Landesmittel für den Glasfaserausbau sind seit zwei Monaten ausgeschöpft / Enzkreis hat weiterhin Nachholbedarf
Bremst Förderflaute den Breitbandausbau?
REGION (ch) In Bretten ist der Breitbandausbau auf der Zielgeraden und die anderen Kommunen im Landkreis Karlsruhe kommen zügig voran. In den vergangenen Monaten holt auch der benachbarte Enzkreis schrittweise auf. Dort grassierte noch vor kurzem die Sorge, durch das schleppende Ausbautempo und vorzeitig ausgeschöpfte Landesfördermittel könnte der Kreis von der an Echtzeitdaten gekoppelten Wirtschaftsentwicklung abgehängt werden. Inzwischen hat das Innenministerium gegenüber der Brettener Woche/kraichgau.news eine millionenschwere Verlängerung des Förderprogramms angedeutet.
Lange Gesichter in Sternenfels
Die letzten Förderbescheide ergingen schon Ende September. Gut drei Monate vor Jahresende war der Fördertopf des Landes Baden-Württemberg für den Breitbandausbau leer, die Mittel ausgeschöpft. Die glücklichen Empfänger der letzten Bewilligungen in Höhe von über 600.000 Euro waren der Landkreis Karlsruhe und drei seiner Kommunen, darunter Oberderdingen. Während man im Kreis Karlsruhe bereits die sechste Förderrunde in diesem Jahr feierte, gab es im Enzkreis angesichts der Förderflaute stellenweise lange Gesichter. Zum Beispiel in Sternenfels, wo der Gemeinderat kurz zuvor weitere Ausbauschritte beschlossen hatte. Amtsverweserin Carmen Schneider machte gegenüber dieser Zeitung ihrer Enttäuschung mit den Worten Luft: „Das bringt natürlich den Breitbandausbau ins Stocken.“ Und sie ergänzte: „Was man ja eigentlich nicht will.“
Unzufriedenheit mit Ausbautempo
Erst Anfang November hatte Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau beim „Breitbandgipfel“ der Region Nordschwarzwald den schleppenden Ausbau des glasfasergestützten schnellen Internets kritisiert. Auch Wirtschaftsvertreter und Rathauschefs aus dem Enzkreis machten keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit mit dem selektiven und zögerlichen Glasfaserausbau der großen privaten Telekommunikationsunternehmen, aber auch mit der Breitbandstrategie der Landesregierung. Im Vergleich mit dem Kreis Karlsruhe hat der Enzkreis immer noch großen Nachholbedarf.
Der Enzkreis holt auf
Während man in Karlsruhe auf knapp 100 Kilometer neuverlegte und weitere 500 Kilometer angepachtete Glasfaserleitungen für das als Backbone bezeichnete kreisweite Rückgratnetz stolz ist, kann die Kreisverwaltung in Pforzheim seit diesem Jahr erst zehn Kilometer vorweisen. Das entspricht einem Sechstel der geplanten Neubaustrecke. Allerdings machte der Enzkreis Anfang November einen großen Schritt nach vorne, indem er auf einen Schlag rund 127 Kilometer für den Glasfaser-Hauptstrang von der Sparkassen-IT hinzupachtete. Auch die Frage des künftigen Netzbetreibers ist endlich geklärt: Anfang Oktober unterzeichnete der Zweckverband Breitbandversorgung Enzkreis (ZVBE) einen Netzbetriebsvertrag mit Vodafone. Vier Jahre, nachdem man sich im Landkreis Karlsruhe im August 2015 auf den dortigen Netzbetreiber inexio geeinigt hatte.
Nervosität in Firmen und Rathäusern
Nach einer Mitteilung des Landkreises Karlsruhe sind dort über 4.000 Hausanschlüsse beantragt, knapp 3.000 Kunden mit allen Bandbreiten sind bereits „auf dem Netz“ und nehmen am digitalen Fortschritt teil. Im Enzkreis ist hingegen weiterhin nur von Planungen die Rede, wonach zunächst rund 10.000 Haushalte, Gewerbetreibende und Bildungseinrichtungen von der Zukunftstechnologie profitieren sollen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Nervosität in manchen Firmenzentralen und Rathäusern. Zumal in einer Kommune wie Sternenfels, das über Jahre hinweg als Modellgemeinde in der Dorfentwicklung, unter anderem beim Thema Telearbeit, galt. Dort möchte man den bestehenden Flickenteppich aus „weißen Flecken“ mit sehr schwacher oder gar keiner Internetverbindung sowie „grauen Flecken“ mit nachgerüsteter Vectoring-Technik am liebsten schnell hinter sich lassen. Vectoring ermöglicht Übertragungsraten von maximal 30 Megabit pro Sekunde, während die Landesregierung eine flächendeckende Versorgung von mindestens 50 Mbit/s anpeilt. Laut Experten könnten angesichts neuer Smart-Home-Anwendungen schon in naher Zukunft sogar Übertragungsraten von mehreren 100 Mbit/s nötig werden.
Förderflaute ohne Auswirkungen
Indes sieht man beim ZVBE, der im Auftrag der Kommunen alle Förderanträge an Land und Bund stellt, die Förderflaute zum Jahresende weniger dramatisch. Auswirkungen auf den Breitbandausbau in den Kommunen seien „aktuell keine“ zu erwarten, heißt es. Bei den bewilligten Fördersummen zeigen sich zwischen beiden Kreisen erhebliche Unterschiede. Während dem Enzkreis von Bund und Land bis dato insgesamt rund 34 Millionen Euro bewilligt wurden, darunter 32,8 Millionen Euro Bundesfördermittel nur vorläufig, erhielt der Landkreis Karlsruhe Förderbescheide über insgesamt 19,8 Millionen Euro.
Kritik an Land und Versorgern
Beim Land wiederum reagiert man auf Kritik im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau beschwichtigend. Das für die Digitalisierung zuständige Innenministerium betont auf Nachfrage lieber die bisherigen Erfolge. Mit den seit 2016 für Breitbandprojekte insgesamt bewilligten rund 445 Millionen Euro helfe man Kommunen insbesondere im ländlichen Raum, die Kosten des Ausbaus „weißer Flecken“ zu stemmen. Allerdings sei es „keine Pflichtaufgabe der Kommunen“, die „weißen Flecken“ auf ihrem Gebiet auszubauen, so das Ministerium. Denn der Breitbandausbau sei grundsätzlich Aufgabe der Telekommunikationsunternehmen. Kommunen und Landkreise hingegen werfen diesen Firmen schon lange „Rosinenpickerei“ vor, am Ausbau im ländlichen Raum zeigten sie keinerlei Interesse. Den Breitbandausbau privaten Unternehmen zu überlassen, sei eine politische Fehlentscheidung gewesen, nun werde auch noch die Eigeninitiative von Kommunen und Landkreis durch zu viele Vorschriften und Bürokratie torpediert, war beim „Breitbandgipfel“ zu hören.
„Flächendeckende Verfügbarkeit“ bis 2025
Dessen ungeachtet hält die Landesregierung an ihrem Ziel, bis 2025 eine „flächendeckende Verfügbarkeit glasfaserbasierter Gigabitnetze“ zu erreichen, fest. Dafür seien in den kommenden beiden Jahren insgesamt über 200 Millionen Euro für die Breitbandförderung vorgesehen, teilt das Ministerium auf Nachfrage mit. Ob es dabei bleibt, entscheidet der Landtag bis zum 18. Dezember. Die Sternenfelser Amtsverweserin hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Breitbandausbau in den kommenden Jahren nicht nur in den „weißen“, sondern auch in den „grauen Flecken“ der Gemeinde gefördert wird.
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Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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