Melanchthon als Lebensaufgabe
Stadt Bretten verabschiedet Direktor der Melanchthon-Akademie Professor Günter Frank
Bretten (red) Über 25 Jahre stand der Name Professor Günter Frank für die Erinnerung an Philipp Melanchthon in dessen Geburtsstadt. Als Kustos des Melanchthonhauses kam der promovierte Philosoph 1998 nach Bretten. Dort etablierte er durch die Errichtung der Europäischen Melanchthon-Akademie Bretten (EMA), deren Gründungsdirektor er war, eine in der Fachwelt angesehene Institution der Reformations- und Frühe-Neuzeit-Forschung. Gleichzeitig gelang es ihm, Melanchthon als herausragende Figur der Geistes- wie Religionsgeschichte in der Region durch die museale Erneuerung der historischen Gedenkstätte zu verankern.
Melanchthon als Lebensaufgabe
Es ging dem Wissenschaftler und Museumsleiter stets um die Gesamtbetrachtung einer Epoche, aus der Philipp Melanchthon mit seinen vielfältigen Wirkungsbereichen herausragt. Melanchthon ist für Günter Frank eine Lebensaufgabe, die sicherlich mit seinem Ruhestand, den er Ende Juli antritt, nicht abbrechen wird. Zu sehr hat der berühmte Sohn der Stadt Bretten sein (wissenschaftliches) Leben begleitet.
Melanchthon aus Luthers Schatten herausholen
Den Aspekt „Melanchthon als Philosoph“ hat der scheidende EMA-Direktor in die Forschung eingeführt. Seiner Ansicht nach war es der Brettener, der die religiöse Einsicht Luthers in ein wissenschaftliches System integriert hat, um sie den Menschen zu vermitteln. Dies hält er für Melanchthons größte Leistung. Franks Anliegen war es, Melanchthon aus Luthers Schatten herauszuholen. Für ihn war er viel mehr als ein Kirchenmann, er war der Universalgelehrte, der zu allen Gebieten seiner Zeit Forschungen betrieben habe, die in ihrer Bedeutung weit über seine Zeit hinausreichen.
Büro unter dem Dach des Melanchthonhauses
Melanchthon als Universalgelehrten zu etablieren, war Franks Anliegen seit seinem ersten Tag in Bretten, als er damals sein Büro unter dem Dach des Melanchthonhauses bezog, ein großer, im Sommer heißer, im Winter kalter Raum, in dem nicht nur er, sondern auch seine Mitarbeiterin ihre Schreibtische hatten. So wenig wie der Arbeitsplatz zeitgemäßen Ansprüchen gerecht wurde, so wenig entsprach auch die Gedenkstätte einem modernen Museum, das dem Image der Melanchthonstadt gerecht gewesen wäre.
Neugestaltung des Museums und Einrichtung der Akademie
Im ehemaligen Brettener Oberbürgermeister Paul Metzger hatte der Geisteswissenschaftler einen engagierten Mitstreiter im Bemühen um das Melanchthon-Erbe, der ihm in wenigen Jahren ermöglichte, nicht nur das Museum neu zu gestalten, sondern 2008 eine Neugestaltung des benachbarten Strasserhauses mit einem gläsernen Verbindungsbau zum historischen Gebäude am Marktplatz zu errichten, das schließlich zur Adresse der Europäischen Melanchthon-Akademie wurde.
Gesamtschau zum Waldenserjahr in 1999
Marksteine der Erinnerungskultur wurden zu Stationen des kontinuierlichen Fortschritts: 1999, also kurz nach Prof. Dr. Günter Franks Einstand als Kustos, stand das Waldenserjahr an, das Eintreffen der Glaubensflüchtlinge aus Frankreich vor 300 Jahren, die im Kraichgau, aber auch andernorts Zuflucht fanden. Das Jubiläum bot Anlass zu einer Gesamtschau über die regionale Betrachtung hinaus, die in einer umfangreichen Ausstellung das Schicksal der Glaubensgemeinschaft dokumentierte und als Wanderausstellung auf Reisen ging.
Projekte mit europaweiter Beachtung
Diesem Projekt sollten unter Franks Federführung noch weitere Präsentationen folgen, die von Bretten aus teilweise europaweit Verbreitung fanden und zu kirchlichen Großereignissen, wie etwa dem Treffen der christlichen Kirchen Europas 2006 im rumänischen Sibiu, Premiere hatten. Themen waren unter anderem die europäische Bedeutung Melanchthons, religiöse Motive in Bildwerken des Ersten Weltkriegs oder jüngst das Septembertestament Luthers.
Wichtige Meilensteine des Melanchthonhauses begleitet
Zum 100-jährigen Bestehen des Melanchthonhauses in 2003 war bereits die Umgestaltung des Museums abgeschlossen, zum 450. Todestag Philipp Melanchthons 2010 wurden mit hochkarätigen Veranstaltungen vor allem in Bretten, aber auch an weiteren Orten dessen religiöse und kulturgeschichtliche Verdienste umfassend gewürdigt. Das Lutherjahr 2017 fand entsprechenden Widerhall und beleuchtete die Beziehung der beiden Repräsentanten der Reformation.
Aufarbeitung der grafischen Sammlung
Daneben erfuhr die grafische Sammlung unter Dr. Franks Ägide eine grundsätzliche Aufarbeitung und die Bestände auch der bedeutenden Bibliothek eine kontinuierliche Erweiterung. Die Digitalisierung erfolgte in den vergangenen Jahren dazu parallel, was vor allem auf der Webseite mit digitalen Angeboten deutlich wurde.
Frank wird eine neugestaltete Homepage hinterlassen. Zum Internationalen Melanchthonpreis etablierte sich auch der Melanchthon-Schülerpreis, der jährlich vergeben wird, und ein Kunstpreis für Brettener Schülerinnen und Schüler verdeutlicht das Bemühen, ein generationsübergreifendes Angebot bereitzuhalten.
Frank als Experte in der ganzen Welt unterwegs
Wenn es um Melanchthon und die Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit geht, erwies sich der Direktor als Experte in der ganzen Welt, der bei Kongressen und Tagungen die deutsche Forschung auf diesem Gebiet repräsentierte. Auf höchstem wissenschaftlichem Niveau vernetzte Frank die EMA mit Instituten und Hochschulen und brachte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Tagungen nach Bretten. Das letzte Symposium zum „Humanismus“ in diesem Juni zeichnete jenes Gesamtbild der Epoche, ihrer Geistesströmungen und ihre Vertreter, das dem Wissenschaftler im Hinblick auf Melanchthon das erklärte Anliegen war. Der Kreis hat sich damit für ihn geschlossen.
Zum Ruhestand zurück nach Erfurt
Mit seinem Ruhestand verlässt Professor Günter Frank nicht nur Bretten, sondern auch Baden-Württemberg. Er geht zurück nach Thüringen, nach Erfurt, wo seine wissenschaftliche Karriere mit dem Studium der Philosophie, der Theologie und Psychologie einst begann. Unweit von Erfurt ist er geboren, dort sind Teile seiner Familie, Freunde und Weggefährten noch zuhause. Der Abschied sei zweifellos „ambivalent“, gesteht er.
Rückkehr zu den wissenschaftlichen Wurzeln
Voller Dankbarkeit schildert er die gestalterische Freiheit, die er in Bretten bei der Ausübung seiner Aufgaben als Kustos des Melanchthonhauses wie als Direktor der Akademie besaß und die seine Habilitation wie auch seine umfangreichen Forschungsaktivitäten – zum Ansehen seiner Wirkungsstätte – ermöglichte. Die Entscheidung für Erfurt hat er schließlich bewusst getroffen. Aufgewachsen in der DDR hat er sich in der damaligen Bürgerbewegung aktiv engagiert und am politischen Umbruch teilgehabt. Nach der Wende ging er für sein berufliches und wissenschaftliches Fortkommen in den Westen. Die Rückkehr in die Heimat ist eine Rückkehr auch zu seinen wissenschaftlichen Wurzeln, denn schon während des Studiums nahm seine Begegnung mit Melanchthon ihren Anfang, ihm widmete er bereits seine Doktorarbeit.
OB Wolff: "Philipp Melanchthon wäre stolz auf dich"
Bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Dienstag bedankte sich Oberbürgermeister Martin Wolff bei Frank für dessen mehr als 25-jähriges Wirken als „Botschafter Philipp Melanchthons“ und der Melanchthonstadt Bretten über die Grenzen Deutschlands und Europas hinaus. „Für die Wissenschaft, der schon Philipp Melanchthon alles andere untergeordnet hat, hast du gelebt und alles gegeben. Ich wage zu behaupten: Philipp Melanchthon wäre stolz auf dich – und wir alle können es ohnehin sein“, sagte OB Wolff in seiner Abschiedsrede für den langjährigen Direktor.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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