Projekt zu stemmen?
Sie spielen auf die Zusammenlegung der bisher drei Kirchenbezirke im Landkreis Karlsruhe zu zwei neuen Kirchenbezirken an. Dabei wurde aus dem bisherigen Kirchenbezirk Bretten der neue Bezirk Bretten-Bruchsal, der neuerdings bis Philippsburg reicht, geografisch eine Verdoppelung mit einem Drittel mehr Gemeindemitgliedern. Das hat viel Integrationsarbeit bedeutet und war menschlich, organisatorisch und zeittechnisch eine Herausforderung. Sie wissen, wie viel Zeit man in letzter Zeit auf der B35 verbringt, da muss man sich anpassen. Ich bin dankbar, dass die menschliche Kooperation sehr gut gelingen durfte.
Worauf freuen Sie sich nun im Ruhestand?
Ich habe 2015 erstmals geheiratet. Seitdem leben wir geographisch getrennt. Mein Mann ist Pfarrer in Tauberbischofsheim. Und nach acht Jahren Pendeln freue ich mich unbändig auf das gemeinsame Leben mit meinem Ehemann im Nordschwarzwald. Zu dieser unbändigen Freude gehört bei mir aber auch die Wehmut, aus dem Beruf auszuscheiden, weil er bis heute mein Leben und meine Leidenschaft ist.
Die Fragen stellte Chris Heinemann
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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