Verständnis füreinander wecken
Schulklassen besuchen Synagoge in schwierigen Zeiten
Bretten/Pforzheim (ger) „Jetzt erst recht“, war die Reaktion sowohl von Schulleiterin Elke Bender als auch von der jüdischen Gemeinde in Pforzheim, als Lehrer Ulas Incedal nachfragte, ob ein Synagogenbesuch mit Schülern angesichts der aktuellen Lage möglich sei. Die Angriffe der Hamas auf Israel liegen erst wenige Wochen zurück, seither tobt wieder Krieg in Nahost.
Exkursion "Lebendiges Judentum"
Incedal, der am Melanchthon-Gymnasium Bretten neben evangelischer Religion auch Geschichte, Wirtschaft und Gemeinschaftskunde unterrichtet, organisiert immer, wenn in Religion und Ethik das Judentum auf dem Lehrplan steht, eine Exkursion unter der Überschrift „Lebendiges Judentum“. So ist es im Bildungsplan für den Bereich „Religionen und Weltanschauungen“ vorgesehen, erläutert Incedal: Die Schüler sollen anhand von unmittelbar oder medial begegnenden Phänomenen die Charakteristika von Judentum und Islam beschreiben lernen. Ein Besuch einer Moschee ist somit auch noch geplant.
Größere Bedenken vonseiten der Eltern
Die sechsten oder siebten Klassen fahren für das Thema Judentum in der Regel nach Pforzheim und besuchen den „Platz der alten Synagoge“, auf dem die 1938 in der Reichspogromnacht von den Nazis niedergebrannte Synagoge stand. In der neuen Synagoge bekommen sie Einblicke in das praktizierte Judentum. Selbstverständlich war Incedal und Schulleiterin Bender klar, dass der Ausflug in der aktuellen Situation mit größeren Bedenken vonseiten der Eltern einhergehen würde. Einige Kinder – sowohl christliche, als auch muslimische – durften nicht teilnehmen, was Incedal und Bender auch nachvollziehen können und respektieren. Im Vorfeld hatte Incedal mit den Kindern über das Thema gesprochen. „Dabei hatten muslimische Kinder zum Beispiel auch gefragt, ob es ihre Religion überhaupt zulasse, dass sie in die Synagoge gehen“, berichtet er.
Beeindruckt von Sicherheitsvorkehrungen
Dass das kein Problem sei, davon konnten sich die 43 Siebtklässler dann am Dienstag, 24. Oktober, überzeugen. Zusammen mit Incedal und Anna-Barbara Laufs, Lehrerin für evangelische Religion, staunten die Kinder über die schwere Stahltür, die den Synagogeneingang schützt. Sie registrierten auch weitere Sicherheitsvorkehrungen wie Kameras. „Das hat den Kindern verdeutlicht, in welcher Situation Juden immer leben, dass eine Bedrohung permanent da ist“, so Incedal.
Mit dem Rabbi Schabbatmahl gefeiert
In der Synagoge haben die MGBler – alle Jungs mussten eine Kippa tragen – nicht nur eine Führung bekommen und eine Ausstellung über die Deportation der Juden nach Gurs angeschaut, sondern der Rabbi war auch eigens aus Straßburg angereist, um mit ihnen ein Mahl wie am Schabbat zu feiern. Für die Kinder gab es Traubensaft und sie kosteten den Hefezopf, der traditionell zu jedem Schabbatmahl gehört. Außerdem beantwortete der Rabbi die vielen Fragen, die die Zwölf- und 13-Jährigen ihm stellten.
Beitrag zu Toleranz und Akzeptanz
Incedal ist überzeugt davon, dass solche Einblicke in andere Religionen und Kulturen immens wichtig sind. „Die Schüler sehen, dass auch die, die etwas anderes glauben, ganz normale Menschen sind. Das erzeugt Verständnis füreinander und trägt zu Toleranz und Akzeptanz bei“, sagt er. Schulleiterin Elke Bender stimmt dem voll zu. „Ich sehe es derzeit gerade als besonders wichtig an, dass wir den Kindern die Möglichkeit bieten, sich der jeweils anderen Religion anzunähern und Faktenwissen zu erwerben“, betont sie. So gelinge die Einordnung, auch politischer Ereignisse leichter und viele Vorurteile würden dadurch ausgeräumt. „Die eigene Religion zu leben und dem anderen seine Religion nicht absprechen zu wollen und diese zu respektieren, halte ich für einen wichtigen Schritt in einem demokratischen Miteinander“, konstatiert Bender. In dieser Zeit von einem Synagogen- oder Moscheebesuch aus Angst abzusehen, wäre in ihren Augen ein absolut falsches Zeichen.
Gemeinsamkeiten entdeckt
Am Ende des Tages hatten die Kinder viel über die Gemeinsamkeiten der drei abrahamitischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam gelernt. Im Nachgespräch hätten, berichtet Incedal, mehrere muslimische Schülerinnen und Schüler gesagt, dass ihnen gar nicht bewusst gewesen sei, dass Muslime und Juden so viel gemeinsam haben.
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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