Neue Sonderausstellung im Faust-Museum Knittlingen
„Im Feuer seiner Melancholie verbrannt“

Foto: hk
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Knittlingen (hk) Mit einer Vernissage im Faust-Archiv in Knittlingen hat Denise Roth, Leiterin des Faust-Museums und Faust-Archivs, am vergangenen Donnerstagabend die neue Sonderausstellung im Faust-Museum eröffnet, die sich dem Zusammenhang von Rockmusik und „faustischer Grenzüberschreitung“ widmet. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Biografie und Werke des Musikers Jim Morrison, Frontmann der Rockband The Doors. Unter dem Titel „Break on Through (To the Other Side)“, benannt nach dem ikonischen Song von The Doors, wird das „faustisch-dionysische Potential“ der Rockmusik beleuchtet. Die Sonderausstellung ist seit Freitag, 12. April, im Faust-Museum zu sehen.

In ihrer Ausstellungseinführung vor Gästen beschrieb Roth die Rockmusik als eine Musikrichtung, die in den 1960er-Jahren ihre Blütezeit erlebte und bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Einflüssen der Bluesmusik entstanden war. Die Bluesmusik könne daher als Wiege des Rock bezeichnet werden. Sie sprach auch über den Bluesmusiker Robert Johnson, dem eine faustische Geschichte nachgesagt wird. Weil sich Johnsons Gitarrenspiel in kurzer Zeit enorm verbesserte, hieß es, er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen.

Faust, Nietzsche und exzentrische Außenseiter

Rockmusiker verkörpern häufig das Bild des Außenseiters, die ihr Außenseitertum durch ein Leben „on the road“, exzessiven Alkoholkonsum und musikalische Virtuosität zelebrieren, so Roth. Die "Grenzüberschreitungen" der Rockmusik beträfen aber nicht nur den kreativen Output und den Künstler selbst. Auch für die Zuhörer und Fans biete Rockmusik eine psychisch befreiende Komponente, so Roth weiter.

Als Literaturwissenschaftlerin stelle sie eine poetische Qualität der Songtexte fest. Sie verwies auf die Anerkennung der literarischen Dimension von Rocksongs: „Die Texte dieser Songs – das wissen wir spätestens, seit Bob Dylan den Literaturnobelpreis bekommen hat – sind Poesie.“ Sie warf die Frage nach der Interpretation von Rockmusik auf, bei der sich zwei eigenständige Disziplinen – die musikalische und die literarisch-poetische – überschneiden und daher eine multidisziplinäre Interpretation notwendig machen. "Die Bedeutung eines Liedes wird von der Musik weitergetragen, wenn die Worte aufhören und umgekehrt.“ Ekstase und Erlösung in der Musik zu finden, frei zu werden, habe kein Musiker künstlerisch und theoretisch klarer artikuliert als Morrison, so Roth weiter. Was aber hat nun der Faust-Mythos mit Rockmusik zu tun? Und wie passt Friedrich Nietzsche dazu?

Rausch, Transformation und die Auflösung von Grenzen

Darauf gibt die Sonderausstellung eine Antwort, die eine interessante Parallele zwischen der Welt der Rockmusik und dem Faust-Mythos aufzeigt. Die Figur des Faust, der keine Grenzen anerkennt, die Entgrenzung als Lebensprinzip begreift und seine Seele dem Teufel verkauft, finde ihre Entsprechung in der rebellischen Haltung und dem exzessiven Lebensstil vieler Rockmusiker, erklärte Roth. In der Ausstellung finden sich auch Spuren von Nietzsches philosophischen Ansichten. Nietzsche, so Roth, betrachtete das „Dionysische“ – "Rausch, Transformation und die Auflösung von Grenzen" – als wesentlichen Bestandteil des Lebens, der allzu oft verdrängt oder abgewertet werde. Die Idee, Grenzen zu überschreiten und das Leben in vollen Zügen zu genießen, finde sich deutlich bei vielen Rockmusikern und ihren Werken wieder.

Pforten der Wahrnehmung

Morrison habe diese Eigenschaften in seinem Leben und in seiner Kunst oft verkörpert. Seine Songs wie "Break on Through (To the Other Side)" und "The End" erkunden Themen wie Grenzüberschreitung, Transformation und die Suche nach neuen Erfahrungen jenseits gesellschaftlicher Normen. "Ich glaube, es gibt keine Rockband, die sich jemals so stark von Philosophien und deren Theorien hat beeinflussen lassen", stellte Roth fest. Ein Beispiel dafür ist der Name der Band, der auf Aldous Huxleys Essay "The Doors of Perception" (Die Pforten der Wahrnehmung) zurückgeht. Morrison betrachtete das Öffnen dieser "Türen" als essentiell. "Poesie an sich sagt nichts, aber sie löst Dinge aus", so Roth. Sie unterstrich den Unterschied zwischen Grenzüberschreitung und Entgrenzung, wobei letztere keinerlei Grenzen mehr anerkennt und somit eine radikalere Form des Grenzüberschreitens darstellt. Damit kam die Museumsleiterin wieder auf Goethes Faust II, in dem Faust völlig außerhalb aller konventionellen Regeln agiert und als "völlig gewissenlos" betrachtet wird.

In seinem anschließenden Vortrag beschrieb Rainer-Matthias Holm-Hadulla, Autor, Kreativitätsforscher und Professor für Psychotherapeutische Medizin an der Universität Heidelberg, Morrison als einen Künstler, der "im Feuer seiner Melancholie verbrannte". Mit nur 27 Jahren erlag Morrison den Folgen seiner Alkohol- und Drogensucht. Damit gehört er zum „Club 27“, also der Liste jener (Rock)Musiker, die im Alter von 27 Jahren starben oder sich das Leben nahmen, wie etwa Amy Winehouse und Kurt Cobain.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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