Serie: Schicksale hinter den Steinen – Folge 8
Alfred Koppel – Wegen Liebe im Zuchthaus
Bretten (red) In Bretten liegen 34 Gedenksteine an Opfer der NS-Zeit, die vor deren ehemaligen Wohnhäusern verlegt wurden. Der Künstler Gunter Demnig hat die so genannten Stolpersteine in den 1990er Jahren ins Leben gerufen. In inzwischen über 1.200 Kommunen in Deutschland und 25 Ländern Europas liegen mittlerweile über 100.000 Stolpersteine. Oberstufen-Schülerinnen des Melanchthon-Gymnasiums Bretten haben mit Unterstützung von Heidemarie Leins die Schicksale der Menschen aufgeschrieben, die in Bretten von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Sie erscheinen in loser Reihenfolge in der Brettener Woche.Das Schicksal von Alfred Koppel
Jacob Koppel & Söhne OHG, eine der ganz großen Fettvieh- und Pferdehandlungen in Südwestdeutschland, bestand in Bretten seit 1886 in der Weißhofer Straße 42, wo heute der Bronnerbau des Melanchthon-Gymnasiums steht, auf einem Anwesen, das von der Weißhofer Straße bis zur Friedrichstraße reichte.
Gut gehender Viehhandel in Bretten
Die Söhne Isidor und Joseph von den fünfzehn lebenden Kindern des Ehepaares Jacob und Karoline Koppel heirateten 1894 und 1899 zwei Schwestern aus Schwabenheim bei Bürstadt in Hessen. Beide Familien mit ihren jeweils vier Kindern lebten unter einem Dach. Der Viehhandel, hauptsächlich mit Pferden, Schlacht- und Nutzvieh, das oftmals aus Ostpreußen, Dänemark oder Ungarn kam, exportierte vielfach nach Frankreich. Aufgrund dieses gut gehenden Handels gehörten die Koppels zu den wohlhabenden Familien Brettens. Ihre Großzügigkeit wird immer wieder von Angestellten und Zeugen in den Wiedergutmachungsakten erwähnt, zum Beispiel verschenkten sie Milch an die Kinder in der Nachbarschaft.
Verheiratet, dann getrennt und wieder verliebt
Als drittes Kind von Isidor und Clementine Koppel wurde Alfred Koppel am 26.2.1898 in Bretten geboren. Nach der Schulzeit absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Mannheim. Nach seiner Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg arbeitete er im elterlichen Betrieb. 1922 heiratete er eine Christin und lebte in Mannheim, trennte sich aber 1927 von ihr, da es eine neue Frau in seinem Leben gab. Sie wollte heiraten, aber Alfred war nicht frei, da sich seine Frau nicht scheiden lassen wollte. So wurde das gemeinsame Kind unehelich geboren, mit dem sie dann später in die USA auswanderte.
Versuchten zu verheimlichen, dass Vater jüdischer Herkunft war
Alfred zog wieder nach Bretten. In der Zwischenzeit hatte seine Tante Johanna, nachdem ihre Schwester 1912 gestorben war, einen großen Haushalt zu versorgen, und Elisabeth, ein christliches Dienstmädchen, eingestellt. Zwischen Alfred und Elisabeth entspann sich eine Liebesgeschichte, die nicht ohne Folgen blieb: 1933 wurde Tochter Margot geboren und ein Jahr später der Sohn Alfred Erich.
Um zu verheimlichen, dass der Vater jüdischer Herkunft war, versuchten die Eltern, einen Kindsvater zu finden, was auch gelang. Doch nach der Geburt des zweiten Kindes flog der Schwindel auf, und Alfred und Elisabeth erhielten wegen Meineids eine Gefängnisstrafe von einem bzw. einem Jahr und drei Monaten sowie die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für zwei bzw. vier Jahre. Allerdings war nach der Haftstrafe eine Heirat aufgrund der seit 1935 geltenden Rassengesetze und auch wegen Alfreds noch bestehender Ehe unmöglich.
Zuchthausstrafe wegen "Rassenschande"
Nach Verbüßung der Haftstrafen trafen sie sich immer wieder heimlich. Die Tochter Margot lebte bei Elisabeths Eltern und der Sohn Alfred bei Pflegeeltern in Karlsruhe. Denunziert wurden beide, Alfred angezeigt und zu einer 18-monatigen Zuchthausstrafe wegen „Rassenschande“ verurteilt. In der antisemitischen Wochenzeitschrift „Der Stürmer“ wurde diese Verurteilung als Mahnung gedruckt. Nach der Verbüßung seiner Strafe im Zuchthaus Bruchsal brachte die Gestapo Alfred als „Rassenschänder Jude“ ins KZ Buchenwald. Alfred Koppel starb am 24.01.1941 mit 43 Jahren, als Todesursache ist in den Unterlagen „Herzschwäche bei eitriger Pleuritis“ angegeben.
Die ganz große Liebe
Margot und Alfred Erich, die Kinder von Alfred und Elisabeth, hatten das übergroße Glück, das Nazisystem in ihrer Heimat zu überleben. Heidemarie Leins konnte bei ihrer Recherche die Geschwister ausfindig machen und ihnen von ihrer jüdischen Familie erzählen. Die Mutter lebte noch, und als sie das Foto von Alfred sah, rief sie „mein Fredel, mein Fredel“. Es war die ganz große Liebe, davon geben auch die vorhandenen Briefe Kenntnis. Der Besuch auf dem jüdischen Friedhof an den Gräbern der Groß- und Urgroßeltern war ein weiteres emotionales Erlebnis der Geschwister. Die Familie sagte, sie habe durch das Wissen um den anderen Teil der Familie ihre Identität bekommen.
Text: Jule Wardelmann, Heidi Leins
Die weiteren Folgen der Serie finden Sie auf unserer Themenseite "Schicksale hinter Stolpersteinen".
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.