Neunter Verhandlungstag im Oberderdinger Mordprozess: Diffuse Zeugenaussagen und Nachstellung des Brandausbruchs

Zwei Zeugenvernehmungen mit teilweise diffusen Aussagen machten es dem Richtergremium vor dem Karlsruher Landgericht auch heute am neunten Verhandlungstag schwer, stichhaltigen Indizien auf die Spur zu kommen.
  • Zwei Zeugenvernehmungen mit teilweise diffusen Aussagen machten es dem Richtergremium vor dem Karlsruher Landgericht auch heute am neunten Verhandlungstag schwer, stichhaltigen Indizien auf die Spur zu kommen.
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Wer am Fronleichnamstag 2018 im Oberderdinger Senioren-Zentrum „Haus Edelberg“ das verheerende Feuer gelegt hat, bleibt weiter ungeklärt. Am neunten Verhandlungstag kam eine Sachverständige zu Wort und eine Zeugin sprach von einem angeblichen Redeverbot durch das Haus Edelberg.

Karlsruhe/Oberderdingen Wer am Fronleichnamstag2018 im Oberderdinger Senioren-Zentrum „Haus Edelberg“ das verheerende Feuer gelegt hat, bleibt weiter ungeklärt. Zwei Zeugenvernehmungen mit teilweise diffusen Aussagen machten es dem Richtergremium vor dem Karlsruher Landgericht auch heute am neunten Verhandlungstag schwer, stichhaltigen Indizien auf die Spur zu kommen und die richtige Antwort zu finden: Sitzt auf der Anklagebank mit dem 24-jährigen Pflege-Azubi aus Oberderdingen der wahre Täter? Und: Wie hat er den Brand geplant und durchgeführt? Einen erhellenden Beitrag dazu lieferte eine Sachverständige vom Stuttgarter Landeskriminalamt. Die Diplom-Chemikerin klärte die Anwesenden nicht nur darüber auf, wie ein Rauchmelder mit Anbindung an eine Brandmeldeanlage im Detail funktioniert. Mit einem auf Video festgehaltenen Versuch zeigte sie auch, wie viel Zeit vergehen kann, bis eine Bettmatratze Feuer fängt und der Rauchmelder darauf reagiert.

Experiment auf Video festgehalten

In einem praktischen Testversuch hatte die Chemikerin zu ermitteln versucht, nach wie vielen Minuten eine Bettmatratze – mit und ohne Brandbeschleuniger – Feuer fängt und wann der Rauchmelder einen Alarm auslöst. Das Experiment hatte die Sachverständige auf Video festgehalten. Dazu hatte man sich im Vorfeld über Details zum Brand im Haus Edelberg informiert: Laut Angaben der Feuerwehr sei der Fenster-Rollladen im Brandzimmer teilweise so durchgeschmolzen gewesen, dass die Wehrler ihn mit einer Axt einschlagen mussten. Interessant auch, dass das Fenster hinter dem Rollladen gar nicht geschlossen gewesen war. Aufgrund der damaligen Wetterverhältnisse ging die Sachverständige allerdings nicht von einem starken Luftzug aus.

Flammschutzmittel in den Fasern der Matratze

Für die Nachstellung des Brandausbruchs hatte man einen Brandhaus der Bundeswehr mit einer Grundfläche von 27 Quadratmetern und einer Höhe von 2,5 Metern benutzt. Um mögliche Unterschiede festzustellen, wurden an die Decke zwei Rauchmelder montiert. Auf eine Art Bettkonstruktion aus Holz wurde dann eine Matratze aus dem Seniorenheim gelegt. Diese zeichne sich dadurch aus, dass in den Fasern des Bezugs ein Flammenschutzmittel enthalten sei, so die Expertin. Im ersten Versuch war zu sehen, wie versucht wurde, die Ecke der Matratze mit einem Feuerzeug zu entzünden. „Wie Sie sehen, ist die Matratze nur schwer zu entflammen“, kommentierte die Chemikerin. Nur unter ständigem Hinhalten des Feuerzeugs konnte sich Rauch entwickeln, so dass nach etwa zwei Minuten der Rauchmelder Alarm schlug. Im zweiten Versuch wurde das Feuerzeug an den Reisverschluss der Matratze gehalten. Dieser fing nach anfänglichem Zögern Feuer, das wiederum auf die Matratze überging.

Weitere Brandherde im Zimmer?

Im dritten Versuch wurden auf die Hälfte der Matratze 100 Milliliter des Brandbeschleunigers Isopropanol verteilt. Beim Anzünden fing die Flüssigkeit sofort Feuer. Solange das Isopropanol abbrannte, war keine Rauchentwicklung zu sehen – erst nach etwa 25 Sekunden, als die Flammen auf die Matratze übergriffen, war eine starke Rauchentwicklung zu sehen. In ihrer Auswertung fasste die Chemikerin zusammen, dass das Experiment nur als eine Annäherung an den echten Brand gesehen werden kann, da noch einige Faktoren ungeklärt seien. Dazu zählen die tatsächlich verwendete Menge an Brandbeschleuniger, die Raumluft-Zirkulation, die exakte Entfernung der in Brand gesetzten Matratze zum Rauchmelder und, ob es noch mehr Brandherde im Zimmer gegeben haben könnte.

„Aber diese Aussage hängt doch in der Luft“

Die Beweisaufnahme wurde fortgesetzt mit der Vernehmung weiterer Zeuginnen. Dabei ging es vornehmlich darum, die Aussagen eines anderen Zeugen auf ihre Stichhaltigkeit abzuklopfen. Der Vorsitzende Richter Leonhardt Schmidt verwies auf ein Gespräch zwischen dem Zeugen und der im Schwurgerichtssaal anwesenden Zeugin. Der Zeuge hätte ihr erzählt, der Angeklagte hätte gesgat, er habe „Scheiße“ gebaut. Die Zeugin erinnerte sich zwar an das Gespräch, konnte aber nicht sagen, warum sie nicht weiter nachgehakt hatte. „Aber diese Aussage hängt doch in der Luft“, entgegnete ihr der Vorsitzende Richter. Laut dem Zeugen hätte die Frau nämlich geantwortet: „Wer so etwas erzählt, der war es auch.“ Die Zeugin dementierte, je so etwas gesagt zu haben. Auch sei sie nicht diejenige gewesen, die den Zeugen ermuntert habe, zur Polizei zu gehen.

Schweige-Verordnung von Haus Edelberg?

Für die zweite Vernehmung des Tages war die Ex-Freundin des Zeugen vorgeladen. Im Blickpunkt standen die Gespräche zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten, als sie sich zufällig am Amthof in Oberderdingen begegneten. „Können Sie sich noch daran erinnern, worüber die beiden gesprochen haben?“, fragte Richter Schmidt - die Ex-Freundin hatte allerdings „keine Ahnung“. Gut erinnern konnte sie sich dagegen an ein Bild einer Tarn-Hose und Sturmmaske, das ihr der Zeuge gezeigt hatte, mit der Erklärung, der Angeklagte sei wegen solcher Kleidung festgenommen worden. Darüber hinaus ließ die Zeugin wissen, dass es vom Haus Edelberg eine schriftliche Anweisung gegeben habe. Darin habe gestanden, dass man vor der Polizei und dem Gericht nichts sagen solle, was dem Ruf des Seniorenzentrums schaden könnte.

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Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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