Italien ist derzeit das Zentrum der Corona-Pandemie in Europa
„Bleibt zuhause! Das ist keine einfache Grippe!“

Salvatore Catarraso hat vor kurzem erst eine Zweigstelle seines Cafés Nerone an der Pforzheimer Straße 71 (neben Norma) eröffnet.
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  • Salvatore Catarraso hat vor kurzem erst eine Zweigstelle seines Cafés Nerone an der Pforzheimer Straße 71 (neben Norma) eröffnet.
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Bretten/Italien (ger) Das Coronavirus hat die ganze Welt im Griff. Europa ist inzwischen das Zentrum der Pandemie, vor allem in Italien ist das Geschehen dramatisch. Ein Bild, das besonders erschreckt hat, sind Militärlaster, die bei Nacht Särge mit Verstorbenen abtransportieren. Wie geht es den Menschen in Bretten und der Region, die italienische Wurzeln oder einen engen Kontakt zu Italien haben? Und wie geht es den Menschen in Italien selbst? Redakteurin Katrin Gerweck hat mit einigen gesprochen.

"Jede Katastrophe hat einen Anfang, aber auch ein Ende"

Salvatore Catarraso, Inhaber des Café Nerone in Bretten, stammt aus einem kleinen Ort auf Sizilien, wo sein Vater noch lebt. Anders als in Norditalien sei die Lage dort noch entspannt, die Zahlen der Infizierten noch nicht so hoch. Die Menschen halten sich dennoch an die Ausgangssperren. Catarraso sieht die Corona-Krise als Chance, in sich zu gehen: „Jeder hat jetzt Gelegenheit, darüber nachzudenken, was er anders machen kann, wenn der Spuk vorüber ist.“
Er verkauft derzeit noch zu eingeschränkten Öffnungszeiten To-go-Getränke und Kaffeebohnen, der Absatz über den Online-Shop ist leicht gestiegen. Seine sieben Mitarbeiter will er auf jeden Fall halten, auch wenn es ans Eingemachte geht. „Wenn man in diesen Zeiten nicht zusammenhält, geht es schief“, sagt er. „Das Virus kennt keine Nationalitäten, es ist neutral. Man weiß nicht, worauf die Krise hinausläuft. Man muss jeden Tag aufstehen und neu kämpfen.“ Seine Grundhaltung sei aber positiv. „Jede Katastrophe hat einen Anfang, aber auch ein Ende. Wenn wir die Zeit überbrückt haben, können wir wieder zusammensein und zusammen lachen.“

„Jeder kann seinen Teil beitragen, dass die Welt besser wird“

„Sie versuchen eine gute Stimmung zu behalten, das ist italienischer Lebensstil“, beschreibt Francesco Marsala den Gemütszustand seiner Wein-Lieferanten aus den besonders betroffenen Gebieten etwa in der Lombardei. Er berichtet, dass sogar der Export von Wein komplett gestoppt sei in Italien. Marsala führt zusammen mit Ulrich König das Gasthaus Lamm & Werkstatt in Bretten. Ihr Weinkeller bietet über 500 edle Tropfen aus Italien und Deutschland. Zur Zeit sind Lamm & Werkstatt geschlossen, ein Lieferservice wäre technisch nur schwer möglich. „Es tut uns sehr leid, auch für unsere Kunden. Wenn der Zustand noch länger anhält, finden wir eine Lösung“, verspricht er.
Marsala selbst hat seine Wurzeln in Palermo. Wie Catarraso findet auch er, dass die schwierige Situation zu einem Umdenken führen sollte, zum Beispiel dass man sich mehr auf das Regionale besinnen sollte. „Wir arbeiten schon lange so, dass wir vor allem regional einkaufen.“ Auch in Bezug aufs Reisen hat er selbst für sich entschieden, weniger Fernreisen zu machen. „Es gibt so viele schöne Ecken hier, zum Beispiel im Schwarzwald.“ Das allerwichtigste sei aber der Zusammenhalt. „Nur an sich selbst zu denken, ist der falsche Weg. Jeder kann seinen Teil beitragen, dass die Welt besser wird, alle müssen an einem Strang ziehen.“ Nur gemeinsam mit der Politik, mit den Produzenten, mit den Mitarbeitern und wenn alle zusammenhalten werden die Menschen die Krise meistern. „Dann werden wir bald wieder dort sein, wo wir waren“, zeigt er sich zuversichtlich.

"Einschränkungen in Italien sind drastisch"

Mit großer Sorge blickt Susen Schmidt nach Italien. Sie ist Lehrerin für Italienisch, Französisch, Geographie und WBS (Wirtschaft-, Berufs- und Studienorientierung) am Melanchthon-Gymnasium Bretten (MGB) und begleitet seit 15 Jahren den Austausch der Oberstufe mit Crema. Crema liegt in der Lombardei, 20 Kilometer von Mailand und Lodi entfernt, wo die Coronaseuche in Italien ihren Ausgang genommen hat. Über WhatsApp steht sie in ständigem Kontakt mit den italienischen Lehrkräften, zu denen sich im Laufe der Jahre eine herzliche Freundschaft entwickelt hat. In Crema sind die Schulen schon seit Mitte Februar geschlossen. „Die Digitalisierung ist an unserer Partnerschule aber schon weit, daher funktioniert der Unterricht zu Hause gut.“ Es handelt sich um eine große Schule, die etwa mit den beruflichen Gymnasien hierzulande vergleichbar sei.
Dass sich die Infektionen in Italien so schnell ausbreite, liege ihrer Ansicht nach an verschiedenen Faktoren. Es habe geraume Zeit gedauert, bis der Lock down, also das Herunterfahren des gesamten gesellschaftlichen Lebens, erfolgt sei. Und die mediterrane Lebensweise beschleunige die Ausbreitung des Virus. „Die Familien leben oft generationenübergreifend unter einem Dach und haben auch mehr Kontakt zueinander.“ Es sei normal, dass auch Großeltern, Onkel und Tanten den Gast willkommen heißen, wenn die deutschen Schüler in die Partnerfamilien kommen. Neben dem größeren Körperkontakt wie den typischen Begrüßungsküsschen spiele sich auch das Leben mehr draußen ab. „Die Schließung der Bars war für die Italiener ein großer Einschnitt. Dort trifft man sich auf einen Kaffee, auf einen Aperitiv, das gehört einfach zum Alltag.“
Auch viele MGB-Schüler bekommen die Situation in Italien nun mit. „Die Mutter von einem Partnerkind arbeitet im Krankenhaus. Die haben wirklich nichts mehr dort, keine Schutzmasken, keine Handschuhe, es ist ganz schlimm.“ Die Dunkelziffer der Infizierten schätzt Schmidt sehr hoch ein, da eben nur in Krankenhäusern getestet werde. „Die Einschränkungen, die die Italiener gerade ertragen, sind drastisch. Aber alle halten sich an die Vorgaben, obwohl die Italiener eigentlich nicht so obrigkeitshörig sind“, hat Schmidt beobachtet. „Trotz allem sind die meisten noch optimistisch und entspannt.“ Das mache auch ihr Hoffnung.

"Begeht nicht die gleichen Fehler wie Italien!"

Einen eindringlichen Appell richtet Jacopo Baghi nach Deutschland. Der 29-jährige Landmaschinentechniker war letztes Jahr zum ersten Mal mit den Fahnenschwingern Contrada della Corte beim Peter-und-Paul-Fest in Bretten. Er lebt in einem kleinen Ort in der Nähe von Parma und leidet sehr unter der Situation, auch weil er seine Verlobte nicht sehen, ihr nicht beistehen kann. „Ich bitte alle, nicht die gleichen Fehler wie Italien zu begehen: Bleibt zuhause, das ist nicht einfach eine Grippe!“ Er hört täglich die Rettungswägen vorbeifahren, ein Krankenhaus in der Nähe ist ausschließlich für Covid19-Patienten reserviert, für ihn fühlt es sich fast wie der dritte Weltkrieg an. „Ich hoffe sehr, dass die Epidemie in diesem Ausmaß nicht nach Süditalien kommt, das strukturell diesem unsichtbaren Feind nicht gewachsen wäre.“

Mehr finden Sie auf unseren Themenseiten Coronavirus und #gemeinsamdurchdiekrise..

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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