Unter der Corona-Pandemie leiden neben dem Einzelhandel auch Gastronomen und Künstler
Die Corona-Krise in der Region

Auch die Badewelt Bretten wurde aufgrund der Corona-Pandemie vorläufig geschlossen. archiv
  • Auch die Badewelt Bretten wurde aufgrund der Corona-Pandemie vorläufig geschlossen. archiv
  • hochgeladen von Christian Schweizer

Region (swiz) Das Coronavirus hat die Region fest im Griff und inzwischen scheint das öffentliche Leben so gut wie lahmgelegt zu sein. Die um sich greifende Pandemie hat inzwischen in den Gemeinden und Städten im Kraichgau unter anderem zur Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, Kinos, Bibliotheken sowie Schwimmbädern, Tierparks und so gut wie allen öffentlichen Einrichtungen geführt. Die Rathäuser in Bretten, Knittlingen und Gondelsheim sind geschlossen, allerdings telefonisch erreichbar. Offen hat bislang noch das Rathaus in Oberderdingen, dort wird allerdings um eine telefonische Voranmeldung von Besuchern gebeten.

Neue Verordnung der Landesregierung

Am heutigen Mittwoch hat die Landesregierung nun noch strengere Maßnahmen vorgelegt und ihre "Rechtsverordnung über infektionsschützende Maßnahmen" angepasst. Konkret bedeutet dies unter anderem, dass alle Geschäfte schließen müssen, die nicht zu den Bereichen Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Frisöre, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungsverkauf, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte sowie Großhandel, Hofläden und Raiffeisenmärkte gehören. Ebenso ist der Betrieb von Eisdielen, Bars, Shisha-Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen, Freizeit- und Tierparks sowie Spiel- und Bolzplätzen untersagt. Vorerst gilt die Verordnung bis 15. Juni. "Wir werden nun die Spielplätze mit Flatterband und Bauzäunen absperren", erklärte der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff in einer ersten Stellungnahme. Zudem werde Ordnungsamt und Polizei das Betretungsverbot kontrollieren lassen.

Einzelhandel in großer Sorge

Bei den Einzelhändlern in Bretten und Gondelsheim herrscht derweil große Sorge und Ratlosigkeit. "Ich habe inzwischen einen Zettel an meiner Ladentür hängen, auf dem steht, dass ich geschlossen habe. Das habe ich für mich so entschieden, denn die paar hundert Euro, die ich heute vielleicht noch einnehme, machen den wirtschaftlichen Schaden nicht besser, der auf mich zukommen wird", erklärt Andreas Drabek, Inhaber des Modehaus Martin in Bretten. "Ich bin der Meinung, dass alle Maßnahmen zur Eindämmung des Virus so schnell wie möglich umgesetzt werden sollten, daher nehme ich meine Verantwortung diesbezüglich wahr." 

"Die paar hundert Euro, die ich heute vielleicht noch einnehme, machen den wirtschaftlichen Schaden nicht besser."

Über Facebook biete man an, "dass wir telefonisch für unsere Kunden da sind und wenn jemand etwas dringend braucht, können wir ein Päckchen schicken". Sonst seien ihm die Hände gebunden. "Auch wenn es für die Leute so aussehen mag, dass wir keine Arbeit mehr haben, im Hintergrund ist viel zu tun: ich bekomme noch Ware, die ich nicht stehen lassen kann, sonst komme ich nicht mehr zum Wareneingang herein." Dann müsse er sich ins Thema Kurzarbeit einarbeiten, denn Gehaltszahlungen stünden an. "Langweilig wird es nicht, es kommt nur kein Geld in die Kasse."

"Wir haben jetzt alle Angst um unsere Existenz"

Auch Heike Böhm, Inhaberin von Formvollendet in Bretten, sieht sich der Lage relativ hilflos gegenüber. "Wir sind alle unter Strom, weil der Laden voll mit Ware ist und die müsste eigentlich verkauft werden. Da frage ich mich, warum ein Frisör öffnen darf, der einen Kunden nach dem anderem kommen lassen darf und wir müssen mit unseren wenigen Kunden am Tag schließen, die ganz verteilt kommen." Und weiter: "Wir haben jetzt alle Angst um unsere Existenz. Alle sagen, die Geschäfte kriegen Geld, aber keiner sagt, woher genau. Wenn wir keine täglichen Einnahmen haben, können wir auch keine Rechnungen von unseren Lieferanten bezahlen."

"Hilfe von außen wird benötigt"

Auch aus Gondelsheim kommen besorgte Rückmeldungen der Gewerbetreibenden. "Wir haben unseren Laden inzwischen geschlossen", sagt Roland Fella, Geschäftsführer von Fella Industriebedarf. Er bekomme viele Waren aus Italien und dort arbeiteten viele Firmen nur mit halber Besetzung. Er melde nun Kurzarbeit an, so Fella und betont: "Die Lage kann existenzbedrohend werden". Und auch Thomas Kessler, Geschäftsführer von Tom`s Medical Service, der unter anderem Erste-Hilfe-Kurse anbietet, betont: "Bei mir gehen gerade die Lichter aus und ich weiß noch nicht, wie ich ohne Hilfe von außen meine Firma halten kann. Mir sind bis Ende April alle Kurse weggebrochen. Das sind Einbußen im fünfstelligen Bereich."

"Neue Kunden gibt es keine"

Mindereinnahmen hat auch die Firma RB Massagen aus Gondelsheim zu beklagen. So würden unter anderem die Fußpflegetermine in Altenheimen wegbrechen. "Sonst nehmen unsere Bestandskunden ihre Termine zum Teil noch wahr. Neue Kunden gibt es aufgrund der Unsicherheit aber leider keine", sagt Inhaber Ralf Bischoff.  Für selbstständige Dienstleister sei das alles eine "große finanzielle Katastrophe". Licht und Schatten sieht dagegen Kerstin Glasauer von Chanoinne Kosmetik in Gondelsheim. "Ich habe natürlich alle Workshops absagen müssen, traurigerweise auch ein Event in Bretten, für das ich als Make-up Artist gebucht war und dort viele Neukunden hätte gewinnen können." Auf der anderen Seite zahle sich ihre Kundentreue aus. "Viele Kundinnen fragen mich um Rat, wenn es um die Stärkung des Immunsystems geht." Ihr Vorteil sei es außerdem, dass sie neben ihrem stationären Geschäft noch ihr Online-Business habe. So könnten Mindereinnahmen ein bisschen abgefedert werden.

Viele Terminabsagen bei Friseuren

Laut der neuen Verordnung dürfen Friseursalons geöffnet bleiben. Das stimmt Heidi Hascher, Inhaberin des Haarstudios Guba in Bretten, vorsichtig optimistisch. Auch wenn sie betont: "Am Dienstagmorgen haben doch schon Kunden abgesagt. Viele, weil sie zur Risikogruppe gehören und Angst haben, andere waren selbst in betroffenen Gebieten und wollen Rücksicht nehmen." Dabei spielt verstärkte Hygiene eine wesentliche Rolle bei Hascher: "Die wird bei uns noch größer geschrieben als sonst schon." Nach jedem Kunden würden die Arbeitsmittel desinfiziert, die Abstände zwischen den Plätzen seien vergrößert und die Kundenfrequenz werde reguliert.

Einschnitte bei  der Gastronomie

Auch für die sonst immer sehr belebte und beliebte Gastronomie in der Melanchthonstadt bedeutet die Corona-Pandemie und die neue Verordnung gravierende Einschnitte, wie Ingo Jäger, Inhaber des Alten Rathaus, erzählt: „Die Auswirkungen sind aus unserer Sicht gravierend. Die Gäste bleiben aus. Ich sitze hier mit meinem Personal alleine da." Die Öffnungszeiten habe man bereits auf 10 bis 18 Uhr eingeschränkt. „Letzte Woche ging es noch mit den Gästezahlen, aber als darüber informiert wurde, dass die Schulen schließen, war es wie ein freier Fall. Über 50 Prozent der Gäste kamen dann nicht mehr.“ In seinem Lokal lässt er, wie vorgeschrieben, nur jeden zweiten Tisch besetzen. „Draußen habe ich alle Sitzplätze so weit auseinander gezogen, wie es nur geht.“ Um sicherzustellen, dass im Falle von Infektionen mögliche Kontaktpersonen nachverfolgbar sind, muss Ingo Jäger seine Gäste darum bitten, Name und Telefonnummer aufzuschreiben. „Der Datenschutz spielt gerade eine zweitrangige Rolle“, sagt er schmunzelnd, bevor er wieder ernst wird: "Ich bin genauso überfordert, wie alle anderen.“

„Man muss sehen, wie sich alles entwickelt.“

Geöffnet hat indes auch noch "Rick’s Café" in Bretten, auch wenn das Tagesgeschäft schleppend laufe, wie Inhaber Harald Hollritt betont. „Im Großen und Ganzen war die letzte Woche okay. Ab Freitag ging der Absturz los.“ Auch er klingt im Gespräch mit der Brettener Woche verunsichert: „Wenn wirklich der Weg eingeschlagen wird, dass alles für zwei Wochen lang schließt, wäre ich der Letzte, der etwas dagegen hätte.“ Wie es mit dem Cafébetrieb weitergehe, wisse er nicht, so Hollritt. „Man muss sehen, wie sich alles entwickelt.“ Wie es in der Gastronomie weiterlaufen kann, zeigt zum Beispiel das Brauhaus Löwenhof in Bretten. Dort wird das Essen den Kunden auch nach Hause geliefert, Bestellungen sind von 12 bis 22 Uhr möglich. Diesen Service von "Bestellen, liefern oder abholen" bietet unter anderem auch das Geschäft Ratzefummel in Knittlingen.

Künstler zwischen Arbeitsagentur und Video-Unterricht

Auch freischaffende Künstler, darunter hauptberufliche Musiker aus Bretten und der Region, müssen dieser Tage eine Terminstornierung nach der anderen verkraften. Die aus Bretten stammende Volksmusikgruppe "Die Schäfer" musste die letzten fünf Auftritte ihrer Tournee durch Ostdeutschland absagen. Als Freiberufler müsse man für solche Fälle eben immer „etwas auf der Seite haben", sagt Mitbegründer Uwe Erhardt. Ernster sieht es hingegen bei Erhardts früherem Kollegen Thomas Rothfuß aus. Der ebenfalls aus Bretten stammende Sänger, Gitarrist, Komponist, Entertainer und Autor von humoristischen Büchern, sagt ganz offen: „Eigentlich bin ich derzeit arbeitslos.“ Seine Auftritte in Kliniken und betreuten Wohnanlagen wurden gestrichen. Demnächst will er bei der Arbeitsagentur Unterstützung beantragen. Seine Hoffnung setzt er auf die Zeit ab Mai, zum Beispiel auf geplante Konzerte im Europapark. Und: „Gottseidank sind noch keine Kreuz- und Flussfahrten abgesagt worden.“

Unterricht über Videoportale

Einen anderen Weg hat der Flehinger Liedermacher und Gitarrenlehrer Dirk Knauer eingeschlagen. „Da alle meine Konzertengagements bis auf weiteres abgesagt wurden, ist es für mich existentiell wichtig, nicht auch noch Gitarrenschüler zu verlieren." Seit vergangenem Montag unterrichtet er daher ausschließlich über verschiedene Videoportale. Musikerkollegen hätten bereits angefragt, wie er seinen Videounterricht gestalte, erzählt Knauer.

Schulen sind geschlossen

Wie im gesamten Land sind auch die Schulen in Bretten seit dem gestrigen Dienstag bis zum Ende der Osterferien am 19. April geschlossen. Die Vorbereitungen für die Schließungen an den Brettener Schulen sind dabei offenbar sehr besonnen abgelaufen. "Am Montag ist alles sehr ruhig und entspannt über die Bühne gegangen, die Schüler waren nicht aufgeregt, da schon viele Infos vorher verteilt wurden", sagt Daniel Krüger, Rektor des Edith-Stein-Gymnasiums Bretten. Man habe in mehreren Dienstbesprechungen genau abgesprochen, was pädagogisch sinnvoll sei: "Arbeitsanweisungen in kleinen Portionen, klare Zeitvorgaben bei Aufgabenstellungen und regelmäßiger, digitaler Kontakt mit Lehrkräften." Große Unklarheit herrsche noch über das Vorgehen bei versäumten Klausuren. Das fachpraktische Abitur in Bildende Kunst sollte eigentlich nächste Woche stattfinden, ist nun aber ausgesetzt. "Wir hoffen sehr, dass Schülern keine Nachteile entstehen."

Unterricht in besonderer Form

An der Max-Planck-Realschule bekommen die Klassen ebenfalls wöchentlichen Stoff über die Schul-Cloud, berichtet Schulleiterin Angela Knapp. Nach jetzigem Stand finden die Prüfungen statt, die direkt nach den Osterferien beginnen. Die Vorbereitungen dafür laufen schon länger, daher sehe sie das nicht problematisch. Auch Sven Benz, Konrektor der Johann-Peter-Hebel-Gemeinschaftsschule Bretten, sieht seine Schüler und Lehrer gerüstet für die Schließung: "Die Kinder wurden am Montag mit Lernpaketen für drei Wochen ausgestattet. Die Lehrer haben ihnen dabei alles genau erklärt, auch wo man sich Hilfe holen kann." Diese könne zum Beispiel über Erklärvideos auf Youtube erfolgen. Zudem seien die Lehrer über Mail ansprechbar. "Wir haben alles getan, dass Kinder der Klassen eins bis zehn die drei Wochen gut rumbekommen."

Prüfungen nach den Osterferien sollen stattfinden

Das sieht auch Barbara Sellin, Leiterin der Beruflichen Schulen Bretten, so. "Unsere 1.950 Schüler, werden über ein Messenger-System von Lehrkräften mit Material versorgt. Falls der Messenger überlastet ist, läuft es auch über E-Mail." Anfragen von Schülern, ob Lerngruppen außerhalb der Schule möglich wären, "haben wir entschieden verneint und den Schülern auch zu verstehen gegeben, dass die unterrichtsfreie Zeit möglichst kontaktarm gehalten werden muss." Ansonsten gehe sie davon aus, "dass alle Prüfungen, die nach den Osterferien geplant sind, stattfinden", so Sellin. swiz

Alle Infos rund um die Corona-Krise lesen Sie auch auf unserer Themenseite Corona unter kraichgau.news/tag/coronavirus.

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Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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