Serie: Die Schicksale hinter den Steinen
Folge 4: Familie Jakob Veis - Den Sohn in Sicherheit gebracht
Bretten (ger/ Noëmie Funke) In Bretten liegen 34 Gedenksteine an Opfer der NS-Zeit, die vor deren ehemaligen Wohnhäusern verlegt wurden. Der Künstler Gunter Demnig hat die so genannten Stolpersteine in den 1990er Jahren ins Leben gerufen. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern wurden seither über 75.000 Stolpersteine verlegt. Oberstufen-Schülerinnen des Melanchthon-Gymnasiums Bretten (MGB) haben die Schicksale der Menschen aufgeschrieben, die in Bretten von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Sie erscheinen in loser Reihenfolge in der Brettener Woche.
Familie Jakob Veis
In der Melanchthonstraße 80, ganz in der Nähe des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, erinnern Stolpersteine an die Familie Veis. Jakob Veis wurde am 14. April 1892 in Bretten geboren. Seine Frau Berta (geb. Blum), die am 6. April 1898 zur Welt kam, stammte aus Großzimmern. Die beiden bekamen ihren Sohn Bruno Bernhard am 16. September 1924. Jakob Veis handelte unter anderem mit Polstereibedarf. Im Ersten Weltkrieg hatte er fast sein ganzes Augenlicht verloren. Ein Chauffeur fuhr ihn deshalb mit seinem Auto zur Kundschaft.
Den Sohn nach England geschickt
Wie die anderen noch in Bretten lebenden Juden wurde auch das Ehepaar Veis am 22. Oktober 1940 nach Gurs/Frankreich deportiert, die Geschwister von Jakob Veis hatten Bretten zu diesem Zeitpunkt schon verlassen. Auch Bruno war schon in Sicherheit: Das Ehepaar Veis hatte seinen Sohn Ende Dezember 1938 mit einem Kindertransport nach England geschickt. England nahm damals mehr als 10.000 jüdische Kinder und Jugendliche auf. Zwei Jahre danach emigrierte Bruno zu Onkel und Tante in die USA. Das Bemühen der Verwandten um eine Ausreise der Eltern von Gurs in die USA war fast erfolgreich. Doch dann schlossen die USA die Grenzen. Berta und Jakob Veis wurden am 2. Oktober 1941 in das Lager Récébédou/Toulouse verlegt und am 26. August 1942 nach Drancy. Im Convoi 26 vom 31. August 1942 traten sie mit 1.000 Personen, darunter 200 Kindern, die Reise in den Tod nach Auschwitz an. Sie wurden gleich nach ihrer Ankunft ermordet.
Trotz allem mit der Heimat verbunden
Bruno kehrte im Rahmen des Wehrdienstes als Soldat nach Deutschland zurück, um im Zweiten Weltkrieg für die USA zu kämpfen. Er lebte in New York, gründete eine Familie und beherrschte noch im hohen Alter fließend Deutsch, wie sich in einem Videoanruf zeigte. Trotz allem fühlte er noch immer eine starke Verbundenheit zu seiner alten Heimat. Seine Erinnerungen waren klar und liebevoll, schwärmte er doch auf „Brettnerisch“ von seiner Mutter als hervorragende Köchin und Bäckerin. Liebevoll war auch die Karte, die ihm seine Eltern vor ihrer Abfahrt mit dem Ziel „unbekannt“ schickten: „23. 8. 42 – Unser innigst geliebter Bruno! Und unsere Lieben alle! Hoffen Euch im Besitz unseres Telegramms und senden euch noch kurz vor unserer Abreise ein recht herzliches Lebe Wohl zu …“
Text: Noëmie Funke
Die weiteren Folgen der Serie finden Sie auf unserer Themenseite "Schicksale hinter Stolpersteinen".
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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