Interview mit dem Bürgermeister aus Walzbachtal Timur Özcan
"Situation hat sich noch verschärft"

Der Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan
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Walzbachtal (ger) Er ist einer der jüngsten Bürgermeister im Südwesten und hat es gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit einer Pandemie zu tun: Timur Özcan übernahm im September 2019 die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger Karl-Heinz Burgey als Bürgermeister in Walzbachtal. Redakteurin Katrin Gerweck sprach mit ihm über die Herausforderungen eines außerordentlichen Jahres, das für den gebürtigen Leimener aber auch schöne Seiten hatte: Er ist im Sommer zum ersten Mal Vater geworden.

Was war bisher die größte Herausforderung in der Corona-Zeit?
Ich bin nun etwas mehr als ein Jahr im Amt. Zu der großen Aufgabe als Bürgermeister kam dann quasi sofort auch noch die Pandemie dazu. Die Kommunikation war in diesem Zusammenhang eine große Herausforderung, da der persönliche Kontakt, der mir sehr wichtig ist, ja stark eingeschränkt wurde. Ich bin überzeugt davon, dass wir in Walzbachtal die Situation sehr gut in Griff haben. Insbesondere indem ich persönlich sehr stark über Social Media informiert und kommuniziert habe. Außerdem haben wir viele Online-Angebote geschaffen wie Umfragen und eine Fragestunde an den Bürgermeister für eine transparente bürgernahe Kommunikation. Zudem haben wir eine Corona-Hotline und eine Corona-E-Mail-Adresse eingerichtet. Die aktuellen Informationen haben wir zusätzlich, vor allem für die ältere Generation, immer auch auf dem klassischen Wege, also im Amtsblatt und als Aushänge publik gemacht.

Wurden die Kommunikations-Angebote gut angenommen?
Ja, gerade am Anfang haben uns sehr viele Fragen auf allen Kanälen erreicht. Inzwischen ist es etwas ruhiger, aber bei jeder neuen Regelung steigen die Anfragen wieder. Hintergrund sind meistens Fragen, was sich nun geändert hat.
Die Informationskette war und ist für alle Kommunen schwierig, da alle Informationen, Erlasse und Verfügungen immer sehr spät kommen und dann innerhalb kurzer Zeit die Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Dabei den Durchblick und einen kühlen Kopf zu behalten, ist nach wie vor eine große Herausforderung.

Gibt es im Zusammenhang mit der Pandemie auch positive Auswirkungen?
Definitiv, da muss ich sagen, dass der Zusammenhalt in Walzbachtal wirklich vorbildlich ist. Ganz schnell gab es in Kooperation von Verwaltung, Kirche und CVJM eine Aktion unter der Überschrift „Hilfe, wo Hilfe benötigt“ mit Einkaufshilfe oder auch nur dem Angebot eines Telefonats, wenn jemand jemanden zum Sprechen brauchte.
Dann hat die Aktion der Steinkette, die die beiden Ortsteile verbinden soll, eine ganz rege Beteiligung erfahren. Nicht nur Privatpersonen, auch Vereine, Kindergärten und wir als Verwaltung haben mit bunten Steinen dazu beigetragen. Daraus soll jetzt ein Erinnerungsdenkmal für den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl entstehen.
Auf den Hashtag „Support your Locals“, also „Unterstütze die Betriebe vor Ort“, den ich in den sozialen Medien und auch im Amtsblatt für Gastro, aber auch andere Betriebe gestartet habe, gab es auch sehr viele positive Reaktionen, und er wurde fleißig von den Bürgerinnen und Bürgern geteilt.
Auch mit digitalen Veranstaltungen wie zum Beispiel der Weihnachtstombola des FC Jöhlingen, wo ich im Live-Stream die Gewinner gezogen habe, hat man sich an die Situation angepasst.

Die finanzielle Situation war in Walzbachtal schon vor der Pandemie angespannt. Welche finanziellen Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Ihre Gemeinde?
Ich würde sagen, die Situation hat sich noch verschärft. Das gehört auch zu den Herausforderungen der Krise, die finanzielle Lage im Blick zu behalten. Wir haben zwar auch Hilfen von Bund und Land bekommen, aber die reichen nicht für die Mehrausgaben, die wir zum Beispiel aus Infektionsschutzgründen haben. Außerdem haben wir ja auch verminderte Einnahmen, etwa bei den Kindergartengebühren, die wegen kürzerer Betriebszeiten reduziert wurden. Bestimmt wird uns das noch in den nächsten Jahren schwer zu schaffen machen. Aber erst wenn die Krise vorbei ist, kann man Bilanz ziehen.

Gibt es Projekte, die die Gemeinde auf Eis legen musste oder die sie nur eingeschränkt verwirklichen konnte?
Den Auftakt zu unserem Mobilitätsforum, das mit über 150 Bürgerinnen und Bürgern sehr gut besucht war, konnte noch stattfinden. Es handelt sich dabei um ein Beteiligungsformat, bei dem alles in Bezug auf Mobilität betrachtet wird. Wir versuchen schon, vieles von dem, was angeregt wurde, umzusetzen wie Radstellplätze oder verbesserte E-Bike-Struktur, aber die geplante zweite Veranstaltung konnten wir bisher nicht machen.
Der Bike-Park, den sich die Jugend im Jugendforum gewünscht hatte, ist eröffnet, und es gibt W-Lan-Hotspots, zum Beispiel an den Stadtbahnhaltestellen.
Auch die Planungen zum Discounter in Wössingen laufen weiter. Manches hat sich natürlich auch verzögert, aber eigentlich laufen alle geplanten Projekte weiter. Auf Eis legen musste ich meine Aktion „Rent a Bürgermeister“, in dem Vereine, Unternehmen, Institutionen mich sozusagen mieten können, damit ich Einblicke in ihre Abläufe bekomme, die Personen besser kennenlerne und sie gleichzeitig unterstützen kann. Ausnahme war jetzt mein Einsatz bei der Weihnachtstombola per Livestream. Aber sobald es wieder geht, werde ich die Aktion wieder aufnehmen.

Was ist derzeit das größte Projekt in Ihrer Gemeinde?
Da fallen mir drei Projekte ein: Digitalisierung, Umwelt- und Klimaschutz sowie transparente Kommunikation. Mit der Digitalisierungsstrategie für Walzbachtal, die im Gemeinderat und mit mir als Bürgermeister als ein Schwerpunkt definiert wurde, wollen wir die Internetversorgung verbessern, zum Beispiel sollen Binsheim und die Schulen mit Glasfaser angebunden werden. Ziel soll eine flächendeckende Verbesserung sein.
Zu Umwelt- und Klimaschutz wollen wir mit vielen Maßnahmen wie blühenden Flächen unseren Beitrag leisten. Es sind viele kleinere Sachen, die dazu gehören, die im Ganzen ein großes Projekt ergeben. Diesen Fokus wollen wir ebenfalls unter anderem in unserem neuen Leitbild festlegen, welches aus Ideen, Anregungen und Wünschen seitens der Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit dem Gemeinderat ausgearbeitet wird.
Die transparente Kommunikation ist mir ganz wichtig. So haben wir vor, moderne und mit der Zeit gehende Kommunikationsplattformen als Ergänzung zum konventionellen Angebot für Jung und Alt zu schaffen. Eine bürgernahe und transparente Information für die Bürgerinnen und Bürger von Walzbachtal, so lautet das Ziel.

Immer mal wieder streikt das Stellwerk bei Jöhlingen. Wie läuft es derzeit mit der S4?
Leider ist die Situation nach wie vor nicht zufriedenstellend. Immer wieder treten bei der S4 Probleme auf. Ich kann gut verstehen, wenn unsere Bürgerschaft damit unzufrieden ist, wenn man in Schule oder Büro muss und die Bahn nicht pünktlich oder überhaupt gar nicht kommt. Die Informationen, die man am Bahnsteig bekommt, sind auch nicht optimal und noch ausbaufähig. Ich hoffe sehr auf eine Verbesserung der Gesamtsituation, wenn der Ausbau der S4 kommt, der unbedingt kommen muss. Wenn man zum Umweltschutz beitragen will und den Autoverkehr reduzieren möchte, muss das ÖPNV-Angebot auch zuverlässig sein.

Sie sind ja Vater geworden dieses Jahr. Hat Sie das verändert?
Das verändert einen sicherlich, auf jeden Fall hat sich der Schlafrhythmus verändert (lacht). Ich hab jetzt viel mehr Verständnis wie es ist, Mutter oder Vater zu sein, und was für ein anstrengender Job dahinter steckt. Und ich schätze viel mehr die Freizeit, die ich habe und mit meiner Familie verbringen kann.

Was steht außerdem nächstes Jahr an?
Wie gesagt, verfolgen wir weiter den Bau des Discounters in Wössingen und wollen das Mobilitätsforum fortführen. Der Gemeinderat wird im kommenden Jahr das gemeinsam ausgearbeitete neue Leitbild verabschieden. Dieses ist deshalb so wichtig, da die Wünsche, Anregungen und Ideen der Bürgerinnen und Bürger aus Walzbachtal das Fundament des neuen Leitbilds darstellen. Das soll die Grundlage unseres künftigen Handelns und Entscheidens werden und dient der Bürgerschaft als Orientierungshilfe für die Ziele unserer Gemeinde.
Ich persönlich finde den Rathausplatz wunderschön, aber nicht lebendig genug. Er soll eine Begegnungsstätte für Jung und Alt werden und entsprechend mit vielfältigen Angeboten sinnvoll genutzt werden. Im Sommer haben wir schon das Jugendforum dort stattfinden lassen, vor Corona gab es ein Glühweinfest. Wir planen jetzt schon einzelne Aktionen. Nach Corona wäre auch ein Markt auf dem Rathausplatz denkbar oder ein Streetfood-Fest.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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