Der private Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe hat jetzt in Diedelsheim erstmals eine Zentrale
Ein „Lichtblick“ für Kinder, Jugendliche und Familien in Not

Teambesprechung in der neuen Lichtblick-Zentrale: Lichtblick-Geschäftsführer Jochen Röckle mit den pädagogischen Fachberaterinnen Melanie Lenz (links) und Inge Stratmann. | Foto: ch
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BRETTEN (ch) Wenn sich wirtschaftliche, soziale oder seelische Belastungen in Familien in Spannungen oder gar Gewalt entladen, dann sind es immer die Schwächsten, die am meisten darunter leiden. Um diese, nämlich um vernachlässigte, überforderte oder misshandelte Kinder und Jugendliche, kümmert sich die seit 2012 bestehende gemeinnützige Lichtblick gGmbH. Seit Oktober hat der vom ehemaligen Hohberghausleiter Jochen Röckle gegründete und geleitete private Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe erstmals eine feste Zentrale in Bretten-Diedelsheim.

Bloß nicht auffallen

Das bereits im Sommer 2019 durch Vermittlung von Unterstützern erworbene Haus beherbergt neben Besprechungsräumen, Büroarbeitsplätzen und Räumlichkeiten sowie einem großen Garten für Besuchskontakte mit den Eltern auch eine Wohnung für „Betreutes Jugendwohnen“, wie es in der Fachsprache heißt. Dort werden zurzeit ein 19- und ein 20-jähriger Jugendlicher von einer Betreuerin auf ihrem Weg in die Selbständigkeit als Erwachsene begleitet. Das Haus selbst ist unscheinbar und das soll nach dem Willen von Jochen Röckle auch so bleiben. Denn, so der geschäftsführende Gesellschafter von Lichtblick: „Unsere Kinder und Jugendlichen wollen nicht auffallen.“

Normalität dringend gesucht

Die Lichtblick gGmbH respektiere diesen Wunsch, sagt Jochen Röckle. „Deshalb sind auch unsere Fahrzeuge nicht beschriftet.“ Die Kinder- und Jugendhilfeorganisation tut alles, um ihren Schutzbefohlenen ein Aufwachsen frei von fremden Vorurteilen in einer normalen Umgebung zu ermöglichen. Denn Normalität ist es, die diese jungen Menschen bis dahin am allermeisten in ihrem Leben vermisst haben. Mit aktiver Unterstützung der mittlerweile auf rund 90 angewachsenen pädagogischen Fachkräfte gehen sie in die Schule, in Vereine, Ballett- oder Musikschule, haben Freunde und entfalten ihre Talente. Um diese Sehnsucht nach Normalität zu verstehen, ist es hilfreich, einen Blick auf die alles andere als normalen Schicksale der inzwischen über 100 von Lichtblick betreuten Kinder und Jugendlichen zu werfen.

Ein ganz alltäglicher Fall

Zwei Beispiele, die die Bandbreite dessen erahnen lassen, womit die Helfer/innen konfrontiert werden: „Das Jugendamt hat uns angerufen und nach einem Betreuungsplatz für einen fünfjährigen Jungen gefragt, der am ganzen Körper Blutergüsse, Prellungen und einen gebrochenen Arm hatte“, erzählt Jochen Röckle. Die Ursache war massive Gewaltanwendung durch den Vater. Mit der Folge, dass das Jugendamt das Kind sofort aus der Familie herausnahm. Zum Glück konnte das Lichtblick-Team einen Platz in einer Kinderwohngruppe mit insgesamt sechs Kindern zur Verfügung stellen. Heute, zwei Jahre danach, gehe es dem Jungen besser, er besuche wie alle anderen Kinder die Schule und mache Fortschritte, erzählt Röckle, der betont, dies sei ein ganz alltäglicher Fall.

Traumatisierte Kinder

Anders das zweite, an Dramatik kaum zu überbietende Schicksal: Kleine Kinder mussten mitansehen, wie der Vater vor ihren Augen die Mutter ermordete. „In diesem Fall haben wir auch die traumatisierten und unter Schock stehende Kinder aufgenommen und versuchen, ihnen mit unseren Betreuungs- und Beziehungsangeboten sowie mit Unterstützung von Trauma-Therapeuten Schutz und Halt zu geben, damit sie das schreckliche Erlebnis verarbeiten können“, berichtet Röckle.

Kein Randgruppenthema

Probleme, die nur sozial benachteiligte Familien betreffen? Leider nein, winkt der 57-jährige Lichtblick-Geschäftsführer ab. „Unsere Kinder und Jugendlichen kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten.“ Benachteiligung komme überall vor, nicht nur als Folge von Arbeitslosigkeit, sondern zum Beispiel auch durch Trennung, Überforderung, Sucht oder – immer häufiger – auch durch psychische Erkrankung der Eltern, die sich nicht mehr angemessen um ihre Sprösslinge kümmern können. Laufen dann Kinder von zuhause weg, oder werden Missstände wie drohende Verwahrlosung, Misshandlung oder Missbrauch öffentlich, entscheiden Jugendämter oder Jugendgerichte über eine Betreuung in einer Jugendhilfeeinrichtung.

Anpassung an das Kind

Davon hat die Lichtblick gGmbH mit Wohngruppen, Erziehungsstellen, Pflegefamilien, Mutter-Kind-Häusern und betreutem Jugendwohnen gleich fünf verschiedene Arten im Angebot. Seit der 2013 eröffneten ersten Wohngruppe in Rinklingen ist der anerkannte freie Träger stetig gewachsen. „Wir werden auch überregional stark nachgefragt, weil wir einen innovativen pädagogischen Ansatz haben“, sagt Jochen Röckle. „Bei uns muss nicht das Kind in unsere Struktur passen, sondern wir passen unser Angebot an die Bedarfe des Kindes an.“

Bei Spenden noch „Luft nach oben“

Die Kosten dieser auf Einbindung in den Stadtteil und enge Kooperation mit allen Schularten sowie anderen Einrichtungen setzenden Betreuung tragen in der Regel die im jeweiligen Wohnort der Eltern zuständigen Jugendämter. Und Zuschüsse für besondere Förderprojekte zugunsten dieser jungen Menschen? „Gibt es nicht“, sagt Jochen Röckle. „Deshalb freuen wir uns so über Spenden.“ Diese Form der Unterstützung kam bisher vor allem vom Förderverein der Grundschule Rinklingen und der dortigen evangelischen Kirchengemeinde, wo man die Lichtblick-Arbeit seit den Anfängen kennen und schätzen gelernt hat. Und vom Teatro Gillardo, das seit Jahren die Einnahmen seiner Auftritte an Lichtblick spendet. Und sonst? Ja, sagt Jochen Röckle nachdenklich: „Darüber hinaus wäre noch Luft nach oben.“
Wer die Arbeit von „Lichtblick“ unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende tun - auf das Konto bei der Sparkasse Kraichgau, IBAN DE96 6635 0036 0007 0745 37.

Mehr Infos unter www.libli.de und auf unserer Themenseite Lichtblick

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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