Ist ein Ende des Baubooms in Sicht?
Steigende Zinsen, Inflation und gestiegene Preise verteuern Eigenheim

Im Neubaugebiet in Neibsheim gibt es noch viele unbebaute Grundstücke.  | Foto: ger
  • Im Neubaugebiet in Neibsheim gibt es noch viele unbebaute Grundstücke.
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Bretten/Region (ger) Die Bau- und Immobilienpreise sind in den letzten Jahren in ungeahnte Höhen gestiegen. Bis vor kurzem waren aber zumindest die Zinsen für Kredite so niedrig, dass sich viele den Traum vom Eigenheim noch erfüllen konnten. Nun hat die Europäische Zentralbank EZB zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder den Leitzins angehoben. Statt null beträgt er nun 0,5 Prozent. Die EZB beabsichtigt damit unter anderem, der Inflation im Euroraum gegenzusteuern, die im Juni bei dem Rekordwert von 8,6 Prozent lag. Auswirkungen hat das auch auf die Bauzinsen, die schon seit Anfang des Jahres stark ansteigen. Dazu kommt: Seit Corona herrscht Mangel an vielen Baumaterialien, die sich dadurch verteuert haben, und die jetzt noch rasant ansteigenden Energiepreise und Lebenshaltungskosten verschärfen die Situation weiter. Kann man es sich überhaupt noch leisten eine eigene Immobilie zu bauen? Die Brettener Woche/kraichgau.news hat sich umgehört.

"Finanzierung nicht mehr für jeden Kunden darstellbar"

Dass die Nachfrage nach Baufinanzierung sinkt, merkt Peter Baumgärtner, verantwortlich für Baufinanzierungen bei der Allianz Generalvertretung Eric Bindschädel in Bretten, durchaus. Bei den Zinsen bewege man sich zwischen drei und vier Prozent, einhergehend mit sehr hohen Immobilienpreisen. „Da wird es für mittlere Einkommen und Alleinverdiener schwierig“, sagt der Finanzierungsexperte. Bankenseitig werde die Entwicklung noch angefeuert. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat im BaFin-Journal vom Januar 2022 zwei Anforderungen formuliert, nämlich Reduktion der zulässigen Finanzierungsausläufe und eine „solide Schuldentragfähigkeit“. Aufgrund dessen haben Kreditinstitute innerhalb der Kapitaldienstberechnungen und Eigenkapitalanforderungen die Anforderungen bereits verschärft, wodurch bei Haushalten ein kleinerer Grundstock für die Ratenzahlungen bleibt. Auch Tanja Dittes, selbstständige Beraterin der Bausparkasse Schwäbisch Hall in Bretten, sieht die Problematik. Bei ihr ist die Nachfrage nach Baufinanzierung zwar immer noch konstant. „Aber die Finanzierung ist nicht mehr für jeden Kunden darstellbar.“ Der rapide Zinsanstieg seit Januar hat zur Folge, dass sich die monatlichen Raten für eine Finanzierung, die bisher zum Beispiel bei 1.200 Euro gelegen hatten, jetzt mit 1.600 Euro zu Buche schlagen.

"Unvorstellbare Kaufpreisentwicklungen"

Michael Schmidt, Bürgermeister von Neulingen, sieht den Grund für die Baupreissteigerungen im Verhältnis von Angebot und Nachfrage: "Die Teuerung ergibt sich nicht selten durch enorm gestiegene Grundstückspreise, die sich gerade auf dem privaten Immobilienmarkt in den letzten Jahren erzielen lassen." Und weiter: „Bei den Bestandsimmobilien erleben wir folgerichtig ebenfalls Kaufpreisentwicklungen, die bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wären“, so Schmidt. Wie es sich mit den weiter steigenden Preisen in seiner Gemeinde verhält, darüber kann er nur spekulieren: „Da wir derzeit keine Gemeindegrundstücke im Angebot haben, kann lediglich vermutet werden, welche Auswirkungen die Preissteigerungen einhergehend mit der aktuellen Krisensituation haben werden.“

Unverändert Anfragen und Bewerbungen für Bauplätze in den Gemeinden

In den Gemeinden, in denen aktuell erst vor kurzem Neubaugebiete erschlossen wurden, sind die veränderten Verhältnisse bisher noch nicht aufgeschlagen. In Bretten sind laut der Amtsleiterin der Baurechtsbehörde, Cornelia Hausner, derzeit gegenüber den Vorjahren keine Änderungen zu bemerken. Der Eingang von Bauvoranfragen und Bauanträgen entspreche den vergangenen Jahren. Auch der Leiter des Liegenschaftsamtes, Frank Bohmüller, erklärt, es seien keine Auswirkungen der gestiegenen Baupreise zu spüren. Im Baugebiet Neibsheimer Weg II in Büchig gibt es 46 Bauplätze. Für 22 Bauplätze wurden Baugenehmigungen schon erteilt, beziehungsweise laufen aktuell Baugenehmigungsverfahren. In Neibsheim im Gebiet Näherer Kirchberg II sind für 17 von den 28 Bauplätzen Baugenehmigungen schon erteilt, oder es laufen noch die Genehmigungsverfahren. Bis auf drei sind in den beiden Baugebieten alle Bauplätze verkauft. Laut der Brettener Verwaltung gibt es bisher keine Anfrage auf die Rückgabe eines Bauplatzes. Unverändert kämen jede Woche Anfragen und Bewerbungen für künftige Bauplätze herein. Möglicherweise verzögere sich derzeit das eine oder andere Privatbauvorhaben, aber eine Kehrtwende sei noch nicht erkennbar.

Keine Anfrage auf Rückgabe eines Bauplatzes

Ähnlich ist die Lage in Oberderdingen. Laut der stellvertretenden Bauamtsleiterin Jutta Riekert wurden bisher keine gemeindeeigenen Grundstücke in den aktuellen Baugebieten zurückgegeben. „Die Auswirkungen werden sich vermutlich erst in den kommenden Baugebieten zeigen oder wenn der Bauverpflichtungszeitraum abläuft“, sagt Riekert und ergänzt: „Generell stellt sich zukünftig für viele die Frage: Wer kann in Zukunft angesichts der Preise und Zinsentwicklung noch bauen?“ Andererseits seien aber auch die Mietkosten sehr hoch.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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