Ordnungsamt Bretten erläutert Corona-Anordnung
„An eine Trennung ist nicht gedacht“
Bretten (hk) Es ist Dienstag, 20. Oktober 2020, als sich der Verdacht bestätigt: In der Max-Planck-Realschule in Bretten wurde ein Schüler der sechsten Klasse positiv auf das Coronavirus getestet. Weil er ein „Erstkontakt“ ist, wird der Sohn von Petra Gerweck-Ehrenfeuchter nach Hause geschickt. Bereits am 28. Oktober hielt die Lehrerin an der Pestalozzischule in Bretten-Diedelsheim das negative Testergebnis in den Händen. Bis zum 29. Oktober musste ihr Sohn noch die Quarantänezeit einhalten. „Am 27. Oktober stand das Ordnungsamt vor meiner Tür und hat mir eine Anordnung in die Hand gedrückt“, erzählt Gerweck-Ehrenfeuchter. Als sie den Brief gelesen hat, sei sie verärgert gewesen. „Ich dachte mir – das kann nicht sein“, sagt sie. Sie kritisiert die Anordnung, in der Familien, in denen Kinder bei einem Coronavirus-Verdacht unter häuslicher Quarantäne stehen, ihre Kinder im Haushalt weitestgehend isolieren sollen.
Andere Eltern auch verunsichert
Das Kind soll demnach neun Tage „nach Möglichkeit eine zeitliche und räumliche Trennung von anderen Haushaltsmitgliedern einhalten“. Bei Nichtbeachtung der Anordnung könne das Kind „zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden“, heißt es in dem Schreiben. „Dieser Tonfall und die damit verbundene Angstmacherei hat mich so geärgert. Und auch die Androhung, dass das Kind aus der Familie genommen werden kann, wenn ich das nicht gewährleiste. Das erinnert mich an die Zeit des Zweiten Weltkrieges“, sagt sie. Durch eine WhatsApp-Gruppe habe sie mitbekommen, wie verunsichert auch die anderen Eltern gewesen seien. „Ich weiß, es ist eine schwere Zeit, auch für die Menschen, die im Ordnungsamt arbeiten. Aber kann man sich nicht Gedanken um die Formulierung dieser Anordnung machen?“, sagt sie aufgebracht über das „lebensferne“ Dokument.
An einem Strang ziehen
„So etwas schüchtert ein, verunsichert und verängstigt unsere Gesellschaft“, macht sie ihrem Ärger Luft. Stattdessen, so schlägt sie vor, hätte man eine Formulierung nehmen können, die die Menschen ermutigt, an einem Strang zu ziehen und nicht verängstigt. Die Lehrerin möchte für die Kinder sprechen – die „traumatisierten Kinder unserer Zukunft“ – für die sie auch die Gefahr in Kauf nehme, als „Querdenkerin“ abgestempelt zu werden. Aber wenn es um Kinder gehe, die isoliert werden sollen, sei für sie eine Grenze erreicht, die nicht überschritten werden darf. „Die Kinder sitzen zu Hause, isoliert, und ihr Immunsystem geht den Bach hinunter.“ Gerweck-Ehrenfeuchter würde lieber einen anderen Weg gehen, nämlich raus in die frische Luft: „Wir haben die Möglichkeit, uns auf dem Land ganz anders zu schützen als in der Stadt. Von diesem Luxus müssen wir auch Gebrauch machen“, findet sie.
Verständnis für schwierige Situation von Eltern
Die Redaktion der Brettener Woche/kraichgau.news hat beim Ordnungsamt in Bretten nachgefragt, wie die Anordnung genau zu verstehen ist. Zunächst gehe die Verfügung in großen Teilen auf eine Musterverfügung des Landratsamtes zurück. Man habe sich dabei an entsprechenden Vorlagen anderer Landkreise und insbesondere auch am Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes orientiert. Diese werden in Baden-Württemberg von der jeweils zuständigen Ortspolizeibehörde erlassen. Das Ordnungsamt macht deutlich, dass man größtes Verständnis für die schwierige Situation von Eltern mit COVID-19 infizierten Kindern oder infolge eines Coronafalls in Quarantäne gestellten Kindern habe. Quarantäneverfügungen, auch gegen Kinder, seien aber für die Unterbrechung von Infektketten notwendig, um das Infektionsgeschehen weiter im Griff zu behalten. Klar sei, dass „Isolationsmaßnahmen bei Kindern abhängig von Alter, Entwicklungsstand und auch den Bedürfnissen des einzelnen Kindes umgesetzt werden sollten.“
„Kontakte innerhalb der Familie sind nicht vollständig untersagt“
In den Hygieneregeln sei festgehalten, dass Kontakte zu anderen Personen „minimiert“ werden sollen. Im Haushalt solle „nach Möglichkeit“ eine zeitliche und räumliche Trennung von anderen Haushaltsmitgliedern eingehalten werden. „Kontakte innerhalb der Familie sind daher nicht vollständig untersagt. Das eröffnet den notwendigen Spielraum, um den Kontaktbedürfnissen von Kindern Rechnung zu tragen“, so das Ordnungsamt, das zudem darauf hinweist, dass mit der Quarantäneverfügung des Kindes Eltern die Möglichkeit erhalten, nicht zur Arbeit gehen zu müssen, sondern sich um ihr Kind kümmern zu können. „Sollte es zu einem Verdienstausfall kommen, eröffnet die Quarantäneverfügung außerdem die Möglichkeit, eine Entschädigung nach Paragraph 56 Infektionsschutzgesetz zu erhalten“. Das Ordnungsamt erläutert auch, was sich hinter der Formulierung „zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden“, die aus dem Infektionsschutzgesetz kommt, verberge.
Zwangsmaßnahme ist Extremfällen vorbehalten
Wie aus dem Kontext des Infektionsschutzgesetzes hervorgehe, handele es sich dabei um eine Unterbringung in einem Krankenhaus oder einer anderen geeigneten Einrichtung. Eine solche Zwangsmaßnahme sei aber Extremfällen vorbehalten und müsste von einem Richter angeordnet werden. „An eine Trennung des Kindes von den Eltern ist nicht gedacht“, verdeutlicht das Ordnungsamt. Wenn es notwendig werden sollte, ein Kind zum Schutz anderer zwangsweise zu isolieren, würde es zusammen mit einem oder beiden Elternteilen untergebracht werden. „Diese Maßnahme wäre die ultima ratio, wenn die Eltern durch ihr Verhalten nicht dafür Sorge tragen, dass Außenstehende durch das Kind nicht angesteckt werden können.“
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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