Brettenerin mit fünf Kindern droht Einzug ins Obdachlosenheim
„Das ist das Letzte, was ich will“
Bretten (hk) Yasemin N. (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt) ist mit ihren Kräften am Ende. Sie läuft auf einem Feldweg am Rande eines Ortsteils von Bretten und schiebt einen Kinderwagen vor sich her. Darin schlummert ihr nicht einmal ein Jahr alter Sohn, nichts ahnend von den Sorgen seiner Mutter: In knapp zwei Wochen muss die 31-Jährige samt Baby und dessen vier älteren Geschwistern zwischen drei und zehn Jahren ihre Wohnung in einem Brettener Stadtteil geräumt haben. Bis jetzt hat Yasemin N. keine Idee, wo sie mit ihren Kindern eine Unterkunft finden soll. In die städtische Obdachlosenunterkunft möchte sie ihren Kindern zuliebe auf keinen Fall. "Ich will da nicht rein. Das ist das Letzte, was ich will. Lieber nehme ich eine Zwei-Zimmer-Wohnung", sagt sie. In der Unterkunft könne sie ein oder zwei Zimmer beziehen, allerdings dürfe sie ihren Hausstand nicht mitnehmen. Außerdem wäre sie dort dann mit anderen Bewohnern auf Gemeinschaftsbad und -küche angewiesen.
„Hier bin ich aufgewachsen, hier will ich nicht mehr weg“
Yasemin N. ist Brettenerin mit Leib und Seele. "Hier bin ich auf die Welt gekommen und aufgewachsen, hier will ich auch nicht mehr weg", sagt sie lächelnd und streicht sich ihre dunklen, langen Haare aus dem Gesicht. Für einen Moment scheint sie in Erinnerungen zu versinken. Seit nunmehr sechs Jahren wohne sie schon in dem Brettener Stadtteil und habe, trotz der Umstände alleinerziehend zu sein, dort ihr persönliches Glück gefunden: Ein schönes Zuhause für sich und ihre fünf Kinder in einer guten und freundlichen Nachbarschaft. Zwischen Ende 2019 und Anfang des Jahres 2020, so N., sei das Mehrfamilienhaus im Stadtteil dann aber an einen neuen Eigentümer verkauft worden. Zu diesem, also ihrem jetzigen Vermieter, habe sie ein angespanntes Verhältnis. Mit ihrem vorherigen Vermieter habe es hingegen "absolut keine Probleme gegeben", versichert sie.
„Eine alleinstehende Mutter wollen sie schon ganz und gar nicht“
Nun rückt die gerichtlich angeordnete Frist zur Räumung der Wohnung immer näher. Ein Anwalt habe ihr gesagt, es sehe nicht gut aus für sie – es gebe keine Chance in der Wohnung zu bleiben. "Frau N. ist seit gut einem Jahr auf der Suche nach einer Wohnung", sagt Kristina Dauer von "SopHiE" (Sozialpädagogische Hilfen für Familien und Erziehung), die der Familie seit über zwei Jahren zur Seite steht. Yasemin N. habe auf über 100 Inserate im ganzen Landkreis reagiert und unzählige Wohnungsbesichtigungen gehabt. Aber wenn die Vermieter gehört hätten, dass sie fünf Kinder habe, dann sei es schon vorbei. "Es sind so tolle und gut erzogene Kinder. Sie kommen ganz nach ihrer Mama", sagt Dauer und nickt Yasemin N. aufmunternd zu. "Aber eine alleinstehende Mutter wollen sie schon ganz und gar nicht", ergänzt N. Auch nach einem Gespräch mit dem Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff habe sich bislang keine Lösung ergeben: Es gebe eine lange Warteliste für die städtischen Sozialwohnungen, wurde der Mutter mitgeteilt.
„Nie hatte ich den Gedanken, meine Wohnung aufzugeben“
Yasemin N. sagt, sie habe niemanden, auf den sie sich verlassen könne, selbst im Familienkreis. „Mit fünf Kindern werde ich nur ungern zu Feiern eingeladen“, scherzt sie. Von potenziellen Vermietern werde sie mit Gründen abgewiesen wie, "maximal vier Personen", "nur Ehepaare mit Kindern" oder "vom Amt wollen wir nicht". "Aber für den Vermieter ist es eigentlich eine sichere Sache, wenn die Miete vom Jobcenter direkt überwiesen wird. Ich verstehe nicht, warum Menschen, die Unterstützung vom Amt bekommen, so abgewertet werden", ergänzt Dauer. Aktuell zahle die 31-Jährige knapp 880 Euro Warmmiete für etwa 100 Quadratmeter im Kellergeschoss. "Dementsprechend niedrig sind die Decken", sagt Yasemin N., aber beschweren wolle sie sich auf keinen Fall: "Nie hatte ich den Gedanken, hier wegzuziehen und meine Wohnung aufzugeben."
„Jeder hat sein Päckchen zu tragen“
Dauer, die vorrangig im Bereich „Geschütztes Wohnen“ von SopHiE arbeitet, kennt die Not von alleinerziehenden Müttern sehr gut. Besonders schwer anzusehen sei das Leid der Kinder, "das macht die Kinder fix und fertig – sie bekommen alles mit", so Dauer. Sie habe Yasemin N. in den vergangenen Monaten so gut es geht bei der Wohnungssuche unterstützt. Auch durch andere Klienten kenne sie den Wohnungsmarkt in Bretten inzwischen sehr gut. "Alles so überteuert", sagt sie und schüttelt den Kopf.
"Mit Freunden kann ich nicht über alles reden, auch darüber nicht. Jeder hat sein Päckchen zu tragen", sagt Yasemin N. Die Ungewissheit mache ihr sehr viel Angst. „Frau Dauer, besuchen Sie uns dann in unserem neuen Zuhause?“, fragt die älteste Tochter. Yasemin N. lächelt und schaut mit ihren dunklen, haselnussbraunen Augen Kristina Dauer an.
Sie sagt, sie träume nachts sehr viel, zum Beispiel von einem Haus nur für alleinerziehende Mütter. "Vielleicht wird dieser Traum irgendwann wahr."
Wer Familie N. helfen möchte, darf gerne über die Redaktion der Brettener Woche per Mail an info@brettener-woche.de Kontakt aufnehmen.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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