Weihnachten auf der Intensivstation
Adventskalender versüßt trotz Corona die Weihnachtszeit in der Rechbergklinik Bretten

Der Adventskalender auf der Intensivstation der Rechbergklinik versüßt den Mitarbeitern den Alltag.  | Foto: Josef Freitag
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Bretten (kn) Es ist das zweite Weihnachtsfest, das die Belegschaft der Intensivstation der Rechbergklinik Bretten unter Corona-Bedingungen begehen muss. Trotz aller in der Pandemie gestiegenen Belastungen sollen sich die Mitarbeiter aber auch an Weihnachten an ihrer Arbeitsstelle wohlfühlen, sagt Josef Freitag, Leiter der Intensivstation.

Schwierige Personalsituation in der Klinik

Dabei ist die Situation weiter ernst: Nach wie vor kommen Patienten in die Notaufnahme, die aufgrund von belegten Betten auf der Intensivstation nicht mehr aufgenommen werden können, auch wenn diese ein Intensivbett dringend benötigen würden. Das seien Konflikte, die bereits vor Weihnachten da gewesen seien. Dann müsse herumtelefoniert werden, bis freie Betten in einem anderen Krankenhaus gefunden seien, sagt Freitag. Das Problem sei, dass Coronapatienten auf der Intensivstation oft rund drei Wochen eines von zehn Betten belegen würden. Dabei wisse man oft, dass einige der Patienten nicht mehr lange zu leben hätten. "Wir wissen, dass etwa 50 Prozent die Station nicht mehr lebend verlassen werden", sagt Freitag. Der Altersdurchschnitt der Patienten auf der Intensivstation liege im Übrigen deutlich über 75 Jahren. Hinzu komme die Personalsituation. So würden viele Mitarbeiter der Intensivstation nicht in Vollzeit arbeiten und helfende Hände fehlen. Daher müsse man sich zum Beispiel genau überlegen, welche Gegenstände man im Zimmer eines Coronapatienten benötige, da man nicht einfach raus und wieder hereingehen könne.

"Ruhige Tage und Tage, an denen die Welt untergeht"

Jedes Mal müsse sich der Pfleger umziehen, was Zeit koste. Besonders in Notfällen, wenn ein Patient beispielsweise unter Atemnot leidet, sei selbst eine Minute zum Anziehen der Schutzkleidung eine unglaublich lange Zeit. Auch arbeiteten die Pflegekräfte auf der Intensivstation oftmals unter Dauerbelastung. "Es gibt ruhige Tage und Tage, an denen geht die Welt unter", sagt Freitag. Letztere würden mittlerweile jedoch häufiger auftreten. Es habe auch Tage auf der Station gegeben, da hätten Beatmungsgeräte und Personal nicht mehr gereicht. Dann mussten Patienten schnell verlegt werden.

"Manchmal hat man Mühe, sein Pausenbrot aufzuessen"

Für den Dienstplan ist Hermann Duhm zuständig, der bereits seit über 30 Jahren auf der Intensivstation arbeitet. Für ihn ist jeder Tag auf der Arbeit wie der andere, egal ob gerade ein Feiertag ist. Duhm ist davon überzeugt, dass die christliche Botschaft des Weihnachtsfests wichtig ist, auch wenn er arbeiten müsse. Zwar sei im Dezember etwas Weihnachtsstimmung aufgekommen, doch sei die Arbeitsdichte während der Pandemie nicht in jeder Schicht gleich hoch. "Manchmal hat man Mühe, sein Pausenbrot aufzuessen", sagt er. Bei einer ruhigeren Schicht finde auch er gerne die Zeit, die weihnachtliche Dekoration wahrzunehmen. Im Allgemeinen habe die Arbeitslast über die vergangenen Jahre aber zugenommen und durch die Pandemie gebe es mehr schwere Fälle zu versorgen.

"Luft und Nahrung bekommen und keine Schmerzen"

Daher müssten die Pflegekräfte nun oftmals Prioritäten setzen und überlegen, welche Handgriffe sie ausführen können, um die Patienten zu versorgen. "Es ist ganz wichtig, dass die Patienten genügend Luft und Nahrung bekommen und keine Schmerzen haben", sagt Duhm. Doch für das Frisch machen eines verschwitzten Patienten oder eine Rasur sei manchmal einfach keine Zeit. Auch sei es schon vorgekommen, dass nicht alle Betten belegt werden konnten, da Mitarbeiter der Intensivstation durch Krankheit ausfielen. Daher wurden der Intensivstation mittlerweile Pflegekräfte aus anderen Bereichen zugeordnet. So sei ein Kollege aus der Pflegedienstleitung, der früher auf der Intensivstation gearbeitet hat, wieder dorthin zurückgekommen. Jetzt hoffe er, dass bei winterlichen Temperaturen keine Mitarbeiter krank würden und ausfielen.

Der Akku ist oft leer

Mit einem leeren Akku kommt – wie viele andere Mitarbeiter der Station auch – Tanja Lemke manchmal nach Hause. Das sind die Zeiten, in denen sie sich frägt, ob sie ihre Arbeit weiterhin schafft und ausüben kann, sagt sie. Doch: "Ich habe die Arbeit gewählt, weil sie mir einmal Spaß gemacht hat". Zwar habe sie momentan nicht sehr viel Freude bei der Arbeit, hänge jedoch noch daran. Erst vor Kurzem hat Lemke ihre zweijährige Ausbildung zur Anästhesie- und Intensivpflege abgeschlossen, um mehr Fachwissen zu erlangen. Das sei neben Familie, Beruf, Corona und Homeschooling keine leichte Aufgabe gewesen. Dennoch hat sie diese Aufgabe gemeistert.

"Man muss sich einen Schutzschild aufbauen"

Bei der Arbeit seien momentan alle angespannt. So denke man vorab auch nicht viel an Weihnachten. Mit dem Sterben von Patienten, das durch Corona erhöht sei, komme sie inzwischen zurecht. "Man muss sich einen Schutzschild aufbauen, sonst geht man kaputt", sagt Lemke. Dabei seien ihr einige Fälle dennoch nahe gegangen. Das habe auch damit zu tun gehabt, dass Patienten vermehrt über eine längere Zeit betreut werden müssten. Daher ihr Aufruf an die Bevölkerung: "Macht, dass das aufhört. Haltet euch an die Regeln und lasst euch impfen."

Mitarbeiter sind am Limit

Dass die Mitarbeiter der Intensivstation am Limit sind, bestätigt auch Nadine Spranz, die seit 22 Jahren in Bretten arbeitet. Sie kümmert sich um die Weihnachtsdekoration und darum, dass der Adventskalender gut bestückt ist. "Meistens bringen die Kollegen etwas Süßes oder Herzhaftes für die Pause mit", sagt sie. Doch auch sie musste sich aufraffen, die Weihnachtsdekoration aufzubauen, weil so viel zu tun war. Während die Pfleger früher in jeder Schicht gemeinsam gegessen hätten, fehle der gemeinsame Austausch, denn jeder müsse sehen, wann er seine Pause machen könne. Dennoch kann sich Spranz keine andere Arbeit vorstellen. "Ich bin zuversichtlich, dass die Situation irgendwann wieder normal wird", sagt sie.

"Das ist gerade zur Weihnachtszeit nicht schön"

Seit 2004 arbeitet Edith Niederhöfer auf der Brettener Intensivstation. Auf Weihnachten freut sie sich dieses Jahr nicht, denn sie wisse nicht, was sie in ihrer Schicht erwarte und wie müde sie nach Hause komme. Dort warten ihre Kinder auf sie. Diese seien zwar schon von klein auf gewohnt, dass ihre Mutter mal nicht da sei oder früher gehen müsse, doch Niederhöfer selbst falle der Abschied am Weihnachtsabend oft schwerer als den Kindern. Doch bei der Arbeit könne sie ihre Gedanken gut abschalten. Dort warteten Patienten auf sie, bei denen man wisse, dass - je nach Zustand - der gerade getätigte Anruf mit den Angehörigen der letzte gewesen sein könnte. "Das ist gerade zur Weihnachtszeit nicht schön."

"Man merkt, wie verzweifelt manche Angehörige sind"

Die Situation sei für alle schwieriger geworden, daher versuchten die Pfleger, wenn die Zeit dazu da ist, fitte Patienten auch mal ans Fenster zu setzen, damit die Angehörigen, die wegen des Besuchsverbots außerhalb des Gebäudes warten müssen, sehen könnten, dass es mit den Patienten aufwärts gehe. "Man merkt, wie verzweifelt manche Angehörige sind", sagt Niederhöfer. Und welche Erleichterung es für sie sei, ihren Nächsten oder ihre Nächste zu sehen. Das gebe auch den Pflegekräften ein positives Gefühl. Das sei wichtig, da sie mitten im Geschehen stünden, ihre Kräfte aufgebraucht seien und sie manchmal nicht mehr wüssten, wie sie die Arbeitslast bewältigen sollten. Daher habe sie gelegentlich ein schlechtes Gewissen, da man nicht immer die volle Arbeit erledigen konnte, die man sich vorgenommen hat, so Niederhöfer. So müsse man den Kollegen in der nachfolgenden Schicht mehr Arbeit auflasten. "Man arbeitet nicht mehr vor, sondern sieht zu, dass alle Patienten überleben, das ist das Maximum, was im Moment geht."

"Da bricht einem das Herz"

Auch sie hat schon ans Aufhören gedacht, doch ihr Ziel ist es Corona zu überstehen, eines Tages auf die Zeit zurückblicken zu können und stolz darauf zu sein, dass sie nicht aufgehört hat. Leichter machen es ihr dankbare Patienten, auch wenn sie nicht immer verstünden, dass die Pfleger keine Zeit für ein Gespräch hätten, oder dafür, eine Weile ihre Hand zu halten. Das sei besonders beim Besuchsverbot schlimm. "Da bricht einem das Herz", so Niederhöfer.

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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