Serie: "Schicksale hinter den Steinen" - Folge 6
Isak und Pauline Wertheimer: 20 Minuten bis zur Deportation

Isak und Pauline Wertheimer  | Foto: Yad Vashem
  • Isak und Pauline Wertheimer
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Bretten (kn) In Bretten liegen 34 Gedenksteine an Opfer der NS-Zeit, die vor deren ehemaligen Wohnhäusern verlegt wurden. Der Künstler Gunter Demnig hat die so genannten Stolpersteine in den 1990er Jahren ins Leben gerufen. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern wurden seither über 75.000 Stolpersteine verlegt. Oberstufen-Schülerinnen des Melanchthon-Gymnasiums Bretten (MGB) haben mit Unterstützung von Heidemarie Leins die Schicksale der Menschen aufgeschrieben, die in Bretten von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Sie erscheinen in loser Reihenfolge in der Brettener Woche.

In Bauerbach aufgewachsen

Isak Wertheimer wurde am 9. Januar 1867 in Bauerbach geboren, wo er als Sohn von Moses Wertheimer und Julie, geborene Ettlinger, zusammen mit vier Geschwistern aufwuchs. Er besuchte die Brettener Realschule und arbeitete wahrscheinlich als „Ellenwarenhändler“ (Handel mit Meterware). Im März 1899 kam er mit 32 Jahren nach Bretten, um an der Ecke Melanchthonstraße/Hirschstraße ein Ladengeschäft mit Kleidung zu eröffnen. Drei Monate später am 6. Juni 1899 heiratete er Pauline Cono in ihrer Heimatstadt Mannheim. Die Synagogentrauung fand nur drei Tage später in Karlsruhe statt. Am 27. Februar 1900 kam die Tochter Bianka zur Welt. Grete Julie (nach der Mutter des Vaters benannt) wurde zehn Jahre später, am 7. Januar 1910, geboren.

Gut gehendes Geschäft aufgebaut

Auch Paulines Eltern handelten mit Kleidung. So konnte Pauline als Fachkraft mitarbeiten und ein gut gehendes Geschäft aufbauen helfen. 1912 zog Paulines Vater nach Bretten. Er war ein Jahr zuvor Witwer geworden, lebte in der Familie der Tochter bis zu seinem Tod im Jahr 1924 und wurde in Bretten begraben. Nebenan wohnten seit 1899 die Eltern Wertheimer, die schon 1903 und 1908 starben.

Eisen-, Maschinen- und Glashandlung Wertheimer

Bianka heiratete 1921 Sali Friedrich Wertheimer, der eine Eisen-, Maschinen- und Glashandlung betrieb. Er starb mit 44 Jahren, als die beiden gemeinsamen Kinder vier und elf Jahre alt waren. Bianka betrieb das Geschäft selbständig weiter und heiratete 1934 ein zweites Mal. Ihr zweiter Mann hieß Benno Gideon, war Kaufmann und stieg in den Handel ein. Grete Julie heiratete 1933 Fritz Michelson aus Calw. Er kannte sich in der Kleiderbranche aus, denn seine Eltern hatten einen ähnlichen Handel. Das Paar bekam zwei Kinder, von denen aber nur der Sohn Egon David überlebte. Isak Wertheimer übergab sein Geschäft in die Hände seines Schwiegersohnes Michelson. Alle wohnten unter einem Dach in der Melanchthonstraße 70.

Töchter verließen Deutschland

Viele Brettener Juden wanderten aus, weil sie keine Zukunft mehr im Nazi-Deutschland sahen. Im April 1939 verließ Fritz Michelson Bretten, seine Frau und sein Sohn folgten im August nach England, um später gemeinsam in die USA auszureisen. Bianka und ihre Familie kehrten Bretten am 10. Februar 1940 den Rücken. Über Rotterdam konnten sie nach New York ausreisen.

Von Schutzmann verhaftet

Zurück blieben die Eltern Pauline und Isak. Es gibt einen Brief von Isak, in dem er schreibt: „Durch die überraschende Verhaftung durch einen Schutzmann, der mir 20 Minuten Zeit gab, war es mir nicht möglich, weder einen Anzug noch genügend Wäsche mitzunehmen …“ Isak bezieht sich damit auf den 22. Oktober 1940, an dem nicht nur alle Juden in Bretten, sondern alle Juden in Baden, dem Saarland und der Pfalz ihres Lebensmittelpunktes beraubt und nach Gurs in Südfrankreich deportiert wurden. Im Brettener Tageblatt war danach zu lesen, dass die Versteigerung des genau aufgelisteten Inventars des Hauses am 21. Dezember 1940 stattfinden wird. Gebote für das Haus wurden bis zum 1. Dezember 1941 erwartet.

"... die Wäsche können wir nicht wechseln"

In dem Brief vom 25. Januar 1941 aus dem Lager Gurs schreibt Isak weiter: „Ich bitte daher, um Ihre Einsicht dafür zu sorgen, daß Herr Soldinger in meine Wohnung darf & mir Anzug sowie Oberhemden, Unterhosen, Socken auch Nachthemden ebenso für meine Frau Kleider & Wäsche zusenden kann. Mein Anzug, der schon vorher abgetragen war, zerreisst & die Wäsche können wir nicht wechseln.“

Tod in Südfrankreich

Isak Wertheimer stirbt am 19. Juni 1941 in Gurs an einer Herzmuskelentzündung und wird auch dort beerdigt. Pauline Wertheimer stirbt kurz darauf im 30 Kilometer entfernten Pau, wohin sie vermutlich ins Krankenhaus gebracht worden war. In der Sterbeurkunde vom 30. Juni 1941 wird als Sterbeort allerdings die Straße „Chemin Laherrere“ angegeben. Wahrscheinlich wurde sie in Pau beerdigt. Beiden blieb der Weg in die KZs des Ostens erspart. Wie auch Isak wurden seine vier Geschwister, und zum Teil auch deren Familien, Mordopfer des Terrorregimes des Dritten Reiches.

Text: Hannah Bort und Heidemarie Leins

Die weiteren Folgen der Serie finden Sie auf unserer Themenseite "Schicksale hinter Stolpersteinen".

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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