Interview mit der Leiterin des Faustmuseums
„Faust war kein angepasster Typ“

Denise Roth, Leiterin des Faust-Museums in Knittlingen. | Foto: ger
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  • Denise Roth, Leiterin des Faust-Museums in Knittlingen.
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Knittlingen (ger) Um 1480 soll Johann Georg Faust, der vor allem durch Goethes Drama bekannte Gelehrte, in Knittlingen zur Welt gekommen sein. Das Faust-Museum erstrahlt seit Beginn des Jahres 2022 in neuem Glanz. Denise Roth, seit 2015 Leiterin des Museums, hat es in den letzten drei Jahren mit tatkräftiger Unterstützung ihres Teams modernisiert und die Ausstellung neu geordnet. Im Interview erzählt die promovierte Germanistin was neu ist, was die Faszination der Figur Faust ausmacht und was sie für die nächste Zeit plant.

Frau Roth, was ist neu an der Ausstellung? Und was war Ihr roter Faden bei der Umgestaltung des Faust-Museums?
Denise Roth: Wenn man sich umschaut, sieht man, dass die Raumaufteilung und auch die Farbwelt jetzt ganz neu sind: Früher wurde der Besucher an den Wänden entlanggeführt, an denen die Vitrinen fest verschraubt waren. Jetzt sind die Exponate zentral im Raum in Möbeln untergebracht. Damit konnten wir die Wände flächendeckend mit Texttafeln und Grafiken versehen, die auf die Exponate vorbereiten. So können die Besucher ihren eigenen Erkenntnisweg im Raum finden.
Inhaltlich haben wir es mehr zugespitzt auf den Teufelspakt, wollten dem Thema mehr auf dem Grund gehen: Wie konnte es zu so einer Figur kommen, wie entwickelt sich die historische Figur zum Mythos, wie gehen die unterschiedlichen Kunstdisziplinen mit dem Stoff um?
Erst im Nachhinein habe ich eigentlich begriffen, dass es mir in erster Linie darum ging, dass jeder seinen persönlichen Zugang zu Faust finden soll. Ich wollte es den Besuchern leichter machen, ohne das Thema zu verflachen.

Was war die größte Herausforderung bei der radikalen Umgestaltung?
Sich vorzustellen, wie es ist, wenn es fertig ist. Der Goetheraum ist ja zum Beispiel sehr wortelastig und hat ein intensives Farbkonzept – dies in einem quadratmetermäßig relativ kleinen Saal. Die drei Wände sind auf die Protagonisten Faust, Mephisto und Gretchen fokussiert, mit Charakterisierungen, den (Bei-)Namen, die Goethe für sie fand, und zentralen Zitaten, dabei aber nicht nur die altbekannten. Das haben wir erst mal nur auf dem Bildschirm visualisieren können. Aber die innere Unruhe blieb bei mir bis zuletzt: Wirkt das erdrückend? Ist es zu viel? Geht die Grundidee auf, dass unausgesprochen deutlich wird, was wir über diese Gestaltung vermitteln wollen? Erst als wir fertig waren und am Schluss auch noch den Eiersessel hineingestellt haben, waren wir uns sicher: Ja, es passt, es ist rund!

Was macht die Faszination an der Figur Faust aus, die ja bis heute trägt?
Vor vier Jahren gab es in München ein Faust-Festival mit dem Titel „Du bist Faust“ und das trifft es genau: In Faust kann sich jeder selbst erkennen. Schon die historische Faust-Gestalt war kein angepasster Typ, er wollte etwas Neues wagen, hatte keine Scheu vor dem Risiko, war unheimlich vielschichtig. Ich habe aber für unser Konzept den Blick wieder vom Besucher auf „Faust“ als Kultur-Phänomen gelenkt: nicht nur „Du bist Faust“, sondern: „Wer ist Faust für mich? Wer ist Mephisto für mich? Und was wäre das Paktangebot, das ich eingehen würde?“ Und hier wird durch die Ausstellung angeboten, den Austausch zwischen historischem und literarischem Faust und dem Rezipienten neu zu beleben oder auch teilweise erstmals zu schaffen: Gerade dieses Reflektierende der Goetheschen Faust-Figur – manchmal sind Abiturienten da, die sagen: „Damit kann ich mich identifizieren, ich weiß gerade auch nicht, wohin mit mir.“ Über diesen persönlichen Bezug bekommt jeder seinen Zugang zu Goethes Faust, dann findet man alles im Text und braucht die Sekundärliteratur gar nicht. Der Stoff ist wegen der Archetypen von Gefühlen und Grenzsituationen, mit denen er umgeht, zeitlos. Erkennen zu wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist das Menschsein auf den Punkt gebracht.

Was haben Sie für Pläne für die nächste Zeit?

Eigentlich dachte ich, es würde nach dem großen Umbau erst einmal ein wenig ruhiger werden. Aber durch die intensive Recherche für die Dauerausstellung sind mir ganz viele Ideen gekommen. Zum Beispiel plane ich ein Mephisto-Symposium. Der Teufel mit dem Namen Mephisto wurde eigens als Paktpartner für Faust erfunden, darauf kann man aus vielen wissenschaftlichen Fachrichtungen schauen.
Unser neuer Bürgermeister Alexander Kozel hat mich auf die kürzlich erst erschienene Graphic Novel zu Goethes Faust aufmerksam gemacht. Daraufhin habe ich sofort Kontakt mit dem Illustrator Alexander Pavlenko Kontakt aufgenommen und er war schon hier. Seine Zeichnungen sind aus der Kunstgeschichte von Delacroix bis Beckmann inspiriert, das könnte ich mir als Sonderausstellung vorstellen.
Was bisher wenig bekannt ist: Der Fauststoff wurde auch schon stark in der Romantik, noch vor der Publikation von Faust I (1808) rezipiert und adaptiert. Dann natürlich die Aufklärung; Lessing hat ja quasi die Initialzündung gesehen und gesagt: „Der Stoff hat das Zeug zur Nationalliteratur.“
Am 20. Mai kommt der Literaturkritiker Denis Scheck und erzählt unter dem Titel "Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent!" etwas über Faust, Literaturkritik und Hunde. Dann möchte ich – da ja auch das Museum nun insgesamt mit vielen Angeboten für Kinder familienfreundlicher ist – Familientage bei uns etablieren und nach Corona sollen auch Kindergeburtstage im Museum möglich sein.

Die Fragen stellte Redakteurin Katrin Gerweck.

Mehr lesen Sie auf unserer Themenseite Dehoim in Knittlingen.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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