Schüler gedenken der "Euthanasie"
Neuer Stolperstein für Mina Schabinger in Bretten verlegt

Die Klasse 10d des MGB beim Gedenken an Mina Schabinger in der Schillstraße 12. | Foto: privat
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  • Die Klasse 10d des MGB beim Gedenken an Mina Schabinger in der Schillstraße 12.
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Bretten (Natalia Lakman) 1944 komponierte Dietrich Bonhoeffer das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Im selben Jahr verstarb Mina Schabinger aus Bretten nach einem langen Martyrium in der Heilanstalt Hoerdt. Der Stolperstein in der Schillstraße 12, der an ihr Schicksal erinnern soll, wurde am 26. Januar ersetzt, nachdem neue Recherchen zuvor unbekannte Informationen über ihren Leidensweg ans Licht gebracht hatten. Als berührende Einstimmung sangen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10d des Melanchthon-Gymnasiums (MGB) eben jenes von Bonhoeffer in einem Berliner Gestapo-Gefängnis geschriebene Lied, das die zeitlose Botschaft von Hoffnung und Geborgenheit in schwierigen Zeiten trägt.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar"

Die Klasse hat sich im Geschichtsunterricht nicht nur mit dem Schicksal von Mina Schabinger, sondern auch mit dem Thema „Euthanasie“ im Allgemeinen intensiv auseinandergesetzt. Die Ergebnisse ihrer Recherche präsentierte sie einem geschichtsinteressierten Publikum, das am Freitag trotz Wind und Regen zahlreich erschienen war. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dazu gehört auch sein Recht auf Leben, das nicht angetastet werden darf, unabhängig von seiner körperlichen und geistigen Verfassung“, so lautete das klare Statement der Schülerinnen und Schüler. Auch Oberbürgermeister Martin Wolff betonte in seiner Ansprache das fundamentale Recht auf Leben und hob hervor, wie bedeutend solche Aktionen für die Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung und der Gedenkkultur sind.

Teil der Siebten-Tag-Adventisten-Gemeinde

Mina Schabinger wurde am 1. Mai 1905 geboren. Ihre Familie gehörte der Siebten-Tag-Adventisten-Gemeinde an. Nach der Machtergreifung waren die Schabingers aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Anfeindungen und Repressionen ausgesetzt. Es war eine Zeit, in der es gefährlich wurde, abweichende Glaubensüberzeugungen zu vertreten. Im Jahr 1933 brachte Mina ihre Tochter Irmgard zur Welt. Kurze Zeit später diagnostizierte ein Bezirksarzt bei ihr „Schizophrenie“, woraufhin die alleinerziehende Mutter entmündigt und zwangssterilisiert wurde. Sie unternahm mehrere Versuche, ihr Kind zurückzubekommen – immer wurde ihr dies aufgrund der Einstufung als „geistig minderwertig“ verwehrt. Es folgten zehn Jahre in verschiedenen Anstalten, Schocktherapien und Behandlungen mit starken Medikamenten, die zu der Zeit üblich waren.

Genaue Todesumstände unklar

Am 28. August 1944 starb Mina Schabinger in der Anstalt Hoerdt. Angeblich hatte sie „seit einigen Tagen Fieber“ und sei dann an Bronchopneumonie beziehungsweise Herzschwäche verstorben. Die Nachfragen der Familie, wie es dazu kommen konnte, blieben unbeantwortet. Diese Unstimmigkeiten hat die Historikerin Lea Münch zu Tage gefördert. Sie lassen vermuten, dass die offiziellen Angaben zur Todesursache nicht korrekt sind. Die genauen Umstände des Todes sind jedoch nicht bekannt. Daher lässt sich dieser Fall nicht mit hundertprozentiger Sicherheit in die Kategorie „Euthanasie“ einordnen.
Nichtsdestotrotz entschieden sich die Klasse und ihre Geschichtslehrerin, Natalia Lakman, die Neuverlegung nicht nur zum Gedenken an den Lebensweg von Mina Schabinger zu nutzen, sondern auch, um an die Opfer der Euthanasie zu erinnern. Auch Susanne Christ, stellvertretende Schulleiterin des MGB, betonte die Bedeutung des Gedenkens.

Heidi Leins berichtet von Bruder Heinrich

Heidi Leins, die sich seit mehreren Jahren für die Verlegung der Stolpersteine engagiert, berichtete am Ende der Veranstaltung über das Schicksal von Minas Bruder Heinrich, der wie seine Schwester zwangssterilisiert wurde. In der Nachkriegszeit stellte er einen Antrag auf Wiedergutmachung, der jedoch nicht genehmigt wurde. Er starb 1983. 2018 verstarb Irmgard, die Tochter von Mina Schabinger, in einem Altersheim in Schwarzbach. 1940 stand sie als kleines Mädchen auf der Transportliste nach Grafeneck. Allerdings hatte sie Glück und wurde nicht von einem der grauen Busse abgeholt.

Schüler senden Botschaft des Friedens

Am Ende der Veranstaltung verabschiedeten sich die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10d mit dem Kanon „Da Pacem Domine“. So brachten sie ihre Anteilnahme am bewegenden Schicksal der Familie Schabinger zum Ausdruck. Gleichzeitig war es eine Botschaft des Friedens und ein Aufruf an alle, sich im Großen und Kleinen für eine bessere Welt einzusetzen.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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