Postkarten erzählen Geschichten
Jürgen Klein sammelt historisch Interessantes aus Neibsheim und Büchig
Büchig/Neibsheim (ger) Der menschliche Mitteilungsdrang ist groß. Vor dem Siegeszug des Telefons und der digitalen Technik schrieben sich Menschen gerne Ansichtskarten. Handschriftlich berichtete man von den kleinen und großen Neuigkeiten, die ein Leben bereithält, oder sandte einfach nur herzliche Grüße an die Lieben in der Ferne.
Interesse für Heimatgeschichte seit der Kindheit
Jürgen Klein wohnt in Büchig, stammt aber aus Neibsheim, und sammelt alte Postkarten aus den beiden Orten. Schon als Kind hat er Briefmarken gesammelt. Als er zur Kommunion das alte Heimatbuch über die Geschichte Neibsheims geschenkt bekam, flammte in ihm das Interesse für die Heimatgeschichte auf. Als er vor etwa 15 Jahren Kindersachen seiner inzwischen erwachsenen Töchter auf der Internetplattform Ebay verkaufte, stolperte er über alte Postkarten aus dem Kraichgau und wurde neugierig.
Barfüßige Kinder in der Talbachstraße
Sie sind liebevoll gestaltet, zeigen gezeichnete oder fotografierte Sehenswürdigkeiten im Ort, die oftmals wie eine Collage zusammengestellt und mit geschwungenen Rahmen und Blüten dekoriert sind. Eine Karte – sie ist in bunten Farben handkoloriert – zeigt mit Blick auf die Kirche die Neibsheimer Talbachstraße, auf der eine große Schar barfüßiger Kinder steht.
"Zum Glück sind die Manöver beendet"
Besonders faszinieren ihn die Geschichten, die hinter den kleinen Karten stecken. So hat er eine Postkarte, auf der neben einer Totalansicht von Neibsheim das alte Schulhaus und die ehemalige Kinderschule zu sehen sind. Sie ist im Jahr 1903 versandt worden, und der kurze Text auf Französisch lautet übersetzt: „Morgen früh gehe ich zurück nach Schustave, zum Glück. Zum Glück sind die Manöver beendet, Gruß Th“.
Klein hat herausgefunden, dass eben in diesem Jahr in der Region ein Manöver der preußischen Armee von Kaiser Wilhelm II. stattgefunden hatte. Teilgenommen hatte daran auch das 3. Ober-Elsässische Infanterie-Regiment Nr. 172, das in Straßburg stationiert war. Damals gehörten Elsass und Lothringen zum Deutschen Reich. Auch Kriegspostkarten vom Ersten Weltkrieg, die nach Neibsheim gingen, hat Klein in seiner Sammlung.
Postkarte auf Latein von Pfarrer zu Pfarrer?
Eine Postkarte, die am 29. Dezember 1904 von Neibsheim nach Schriesheim geschickt wurde, gibt ein Rätsel auf. Sie ist auf Latein verfasst. Möglicherweise hat sie ein Pfarrer an einen Amtskollegen geschickt.
Das Entziffern der alten Schriftstücke ist die größte Herausforderung. Klein lässt sich von Bekannten und Verwandten helfen, aber es gibt immer weniger Menschen, die Sütterlin lesen können.
Rechnung mit Einnahmen und Ausgaben der Adlerberg-Kapelle
Neben Ansichtskarten hat Klein auch alte Dokumente in seinem Fundus. Sein Prunkstück ist eine „Kapellenrechnung“ von 1761, die sich mit den Einnahmen und Ausgaben der Adlerberg-Kapelle befasst. Laut dem altem Heimatbuch haben in dieser Zeit Eremiten bei der Kapelle gewohnt und sich um diese gekümmert.
43 Sack Kartoffeln für "Königliche Kommission" in Knittlingen
Ein Lieferschein von 1847 erzählt ebenfalls eine kleine Geschichte: Der Neibsheimer Fuhrmann Haag – ein immer noch vorkommender Name im Ort – hat 43 Sack Kartoffeln nach Knittlingen für die dort ansässige „Königliche Kommission“ geliefert. Zwei Kreuzer hat der Sester – ein altes Hohlmaß für Getreide oder Flüssigkeiten – gekostet, insgesamt wurden zehn Gulden für die Lieferung bezahlt.
Neibsheimer Zeichnungen eines Karlsruher Malers
Einiges für seine Sammlung hat Klein von Haushaltsauflösungen bekommen, nur manches hat er auf Flohmärkten gefunden. Das meiste hat er im Internet ersteigert. Bei einer großer Dorfansicht von 1910, gemalt von einem Franz Mayer aus Karlsruhe, wurde er zu seinem Bedauern überboten. Zwei Zeichnungen, die besagter Mayer 1917 während eines Heimaturlaubs von der Front in Neibsheim angefertigt hat, befinden sich jetzt aber in seiner Sammlung. Mehr konnte er über den Künstler aber nicht herausfinden, und so bleibt es eine Vermutung, dass Mayer vielleicht Verwandte im Ort hatte.
Einweihung des Sportplatzes mit Pfarrer
Auch Fotos, die historisch Bedeutsames zeigen, hat Klein in seiner Sammlung. Auf einem Bild ist die Einweihung des Sportplatzes 1969 zu sehen. Neben der ersten Mannschaft steht Pfarrer Sauerborn, umrahmt von Ministranten. „Ich freue mich über alles, was mit Neibsheim und Büchig zu tun hat und historisch interessant ist“, sagt Klein. Bevor man also alte Funde wegwirft, kann man sich gerne bei ihm melden.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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