Weltpolitik im Klosterhof
Repräsentant von Taiwan besucht Kloster Maulbronn
Maulbronn (kuna) Nach nur 19 Tagen im neuen Amt als Bürgermeister von Maulbronn empfing Aaron Treut seinen ersten offiziellen Besuch: Der Repräsentant von Taiwan in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, war einer Einladung in das Kloster Maulbronn gefolgt. Bei dieser Gelegenheit trug er sich am Mittwoch, 19. Juli, sogleich ins Goldene Buch der Stadt ein und sprach weltpolitische Fragen an, allen voran den Status von Taiwan in der internationalen Konfliktlage.
Eintrag ins Goldene Buch der Stadt
Er fühle sich geehrt das Maulbronner Kloster besuchen zu dürfen, hielt Shieh im Goldenen Buch der Stadt schriftlich auf Deutsch und auf Chinesisch fest. Auch im Gespräch betonte er seine Freude, als Diplomat von Taiwan den kulturellen Schatz von Deutschland kennenlernen zu dürfen. Bei einer Führung durch die historische Stätte gewährte Klosterführerin Uta Eich dem studierten Germanisten einen Einblick in die facettenreiche Geschichte des Klosters, die bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht. Initiiert wurde das Treffen von dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Axel Fischer (CDU), der beim Klosterbesuch von Shieh ebenfalls anwesend war. Die beiden hätten sich 2005 kennengelernt, als Fischer noch Mitglied des Parlamentarischen Freundeskreises Berlin-Taipeh war, rekapitulierte der CDU-Politiker. Nur wenige Tage nach der Wahl von Treut sei dann das Treffen eingeleitet worden.
"Konflikt zwischen zwei Systemen"
Der rechtliche Status von Taiwan ist umstritten. Die chinesische Regierung beansprucht die Insel als Teil ihres Hoheitsgebietes. Auch die Bundesrepublik Deutschland erkennt Taiwan nicht als souveränen Staat an. Der Konflikt zwischen Taiwan und China geht laut Shieh jedoch weit über die ostasiatischen Gebiete hinaus. Aus der Sicht des Vertreters Taiwans handelt es sich „nicht nur um einen Konflikt zwischen Taiwan und China, sondern um einen Konflikt zwischen zwei Systemen.“
Taiwan als Spitzenreiter in der Herstellung von Halbleitern
Shieh betonte die Bedeutung einer engen Beziehung zwischen Taiwan und Deutschland. Die Unterstützung durch Deutschland sei nicht nur aufgrund einer wertegeleiteten Politik der Bundesregierung im Sinne von „Demokratien stehen zu Demokratien“ wichtig, so Shieh. Als Spitzenreiter in der Herstellung von Halbleitern spiele Taiwan auch eine Rolle für die deutsche Wirtschaft. Immerhin sei die Automobilindustrie, ein wichtiger Industriezweig Deutschlands, auf die Verfügbarkeit von Halbleitern angewiesen. "Ohne die Halbleiter aus Taiwan kann kein deutsches Auto hergestellt werden", stellte Shieh fest und witzelte: "Ohne die Halbleiter würde im Auto nur das Warndreieck funktionieren – man würde aber nicht herankommen, weil der Kofferraum nicht aufgehen würde."
Wirtschaftliche Bedeutung für den Welthandel
Doch nicht nur die Halbleiter seien für Deutschland wichtig. Auch von der Taiwanstraße – die Wasserstraße trennt das chinesische Festland von der Insel Taiwan – sei ein Großteil des Welthandels abhängig. Rund 50 Prozent der Produkte aus dem Welthandel würden diese Straße passieren, erklärte Shieh. Sie sei daher von wichtiger wirtschaftlicher Bedeutung für Europa. "Jeder dritte Euro wird in Ländern wie Deutschland oder Frankreich durch den Welthandel verdient", so der taiwanische Repräsentant.
"Chinastrategie" statt "Chinapolitik"
Shieh ging auch auf den Gebrauch von Begrifflichkeiten durch die Bundesregierung Deutschland ein, die sich erst kürzlich geändert hätten. So habe die Bundesregierung vor einer Woche ein Papier vorgelegt, in dem nicht mehr von einer Chinapolitik, sondern von einer Chinastrategie die Rede sei. Festgehalten sind in dem Schreiben die Leitlinien für den künftigen Umgang mit China. So heißt es beispielsweise, dass Deutschland grundsätzlich an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit festhalten, aber Abhängigkeiten in kritischen Bereichen vermeiden wolle. Als Beispiele für derartige Abhängigkeiten nennt das Strategiepapier etwa Medizintechnik und Arzneimittel oder seltene Erden und Vorprodukte, die für die Energiewende benötigt werden.
China öffentlich widersprechen
In Taiwan herrsche durch die Bedrohungen Chinas eine ernste Gefahrenlage, erklärte Shieh. Dass sich der Konflikt weiter zuspitzen und in einem Krieg münden könnte, hielt er für ein realistisches Szenario. Er erachtete es dennoch als wichtig, die chinesische Regierung in der Öffentlichkeit zu kritisieren. "Immer, wenn China öffentlich sagt, dass Taiwan zu China gehört, muss dem öffentlich widersprochen werden", bekräftigte er. "Schweigen bedeutet in diesem Fall Einverständnis."
Autor:Kathrin Kuna aus Bretten |
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