"Beim fünften Bäcker kräht kein Hahn": Osiander-Geschäftsführer Christian Riethmüller im Interview

Christian Riethmüller, Co-Geschäftsführer der Buchhandlung Osiander. | Foto: Steffen Sixt, blind21.de
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Die teils kontroverse Diskussion über die im Sommer geplante Ansiedlung einer zweiten Buchhandlung in Bretten in Gestalt einer Filiale der Buchhandlung Osiander wird auch in der Tübinger Osiander-Zentrale aufmerksam verfolgt. Im Interview widerspricht Osiander-Co-Geschäftsführer Befürchtungen der Kolibri-Freunde und legt seine Pläne offen.

BRETTEN (ch) Die teils kontroverse Diskussion über die im Sommer geplante Ansiedlung einer zweiten Buchhandlung in Bretten in Gestalt einer Filiale der Buchhandlung Osiander wird auch in der Tübinger Osiander-Zentrale aufmerksam verfolgt. Im Interview widerspricht Osiander-Co-Geschäftsführer Befürchtungen der Kolibri-Freunde und legt seine Pläne offen.

Herr Riethmüller, wie sind Sie auf Bretten aufmerksam geworden?
Christian Riethmüller: Bretten hat eine schöne Altstadt mit über 20.000 Einwohnern und keine Buchhandlung in der Innenstadt. Wir haben nicht konkret gesucht, in dem Fall ist die städtische Wirtschaftsförderung auf uns zugekommen. Aber wir hatten Bretten auf der Liste, falls mal ein Angebot kommen sollte.

Was versprechen Sie sich von Ihrem neuen Standort in der Weißhofer Galerie?
Viel, sonst würden wir nicht so viel Geld investieren ...

... Darf man fragen, wie viel Sie investieren?
Bei 380 Quadratmetern Verkaufsfläche werden wir bis zu 350.000 Euro in die Ladeneinrichtung investieren. Wir setzen auf Eichenholz, weil wir wissen, dass die Menschen gerne in einen hochwertigen Laden mit einer hohen Aufenthaltsqualität gehen. Und es gibt im Moment in der zentralen Innenstadtlage keine Fläche, die so groß ist.

Zurück zu meiner Frage nach Ihren Erwartungen.
Ich glaube, dass eine zweite Buchhandlung eine Stärkung für Bretten ist.

Nach Bekanntwerden Ihrer Ansiedlungspläne gab es eine große Solidaritätswelle mit der ortsansässigen Buchhandlung Kolibri. Ist das für Sie ein Problem?
Nein, ich finde das großartig. Wir erfahren täglich solche Solidaritätswellen, wenn über Amazon berichtet wird. Wie jetzt einige Brettener sagen: Gut, dass es Kolibri gibt, sagen uns andere, die nicht dort einkaufen: Gut, dass wir nicht mehr zu Osiander nach Pforzheim fahren müssen. Ich freue mich, dass es Kolibri gibt, die Buchhandlung soll es auch weiter geben.

Was sagen Sie denjenigen, die befürchten, die kleinere, ortsansässige Buchhandlung könnte auf längere Sicht durch Osiander vom Markt verdrängt werden?
Ich bin überzeugt, dass beide Buchhandlungen mit unterschiedlichem Konzept und unterschiedlichem Standort in Bretten gut leben können. Genauso wie in Bretten und anderen Städten unterschiedliche Geschäfte derselben Branche wie beispielsweise Bäckereien, Optiker oder Telekommunikationsläden existieren können. Wenn der fünfte Bäcker kommt, kräht kein Hahn, aber wenn die zweite Buchhandlung kommt, wird das von einigen wenigen kritisch betrachtet. Obwohl wir dank der Buchpreisbindung den Wettbewerber nicht über den Preis attackieren können. Was auch gut ist.

Aber in Buchhandlungen werden ja mittlerweile auch viele andere Artikel verkauft, die nicht der Buchpreisbindung unterliegen.
Die hat jeder. Da sind meine Wettbewerber genauso Discounter, Einrichtungs-Häuser und vor allem Amazon, wo fast jeder Deutsche einkauft.

Apropos Online-Großhandel: Darunter leiden alle stationären Einzelhändler. Wie geht Osiander damit um?
Mein Vater war 1996 einer der ersten deutschen Buchhändler, die einen Webshop eröffnet haben, der noch um eine App ergänzt wurde. Beide sind heute sehr erfolgreich. Unter dem Stichwort „Multichannel“ sind wir sehr stark. Wir bieten unseren Kunden portofreie Lieferung nach Hause innerhalb 24 Stunden oder Abholung in der Buchhandlung. Das heißt, wir können dasselbe wie Amazon. Wir sind auch Partner bei den Tolino-E-Readern, auch da haben wir mit investiert und können ganz vorne mitspielen. Gleichzeitig haben wir den unbezahlbaren Vorteil, dass wir vor Ort schöne Läden mit ausgebildeten Buchhändlern haben, sodass der Kunde einen persönlichen Kontakt bekommen kann. Außerdem bieten wir unseren Kunden den absoluten Service. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Erstens können Sie bei uns Gutscheine von jedem Buchhändler inklusive Amazon einlösen, zweitens können Sie bei uns jedes lieferbare Buch in verkaufsfähigem Zustand umtauschen – ohne Kassenzettel. Das bietet keiner sonst an. Kurzum: Wir kümmern uns darum, dass der Umsatz von Amazon auf das stationäre Geschäft in der Innenstadt verlagert wird, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und dass dringend der Einzelhandel in der Innenstadt gestärkt wird.

Wie viele Mitarbeiter/innen werden Sie für Ihr neues Geschäft in Bretten einstellen?
Voraussichtlich vier bis sechs.

Wie stellen Sie sich das künftige Mit- oder Nebeneinander von zwei Buchhandlungen vor?
Es muss ja kein Miteinander sein. In manchen Städten werden wir angesprochen, ob wir die lokale Buchhandlung übernehmen wollen, in anderen leben wir wunderbar nebeneinander. Wir sind zwei selbstständige Unternehmen, die beide auf dem Markt erfolgreich sind. Wenn wir mal ein Buch nicht haben, schicken wir unsere Kunden auch zu unserem Mitbewerber. Wir gehen jetzt mal davon aus, dass es ein freundschaftliches Nebeneinander wird.

Streben Sie das auch mit dem Brettener Einzelhandel insgesamt an?
Ja, das beziehe ich auf alle Händler. Wir müssen uns darum kümmern, dass die Innenstadt von Bretten gut erreichbar ist und die Menschen sie als attraktiv wahrnehmen, dass sie gerne dort hinkommen, um einzukaufen. In diesem Sinne wird sich Osiander auch im örtlichen Gewerbeverein engagieren.

Werden Sie das Gespräch auch mit Kolibri suchen?
Das kann sich ergeben.

Was werden Sie in Ihrem Sortiment anbieten, das es bisher in Bretten nicht gab?
Kolibri ist für uns beim Sortiment kein großer Konkurrent, da Kolibri außerhalb der Innenstadt liegt. Ich muss mich beim Sortiment mehr auf unser direktes Umfeld konzentrieren. Wir werden ein großes Buchsortiment haben, ergänzt durch Kalender, Postkarten, Spielwaren, Zeitschriften und Geschenkartikel. Vor allem für Kalender braucht man viel Platz. Wir werden unseren Kunden mit einer großzügigen Präsentation viele tolle Produkte nahebringen.

Planen Sie auch kulturelle Veranstaltungen?
Selbstverständlich. Wie an anderen Standorten auch werden wir ein attraktives Veranstaltungsprogramm anbieten.

Auf die Brettener Innenstadt kommen mit den Bauvorhaben auf dem Sporgassenparkplatz vor der Weißhofer Galerie jahrelange Baustellen und damit eine schwierige Situation für alle Einzelhändler zu. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Das ist eine prinzipielle Investition in die Stärkung der Innenstadt. Ich halte das Projekt für richtig und wichtig. Gleichzeitig ist klar, dass die Bauphase zu Problemen führen wird. Jetzt müssen wir Einzelhändler Druck auf die Politik ausüben, dass wir genügend alternative Parkmöglichkeiten in der Innenstadt bekommen und dass man zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr an starken Einkaufstagen kostenlos macht. In Tübingen ist der gesamte Stadtbusverkehr an Samstagen kostenlos. Das ist auch nachhaltig. Wir müssen auch dafür eintreten, dass es Marketingmaßnahmen der Stadt und der Einzelhändler gibt, um die Menschen zu überzeugen, trotz Baustellen nach Bretten zu kommen. Das ist unsere Aufgabe miteinander. Übrigens wird Kolibri dadurch, dass der Laden einen völlig anderen Standort hat, sicher nicht so unter der Baustelle leiden. Noch einmal: Wir hätten uns nicht für Bretten entschieden, wenn wir nicht wüssten, dass ein Buchhändler, der einen guten Job macht, bestehen kann und die bisherigen Kunden auch behalten wird. Wir wollen eine Lücke stopfen, ohne Kolibri seine Kundschaft streitig zu machen.

Mehr über die Osiander-Ansiedlung lesen Sie auf unserer Themenseite

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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