Großes Fischsterben nach Großbrand
(Aktualisierung) Verunreinigtes Löschwasser gelangt in Kraichbach

 Der Großbrand in einer Recyclingfirma im Interkommunalen Industriegebiet in Oberderdingen-Flehingen hatte auch verheerende Auswirkungen auf die Natur. | Foto: Wöhrle
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  • Der Großbrand in einer Recyclingfirma im Interkommunalen Industriegebiet in Oberderdingen-Flehingen hatte auch verheerende Auswirkungen auf die Natur.
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Oberderdingen/Kraichtal (kn) Der Großbrand in einer Recyclingfirma im Interkommunalen Industriegebiet in Oberderdingen-Flehingen (wir berichteten) hatte auch verheerende Auswirkungen auf die Natur. Während der Brandbekämpfung durch die zwischenzeitlich rund 550 Einsatzkräfte ist offenbar Löschwasser über ein Regenüberlaufbecken in den Kraichbach gelangt. Dies war, so heißt es in einer Presseinformation der Gemeinde Oberderdingen, aber "nur über kurze Zeit" der Fall. 

1.000 Liter Löschwasser flossen in Regenwasserkanal

Das Becken sei dann, so die Gemeinde, kurzfristig geschlossen und das Löschwasser über die Kanalisation in die Kläranlage geleitet worden. Messungen des Wassers hätten in der Folge dann aber erhöhte Wasserwerte ergeben. Konkretere Zahlen nennt auf Anfrage das Landratsamt Karlsruhe: "Nachdem das betriebliche circa 200 Kubikmeter fassende Löschwasserrückhaltesystem des Recyclingbetriebes voll war, flossen in der Nacht des 10. Juli rund 1.000 Liter Löschwasser in den Regenwasserkanal, der in den Kraichbach entwässert. Das weitere Löschwasser wurde dann vollständig in die Schmutz-/Mischwasserkanalisation eingeleitet und in dem Staukanal am Kreisel L554 (RÜB Kreuzgarten) zwischengespeichert." Am frühen Morgen des 11. Juli sei dann gegen vier Uhr auch dort "eine geringe Menge Löschwasser in den Kraichbach abgeschlagen", so ein Sprecher des Landratsamts. Das weitere Löschwasser sei durch das Kanalnetz von Flehingen in Richtung des Havariebeckens der Kläranlage geleitet worden. Wasserproben des Löschwassers und des Kraichbachs seien darüber hinaus von der Feuerwehr erhoben worden. "Die Analysen liegen inzwischen vor. Die Ergebnisse werden im Moment von Fachleuten bewertet", so der Sprecher. Auch im Havariebecken der Kläranlage Oberderdingen erfolgten Wasseranalysen und der Kraichbach werde regelmäßig kontrolliert. Nach derzeitigem Kenntnisstand seien im Unterlauf des Kraichbaches circa 550 tote Fische aufgefunden worden. Weitere Funde könnten nicht ausgeschlossen werden, so das Landratsamt.

"In Kraichtal ist besonders das massive Fischsterben aufgefallen"

Deutlicher wird der Bürgermeister der Stadt Kraichtal, durch deren Stadtteile der Bach ebenfalls fließt. "In Kraichtal ist besonders das massive Fischsterben aufgefallen. Gestern hat der Fischerverein Kraichtal rund 560 tote Fische, darunter 341 Bachforellen und 186 Groppen auf einer 500 Meter langen Stecke in Gochsheim gefunden", betont Rathauschef Tobias Borho. Man werde die Situation "weiterhin kritisch, konstruktiv beobachten und auf Anweisungen der zuständigen Behörden warten". Ziel sei es sicherzustellen, "dass die ökologische Vielfalt vom Kraichbach auch zukünftig erhalten bleibt", so Borho.

Situation in Flehingen noch verheerender

Nach Angaben des Kraichtaler Angelsportvereins werden seit Mittwoch die toten Fische mit Keschern aus dem Bach geholt und das Ausmaß des Fischsterbens dokumentiert. Bei der gestrigen Begutachtung des Kraichbachs wurden nicht nur tote, sondern auch noch lebendige, aber verzweifelt nach Luft schnappende Fische entdeckt, erzählt Volker Wöhrle vom Angelsportverein im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news. Es werde angenommen, dass die jungen Forellenbrütlinge den Vorfall nicht überlebt haben. Es bestehe jedoch die Hoffnung, dass das Wasser des Kraichbachs über eine Mündung (Eschbach) neutralisiert wurde, was für die verbliebenen, lebenden Organismen von Vorteil sein könnte. Erfreulich sei auch, dass nicht alles Leben im Bach ausgelöscht worden sei: Bachflohkrebse und Köcherfliegenlarven, Nahrung für Forellen, wurden wohl schon entdeckt. Noch schlimmer sei die Situation im Nachbarort Flehingen. Dort gebe es kaum noch Lebewesen, somit auch keine Nahrung für Fische.

Geschützte Mühlkoppe hatte sich im Kraichbach angesiedelt

Heute will der Verein den Kraichbach weiter begutachten. Allerdings gebe es problematische Stellen, wo der Bach an Privatgrundstücke oder Gärten grenzt und daher nicht einfach betreten werden könne, so Wöhrle. Bislang seien bereits über 560 tote Fische geborgen worden. Ein örtlicher Metzger habe seine Hilfe angeboten, die verendeten Fische in einem Kühlraum aufzubewahren, bis sie von einer Abdeckerei abgeholt werden können. Die geborgenen toten Fische wie Bachforelle, Rotauge, Döbel, Stichlinge und Mühlkoppen würden laut Wöhrle jedenfalls einen guten Einblick in den vielfältigen Bestand des Kraichbachs geben. Besonders erfreulich sei die Tatsache gewesen, dass sich die geschützte Mühlkoppe im Kraichbach angesiedelt hat.

Verein muss bei Null anfangen

Wöhrle sagt, er sei stolz, dass es dem seit 1985 bestehenden Verein gelungen ist, die Forellenpopulation im Kaichbach aufzubauen. Zugleich sei er enttäuscht, dass die mühsame Arbeit nun zunichte gemacht worden sei. Seit geraumer Zeit verfüge der Verein über einen Brutschrank, in dem Forelleneier fachmännisch ausgebrütet werden. "Die Bemühungen waren erfolgreich", so Wöhrle stolz. So konnte der Angelverein einen vielfältigen Bestand mit verschiedenen Jahrgängen im Kraichbach aufbauen. Nun müsse der Verein aber praktisch bei Null anfangen. Der Verlust betreffe nicht nur finanzielle Schäden, sondern auch die vielen Arbeitsstunden, die für die Pflege des Bestands aufgewendet worden seien. Wöhrle schätzt, dass es etwa drei Jahre dauern wird, bis die Brütlinge eine fangfähige Größe erreicht haben, fünf Jahre, bis sich die Nahrungssituation wieder eingependelt hat, und etwa zehn Jahre, bis sich der Bestand der Kleinfischarten wieder reguliert hat.

"Einsatzkräfte haben schnellstmöglich auf die Situation reagiert"

Die Einsatzkräfte hätten schnellstmöglich auf die Situation reagiert und die Maßnahmen vor Ort mit der Gewässerschutzbeauftragten der Unteren Wasserschutzbehörde des Landratsamtes Karlsruhe abgestimmt, betont die Gemeinde Oberderdingen weiter in ihrer Pressemitteilung. Die Freiwillige Feuerwehr habe zudem Löschwasser und Schaum wo es ging abgesaugt, diesen entsorgt und mit Frischwasser nachgespült. "Ein großes Dankeschön geht an alle Einsatzkräfte, die bei größter Hitze und unter hohen Belastungen stundenlang im Einsatz waren, um den Großbrand schnellst möglich unter Kontrolle zu bekommen und zu löschen. Ebenso geht der Dank an alle Freiwilligen Feuerwehren, Landwirte sowie örtliche und aus dem Umkreis stammende Unternehmen für die Unterstützung bei der Löschwasserversorgung", so die Gemeinde Oberderdingen.

Freibäder sind offen

Die Verwaltung weist zudem darauf hin, dass die Freibäder in erster Linie aufgrund der offiziellen Warnungen geschlossen worden sind, da gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden konnten. "Das Wasser der Becken im Freibad wären, wenn das Löschwasser nicht ausgereicht hätte, die letzte Löschwasserreserve gewesen." Darauf musste jedoch nicht zurückgegriffen werden. Die Becken seien voll und der Freibadbetrieb in beiden Bädern seit heute Morgen wieder normal in vollem Gange.

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Kraichgau News aus Bretten

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