Coronavirus im Pflegeheim Haus Schönblick in Neibsheim
OB Martin Wolff: "Wir hangeln uns von Halbtag zu Halbtag" - Fünf Freiwillige für Pflege im Heim
Die aktuellen Entwicklungen rund um das Pflegeheim Haus Schönblick in Neibsheim lesen Sie am Ende des Artikels.
Bretten-Neibsheim (bea) Nach dem Auftreten der Corona-Infektionen im Pflege- und Altenwohnheim Haus Schönblick in Bretten-Neibsheim (wir berichteten) wurde damit begonnen, Angestellte und Bewohner auf eine mögliche Infektion mit dem Virus zu testen. Nach dem momentanen Stand sind 68 Bewohner und 36 Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Fünf Bewohner sind verstorben. Das haben das Landratsamt Karlsruhe und die Stadt Bretten aktuell in einer gemeinsamen Presseerklärung mitgeteilt.
Tests lassen hohe Zahl an Infektionen erwarten
Im Pflegeheim leben 181 Bewohner und arbeiten 166 Angestellte. Da davon ausgegangen werden muss, dass die weiteren noch ausstehenden Tests ähnliche Ergebnisse bringen und Betroffene im weiteren Krankheitsverlauf auch stationärer Behandlung bedürfen, haben die Kliniken des Landkreises laut der Mitteilung von Landratsamt und Stadt Bretten bereits Kontakt zu den niedergelassenen Ärzten aufgenommen, heißt es in der Erklärung weiter. Der Landkreis beliefere die Einrichtung nun bevorzugt mit Schutzmaterialien und werde in diesem speziellen Fall für die besonders belasteten Pflegekräfte psychosoziale Beratung anbieten.
"Jede kundige helfende Hand wird in Neibsheim gebraucht"
Zudem schließen sich Landrat Christoph Schnaudigel und der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff der Aufforderung des Landes Baden-Württemberg an, wonach sich alle derzeit nicht in der Pflege aktiven Pflegekräfte und Angehörigen pflegenaher Berufsgruppen melden sollten, um bei der Bewältigung der Corona-Krise Unterstützung zu leisten: „In der Neibsheimer Einrichtung nützt jetzt jede kundige helfende Hand“, appellieren Schnaudigel und Wolff. Melden kann man sich direkt beim Oberbürgermeister unter Martin.Wolff@bretten.de. Die Stadtverwaltung koordiniert dann in Absprache mit dem Landkreis einen eventuellen Einsatz.
Aktualisierung, 3.4.2020, 19 Uhr:
Der Pressesprecher der RHK-Kliniken, Alexander Tsongas, teilte auf Anfrage mit, dass es im Klinikverbund genügend Betten- und Beatmungskapazitäten für COVID-19 Patienten gibt. In Ludwigsburg und Bruchsal wurde jeweils ein COVID-Schwerpunktzentrum eingerichtet, um Patienten mit schweren Krankheitsverläufen zu behandeln. Derzeit sind von 150 maximal verfügbaren Beatmungsplätzen lediglich 40 belegt, so Tsongas. Vier COVID-Patienten werden aktuell in der Bruchsaler Fürst-Stirum-Klinik beatmet, zehn weitere Corona-Patienten sind dort auf Station untergebracht. In der Brettener Rechbergklinik werden zwei Corona-Patienten behandelt, einer davon aus Neibsheim.
"Was in unseren Kräften steht haben wir vorbereitet"
Zusätzlich zu den 150 Beatmungspatienten können laut Tsongas viele Coronapatienten in den RHK-Kliniken mit ihren insgesamt 2 500 Betten aufgenommen werden. Dafür hat der Klinikverbund Operationen von Patienten, die zeitlich nicht dringend durchgeführt werden müssen, aufgehoben und somit Behandlungen um insgesamt 50 Prozent reduziert. Weiterhin wird Personal zu Intensivpflegekräften weitergebildet. "Was in unseren Kräften steht haben wir vorbereitet", sagt Tsongas. Derzeit sei jedoch kaum Schutzmaterial zu bekommen. Inzwischen habe man eine Firma gewinnen können, die Müllsäcke produzierte und nun Schutzmäntel aus Plastik herstellt. Ebenfalls beziehe man Visiere, die von 3D-Druckern hergestellt wurden, berichtet der Pressesprecher. Eine Hilfe aus Berlin oder Stuttgart sei hingegen noch nicht eingetroffen. Man müsse sich eben selbst helfen, so Tsongas. Der Höhepunkt der Coronawelle in Deutschland wird Ende April erwartet.
"Wir haben alles gemacht, was wir können"
Im Seniorenhaus Schlossblick in Gondelsheim hat man sich bereits seit Anfang der Krise vorbereitet, erklärt Heimleiterin Cornelia Hölzle. Hier trägt jeder Mitarbeiter einen Mundschutz. Weiterhin wurden die Wohnbereiche voneinander getrennt. "Wir haben alles gemacht, was wir können, um uns vorzubereiten", sagt Hölzle. Im Haus Schlossblick sind keine Erkrankungen bekannt.
Aktualisierung 4.4.2020, 20 Uhr:
Am heutigen Samstag hat es einen weiteren Sterbefall im Haus Schönblick gegeben, informiert Oberbürgermeister Martin Wolff. Die Infizierten zeigten die komplette Bandbreite an möglichen Symptomen. "Wir hangeln uns von Halbtag zu Halbtag, um die Situation neu zu bewerten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen", so Wolff. Dabei sei es wichtig, dass die hausärztliche Versorgung und eine mögliche Weiterbehandlung in den Kliniken gewährleistet werden können.
Auf seinen Appell an alle derzeit nicht in der Pflege aktiven Pflegekräfte und Angehörigen pflegenaher Berufsgruppen haben sich bisher fünf Personen gemeldet. "Ich bin dankbar, dass sich in dieser Situation Menschen melden und helfen wollen", sagt Wolff. Er selbst stand seit neun Uhr mit dem Landratsamt in permanentem Kontakt. An das Gesundheitsamt hat er die bei ihm aufgelaufenen Hilfsangebote weitergeleitet, damit die Eignung der Helfer geprüft werden kann.
Von zu Hause aus Einkaufs- oder Bestellgemeinschaften bilden
Das Virus ist in Bretten angekommen, sagt Wolff und appelliert erneut an die Bevölkerung zu Hause zu bleiben und nur die nötigsten Besorgungen zu machen. "Wir haben eine Einkaufsgemeinschaft mit unseren Nachbarn eingerichtet, damit nur einer draußen ist, und nicht zwei", sagt Wolff. Auch könne man den Lieferservice der örtlichen Unternehmen nutzen und Gemeinschaftsbestellungen mit den Nachbarn abgeben, schlägt er vor. Wer einkaufen gehe, begegne vielen fremden Menschen. Daher empfiehlt der Oberbürgermeister in dieser Situation einen Mundschutz zu tragen. Auch beim Spazieren gehen sei es wichtig den Kontakt zu anderen, wo es ginge, absolut zu vermeiden. "Die Übertragung des Virus ist tückisch", sagt Wolff. Nach wie vor sehe er in manchen Bereichen Sorglosigkeit bei den Bürgern. "Die Situation wird noch nicht so ernst genommen, wie es sein müsste", sagt der Oberbürgermeister. Daher kontrollierten Polizei und Vollzugsdienst permanent die Einhaltung der Landesverordnung. Momentan sehe er noch keinen Bedarf, dennoch könne die Stadt jederzeit engere Vorschriften erlassen, falls die bestehenden mehrfach nicht eingehalten würden. Der nächste Schritt wäre eine weitere Kontaktbeschränkung im privaten Bereich.
Abstand halten, Mundschutz tragen und Hände waschen
Auch Pressesprecher der RKH Alexander Tsongas empfiehlt jedem, der aus dem Haus geht, idealerweise einen Mundschutz zu tragen. So können andere Menschen vor einer Ansteckung geschützt werden. Zudem sei es absolut notwendig den Abstand von mindestens 1,5 Metern zueinander einzuhalten, da Tröpfchen 1,5 bis zwei Meter weit fliegen könnten. Desweiteren sollten die Hände regelmäßig desinfiziert oder 30 Sekunden lang gewaschen werden, erklärt er.
Über die aktuellen Entwicklungen halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.
Autor:Beatrix Drescher aus Bretten |
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