Vortrag im Hohberghaus Bretten zu sozialen Medien
Gemeinsam einsam?

Clemens Beisel bei seinem Vortrag im Hohberghaus Bretten. | Foto: Badischer Landesverein für Innere Mission/Jana Weitkamp
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Bretten (red) Die Lebenswelt junger Menschen ist heute ganz bedeutend von digitalen Medien bestimmt. Vor allem in sozialen Netzwerken verbringen Kinder und Jugendliche viel Zeit – nach Eindruck von Eltern sowie Pädagogen und Pädagoginnen oft zu viel. Aber was machen die jungen Menschen im Netz? In welchen Apps verbringen sie die meiste Zeit, und wann ist die Grenze zur Abhängigkeit erreicht? Diesem Thema und seinen vielen Facetten widmete sich Clemens Beisel in seinem Vortrag „Gemeinsam einsam? Smartphones, Soziale Netzwerke, Gaming und Co.: Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen“, der im Rahmen des Welttags der seelischen Gesundheit am Mittwoch, 4. Oktober, im Hohberghaus Bretten stattfand.

Digitale Omnipräsenz verändert das Erwachsenwerden

Clemens Beisel, Sozialpädagoge und Sozialmanager, hält seit 2013 Vorträge zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen, er besucht Schulen, berät Sorgeberechtige und Fachpersonal. Allein im letzten Jahr sei er 300 Mal gebucht worden – ein Beleg für die zunehmende Relevanz des Themas. In seinem Vortrag zeigte er, wie die digitale Omnipräsenz das Aufwachsen junger Menschen verändert.

„Durch das ständige Vergleichen mit den durch digitale Filter perfekten Darstellungen der Influencerinnen und Influencer in Plattformen wie TikTok oder Instagram entsteht ein enormer sozialer Druck“, so Beisel. In Kombination mit der Verfügbarkeit immer neuer Inhalte und dem Fehlen eines jeglichen Jugendschutzes erlebe er immer wieder, wie soziale Medien junge Menschen in ihren Bann ziehen – „bis hin zu einer Nutzungszeit von bis zu 16 Stunden am Tag“, so Beisel. Zwar seien dies Extrembeispiele, der Trend zur Fragmentierung des Alltags (der sogenannte Sägeblatteffekt) durch die andauernde Ablenkung durch den Blick aufs Handy sei jedoch auch bei Schülerinnen und Schülern spürbar.

Eltern und Fachkräfte unterschätzen Mediennutzung oftmals

Ein weiterer Aspekt seien die Datenmengen, die Nutzer und Nutzerinnen in den Apps hinterlassen und deren wenig reglementierte Nutzung durch Künstliche Intelligenz. Hier fehle oftmals das Bewusstsein und auch Möglichkeiten der Kontrolle. Eltern und Fachkräfte seien seiner Erfahrung nach häufig eher blauäugig und verkannten, dass sich junge Menschen in einem, so Beisel, „komplett ungeschützten Raum“ bewegten.

Praktische Tipps für mehr Selbstreflexion

Beisel beließ es jedoch nicht bei der Theorie, sondern zeigte in verschiedenen praktischen Übungen den zahlreichen Interessierten, wie sie ihrem eigenen digitalen Nutzungsverhalten und dem ihrer Kinder und Betreuten auf die Spur kommen können – beispielsweise indem man das Smartphone die Anzahl der gesendeten WhatsApp- oder Snapchat-Nachrichten anzeigen lässt. Auch die Zeit, die man in solchen und ähnlichen Anwendungen verbringt, kann man mit einigen Einstellungen beschränken.

"Es gibt keine Pauschallösungen"

Wichtiger als Verbote sei jedoch, die eigene Nutzung digitaler Medien kritisch zu hinterfragen. Außerdem sei es wesentlich, genau hinzuschauen und die Mediennutzung der jungen Menschen von Anfang an gut zu begleiten. Dies beinhalte es auch, klare Grenzen zu setzen. Denn die Gefahren, denen junge Menschen im Netz ausgesetzt sind, sind laut Beisel vielfältig: Ob Gruppenbildungsprozesse in Messenger-Diensten, die Verbreitung von rechtsextremen, pornographischen oder sonstigen gewalttätigen Inhalten bis hin zu Mobbing – die Phänomene, die zu sozialer Isolation führen können, sind vielfältig. „Es gibt keine Pauschallösungen“, dies betonte Clemens Beisel mehrfach.

Handyverbot an Schulen sinnvoll

Auch die Chancen der Beteiligung, die durch soziale Medien entstehen, ließ Beisel nicht unerwähnt. So wäre insbesondere die Pandemie ohne die Nutzung sozialer Medien, Videokommunikation und Formen des digitalen Unterrichts für viele junge Menschen eine weit isolierendere Erfahrung gewesen. Für viele Jugendliche sei auch die Vernetzung mit Gleichgesinnten, insbesondere wenn sie diese an ihrem Wohnort nicht fänden, enorm wichtig und wirke positiv. Eine strengere Umsetzung des Handyverbots an Schulen hält er dennoch für sinnvoll, denn: „Kinder müssen lernen, sich nicht zu jedem Zeitpunkt digital ablenken zu lassen.“

Suchtberatungsstellen helfen Sorgeberechtigten

Kommen Sorgeberechtigte an ihre Grenzen oder vermuten sie durch Anzeichen wie Vernachlässigung anderer Hobbys, der Täuschung von Familie und Freunden oder Entzugssymptomatik eine beginnende Abhängigkeit, sollten sie sich an regionale Suchtberatungsstellen wenden. Insgesamt sei der Einfluss der Mediennutzung auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen enorm. Daher der eindringliche Schlussappell Beisels: „An Schulen, pädagogischen Einrichtungen und dem privaten Bereich muss Medienerziehung stattfinden!“

Welttag der seelischen Gesundheit

Das Hohberghaus Bretten des Badischen Landesvereins für Innere Mission beteiligt sich bereits seit vielen Jahren regelmäßig an der Veranstaltungsreihe zum Welttag der seelischen Gesundheit, der – 1992 von der World Federation for Mental Health (WFMH) ins Leben gerufen – jährlich am 10. Oktober stattfindet. Er stand dieses Jahr unter dem Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen”.

Clemens Beisel bei seinem Vortrag im Hohberghaus Bretten. | Foto: Badischer Landesverein für Innere Mission/Jana Weitkamp
Andreas Gerlach, Bereichtsleiter der Ambulanten Jugendhilfe, Christoph Röckinger, Leiter des Hohberghauses, Referent Clemens Beisel und Julia Scherf, die Leiterin der Hohbergschule (von links). | Foto: Badischer Landesverein für Innere Mission/Jana Weitkamp
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Kraichgau News aus Bretten

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