Baden-Württemberg
Corona-Bußgelder bringen Obdachlose in Schwierigkeiten

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Karlsruhe (dpa/lsw) Viele obdach- und wohnungslose Menschen geraten durch die Corona-Pandemie zusätzlich in Not und haben sich stärker verschuldet. Wegen Verstößen gegen die Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum würden die Betroffenen viel zu oft zu Bußgeldern verdonnert, sagte Julia Schlembach vom Referat Wohnungslosenhilfe der Diakonie Baden. «Das sind zum Teil horrende Beträge, die von den Ordnungsbehörden besonders vehement eingetrieben werden.» Sozialarbeiter Uwe Enderle von der Einrichtung Tagestreff Tür in Karlsruhe sprach von Bußgeldern im vierstelligen Bereich.

Mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl vorgehen

«Menschen kommen zu uns, die deswegen mit mehreren Tausend Euro in der Kreide stehen», sagte er. Die Behörden seien in der Regel nicht bereit, auf diese Gelder zu verzichten. «Die persönliche Lebenslage der Betroffenen ist regelmäßig nicht (direkt) bekannt, würde für die Sachbearbeitung aber auch zu keiner anderen Verfahrensweise führen», teilte dazu etwa das Ordnungsamt Karlsruhe mit. Das Sozialministerium appellierte in diesem Zusammenhang an die Ordnungsämter, mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl vorzugehen.

Lange Wartezeit bei Hilfsgeldern

Die Wohnsitzlosen seien darüber hinaus in Schwierigkeiten, weil ihnen schon lange wegen des weitgehenden Stillstands des öffentlichen Lebens Einnahmequellen wie etwa das Betteln oder Flaschen sammeln vor Veranstaltungen verloren gingen, ergänzte die Liga der freien Wohlfahrtspflege. Nach Angaben der Liga gibt es zudem große Defizite in ländlichen Gebieten und auch so manchen Städten bezüglich der Versorgung dieser Gruppe. Die von der Regierung im April wegen Corona zugesagten Sonderhilfen in Höhe von rund 750 000 Euro, von denen rund 250 000 für die Wohlfahrtsverbände bestimmt gewesen seien, «sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein», sagte Schlembach. Aus Kreisen von Sozialverbänden hieß es, dass Anträge auf Hilfsgelder aus dem Frühjahr zum Teil noch nicht oder viel zu langsam bearbeitet würden.

Jugendherbergen kurzfristig angemietet

Die Städte und Stadtkreise hätten sich auf die Situation eingerichtet, betonte hingegen eine Sprecherin des Städtetags Baden-Württemberg. Vielerorts seien Konzepte zur Einzelunterbringung entwickelt worden, um beispielsweise in Pensionen und Jugendherbergen kurzfristig Räume anmieten zu können. «Bei der Belegung wird darauf geachtet, dass es wenig Durchmischungen gibt», sagte sie. «Die Obdachlosenunterkünfte sind für die Unterbringungen der Menschen ausgelegt und verfügen über ausreichende sanitäre Anlagen», ergänzte eine Sprecherin des Gemeindetags.

Obdachlose in Einzelzimmern untergebracht

Corona-Infektionen in Einrichtungen für Wohnungslose wurden nur vereinzelt berichtet. In den früheren Hotels «Augustiner» und «Anker» in Karlsruhe mit jeweils knapp 40 Plätzen seien die Menschen in Einzelzimmern. «Gerade in Corona-Zeiten sind das gute hygienische Voraussetzungen», sagte André Severin, Fachbereichsleiter Wohnen und Betreuung der AWO. «Für Tests können wir uns direkt ans Gesundheitsamt wenden, das hat bisher gut geklappt», sagte Severin.

Wohnungslosenhilfe als kommunale Pflichtaufgabe

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) appellierte an das Sozialministerium, über die im Frühjahr bereits angekündigten 750 000 Euro hinaus weitere finanzielle Hilfen zur Verfügung zu stellen. Das dringendste seien mit Blick auf den Winter Rund-um-die-Uhr-Unterkünfte, sagte dazu die Liga. «Die betroffenen Menschen dürfen am Morgen nicht auf die Straße entlassen werden.» Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, dass Wohnungslosenhilfe grundsätzlich eine kommunale Pflichtaufgabe sei. «Inwieweit und in welcher Form und Höhe hier eine Unterstützung erfolgen kann, wird aber derzeit noch intensiv geprüft.»

Die Zahl von wohnsitzlosen Menschen wird im Südwesten nach Zahlen aus dem Jahr 2014 auf um die 22 000 geschätzt. Neuere Zahlen gibt es bisher nicht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hatte schon kurz vor Inkrafttreten der neuen Corona-Regeln gefordert, zusätzliche Räumlichkeiten für Beratungen, Tagesaufenthalte, Essensausgaben und Übernachtungsstellen zu schaffen. «Sonst sind die Kontaktbeschränkungen nicht zu gewährleisten», hatte der Verband Ende Oktober gewarnt.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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