Mit dualer Ausbildung für die Zukunft gerüstet: Gespräch mit IHK-Präsident Wolfgang Grenke

Wolfgang Grenke, Präsident der IHK Karlsruhe | Foto: IHK Karlsruhe
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(ch) Eine Reihe von Unternehmen präsentiert sich auf der Messe Bretten auch als Ausbildungsbetrieb. Anlass genug für ein Gespräch mit der Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe, Wolfgang Grenke, über die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in der Technologieregion.

Herr Grenke, was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an die aktuelle Ausbildungssituation in der Technologieregion Karlsruhe denken?
Die Wirtschaft in der Region ist mit viel Schwung ins neue Jahr gestartet. Die Geschäfte laufen überwiegend auf hohem Niveau und die Aussichten für die kommenden zwölf Monate sind sehr positiv. Das wirkt sich auf den Ausbildungsmarkt ebenfalls sehr positiv aus. Viele Unternehmen setzen in der Fachkräftesicherung auf den eigenen Nachwuchs über dual ausgebildete Fachkräfte.

Finden die Betriebe genügend geeignete Auszubildende oder macht sich der Fachkräftemangel bereits beim Nachwuchs bemerkbar?
Der Fachkräftemangel macht sich auch in unserer Region zunehmend bemerkbar. Viele Jugendliche gehen heute deutlich länger zur Schule als noch vor zehn Jahren und streben anschließend an die Hochschulen und Universitäten für einen akademischen Abschluss. Bei kaufmännischen Ausbildungsberufen ist die Bewerberzahl in den letzten Jahren stark zurückgegangen, aber auch in gewerblich-technischen Berufen stehen unsere Unternehmen zunehmend vor der Herausforderung, die offenen Ausbildungsplätze zu besetzen.

Worauf sollten Schulabgänger bei der Wahl eines Ausbildungsbetriebs achten?
Zunächst einmal sollten die Jugendlichen sich ausführlich über ihren Wunschberuf Gedanken machen. Überlegen, was macht mir Spaß, wo habe ich besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ich auch in meinen beruflichen Alltag übertragen kann. Außerdem ist es immer von Vorteil, wenn Unternehmen und Jugendliche sich persönlich kennenlernen. Dafür eignet sich nach wie vor ein Praktikum am besten. Diese Verbindung unterstützt die IHK Karlsruhe intensiv mit dem Projekt „Wirtschaft macht Schule“.

Spielt das Thema Industrie 4.0 auf dem Ausbildungsmarkt schon eine Rolle?
Ja, das Thema Digitalisierung und Industrie 4.0 beschäftigt uns gerade in der Ausbildung. Viele Unternehmen können die betrieblichen Inhalte der Ausbildung recht gut vermitteln. Aus dem betrieblichen Alltag ergibt sich bereits eine Dynamik. Bei den schulischen Inhalten sowie den Ausbildungsverordnungen muss noch nachjustiert werden. Da stehen wir aber mit allen Beteiligten von der Bundesebene bis in die Region in sehr gutem Austausch.

Wie werden sich Digitalisierung und Vernetzung in den nächsten Jahren auf das Angebot an Ausbildungsplätzen allgemein und auf die einzelnen Ausbildungsberufe im Speziellen auswirken?
Es gibt hier sehr unterschiedliche Szenarien. Eine Tatsache ist aber, dass die Themen Digitalisierung, Big Data, Datensicherheit, Artificial Intelligence und andere auch in der beruflichen Aus- und Weiterbildung zukünftig die zentrale Rolle spielen werden.

Was bedeutet das für die Ausbildungssuchenden von heute?
Mit einer breit angelegten beruflichen Qualifikation über eine duale Ausbildung und Weiterbildung sind Jugendliche sehr gut auf die Arbeitswelt der Zukunft vorbereitet. Die Ausbildungen sind breit angelegt, die Vermittlung von praktischen Fähigkeiten und Kompetenzen stehen dabei im Vordergrund, aber auch soziale Kompetenzen wie Pünktlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Team- und Kommunikationsfähigkeit werden gefördert. Damit sind die Auszubildenden gut gerüstet für eine sich ständig wandelnde Arbeitswelt. Denn die Zeiten sind vorüber, in denen man nach einer Ausbildung 40 Jahre lang die gleiche Tätigkeit ausübt. Die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen und beruflicher Flexibilität ist heute bei vielen Jugendlichen vorhanden.

Was halten Sie von der Forderung nach einer Ausbildungsgarantie für jeden jungen Menschen?
Wenn man die Situation auf dem Ausbildungsmarkt im Bezirk der IHK Karlsruhe betrachtet, gibt es eine solche Garantie eigentlich schon jetzt. Im vergangenen Ausbildungsjahr blieben rund 300 Ausbildungsplätze unbesetzt. Natürlich ist es nicht immer der Wunschausbildungsberuf bei dem Wunschunternehmen, in dem man eine Stelle erhält. Hier ist Flexibilität auf beiden Seiten gefragt. Immer mehr Unternehmen sind heute bereit, auch Jugendlichen mit vermeintlich schlechteren Voraussetzungen einen Ausbildungsplatz anzubieten. Viele Förderprogramme stehen dafür zur Verfügung, zum Beispiel die assistierte Ausbildung oder auch ausbildungsbegleitende Hilfen. Im Übrigen sind wir mit den landes- und bundesweiten Allianzen für Ausbildung, wo alle Partner an einem Tisch sitzen, uns einig, dass eine Ausbildungsgarantie zu keiner Verbesserung am Ausbildungsmarkt führen würde.

2013 gab es deutschlandweit erstmals mehr Studien- als Ausbildungsanfänger, wodurch manche schon das duale Ausbildungssystem bedroht sahen. Was raten Sie einem Abiturienten, der vor der Wahl steht: Studieren oder Berufsausbildung?
Das kann man pauschal so sicher nicht beantworten, denn auch hier kommt es auf die Neigungen des jeweiligen Jugendlichen an. Wenn ein Abiturient oder eine Abiturientin studieren möchte und die schulischen Voraussetzungen mitbringt, dann soll er oder sie das gerne tun. Der deutschen Wirtschaft geht es unter anderem deshalb seit vielen Jahren so gut, weil wir sowohl im beruflichen als auch im akademischen Bereich sehr gut ausgebildete Fachkräfte haben.
Die seit vielen Jahren sehr niedrigen Jugendarbeitslosenquoten im europäischen Vergleich in Deutschland geben uns recht. Wer sich aber noch nicht sicher ist, wohin der berufliche Weg gehen soll, dem raten wir, zunächst eine Ausbildung zu absolvieren, denn studieren kann man anschließend immer noch. Durch frühes Einschulen und den Wegfall der Wehrpflicht sind viele Abiturienten noch nicht volljährig, wenn sie die Schule beenden. Das berufliche Leben wird immer länger, daher ist der Einstieg über eine duale Berufsausbildung sicher ein sinnvoller erster Schritt.
Und einen Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen. Etwa ein Drittel aller Studienanfänger beendet das Studium aus den unterschiedlichsten Gründen nicht. Hier greifen die Studienabbrecherprogramme JobReStart und Finish-IT von IHK und Cyberforum und bieten einen Neustart im beruflichen Bereich.

Die Staatssekretärin im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium, Katrin Schütz, hat mehr Teilzeit-Ausbildungsstellen vorgeschlagen, um auch alleinerziehenden jungen Müttern eine berufliche Qualifizierung zu ermöglichen. Gehen Sie damit konform?
Teilzeitausbildung ist nicht nur für junge Mütter eine sehr gute Möglichkeit, einen Ausbildungsabschluss zu erlangen. Auch wenn plötzlich ein Pflegefall in der Familie eintritt, besteht die Möglichkeit, in eine Teilzeitausbildung zu wechseln. Hier stehen die Berater in der Ausbildungsabteilung der IHK Karlsruhe immer als Ansprechpartner zur Verfügung.

Wenn sich eine junge Frau oder ein junger Mann nicht sicher sind, ob sie den richtigen Ausbildungsberuf ergriffen haben: Was können sie tun?
Für einen Wechsel ist es nie zu spät. Allerdings ist es gerade bei fachlich breit angelegten Berufen, wie zum Beispiel den kaufmännischen Berufen, immer empfehlenswert, die Ausbildung dennoch zu beenden. Denn hat man den Abschluss in der Tasche, stehen einem in den Betrieben viele Wege offen.

Wie verbreitet sind in der Technologieregion die Möglichkeiten, vor dem Ausbildungsbeginn ein Schnupperpraktikum zu absolvieren?
In allen allgemeinbildenden Schulen sind Praktikumswochen mittlerweile Pflicht, so dass jeder Schüler und jede Schülerin mindestens einmal in der Schulzeit ein Praktikum absolviert. Weitere Schnupperpraktika sind jederzeit möglich, beispielsweise bei einem Kooperationsunternehmen der Schule innerhalb unseres Berufsorientierungsprojekts „Wirtschaft macht Schule“. Wer sich aber noch gar nicht sicher ist, ob er den richtigen Beruf im richtigen Betrieb gewählt hat, der kann mit dem Langzeitpraktikum „Einstiegsqualifizierung“ über neun bis zwölf Monate intensiv das Unternehmen und den Ausbildungsberuf kennenlernen. Diese Zeit wird in der Regel als erstes Lehrjahr auch anerkannt.

Wie wichtig sind für die durchschnittliche Auszubildende und den durchschnittlichen Auszubildenden heutzutage Auslandserfahrungen?
Auslandserfahrungen werden immer wichtiger und zugleich auch immer beliebter. Es gibt eine Reihe von unterschiedlichen Förderprogrammen und Angeboten, die von Seiten der Azubis in Anspruch genommen werden können. Einen Teil der Ausbildung im Ausland zu absolvieren, ist nicht nur für den sprachlichen Erwerb sehr sinnvoll, sondern verbessert Selbstständigkeit und soziale Kompetenzen der Jugendlichen.

Wagen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft: Vorausgesetzt Europa geht gestärkt aus der gegenwärtigen Krise hervor, wie wird sich Ihrer Meinung nach die Europäisierung auf den deutschen Ausbildungsmarkt auswirken?
Angesichts der vielen unbesetzten Ausbildungsstellen würden wir uns wünschen, dass viele Jugendliche aus Europa das Angebot annehmen, in Deutschland eine duale Berufsausbildung zu absolvieren. Die Mobilität in Europa weiter zu verstärken, ist sehr sinnvoll und trägt unter anderem auch zum besseren Verständnis innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes bei.
(Die Fragen stellte Chris Heinemann)

Mehr lesen Sie auf unseren Themenseiten Messe Bretten und Ausbildung

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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