26-Jähriger aus Bretten machte sich auf den Weg ins Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz
"Ich glaube es gibt wenig Sinnvolleres"

Den Zustand seiner Arbeitskleidung dokumentierte der freiwillige Helfer aus Bretten bei einer Pause.  | Foto: privat
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  • Den Zustand seiner Arbeitskleidung dokumentierte der freiwillige Helfer aus Bretten bei einer Pause.
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Bretten (bea) Ein Helfer in der Not ist wichtig. Das dachte sich Maximilian Melter aus Bretten, als er die Fernsehbilder von der Hochwasserkatastrophe entlang der Ahr in Rheinland-Pfalz sah. Daher entschied er sich dazu, als freiwilliger Helfer in das betroffene Gebiet zu fahren und beim Aufräumen den Menschen vor Ort zu helfen. Er selbst möchte jedoch nicht im Vordergrund stehen. Daher soll sein Name in diesem Artikel auch nur ein einziges Mal erwähnt werden. Im Vordergrund soll die Hilfe stehen, die bei den Menschen vor Ort ankommt, sagt der 26-Jährige. So möchte er noch Unentschlossene dazu ermutigen, ihre Arbeitskraft im Überschwemmungsgebiet anzubieten, denn er ist davon überzeugt, dass die Bewohner dort auch in den kommenden Wochen noch dringend Hilfe benötigen werden.

Menschen vor Ort "waren froh über Hilfe"

Von seiner Fahrt in das Hochwassergebiet hätten nur wenige Freunde gewusst, erzählt der Brettener. Zwar habe er gefragt, ob noch weitere Menschen aus der Region mit ihm fahren wollten, doch niemanden gefunden. Daher packte der Student Essen und Wasserflaschen in sein Auto, dazu Schlafsack, Schaufel und weitere Utensilien wie Besen, Spaten und Kleidung und fuhr alleine los. "Ich dachte mir, dass das Schlimmste was passieren könnte sei, von der Polizei angehalten und zurückgeschickt zu werden." Doch das passierte nicht. Ganz im Gegenteil, die Menschen vor Ort seien sehr froh gewesen über die jeden Tag größer werdende Anzahl von Helfern, die angepackt hätten, sagt er.

Schlamm stand 50 Zentimeter hoch  

So auch an seiner ersten Station in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Auf dem Weg in die Innenstadt sei der Brettener am Haus einer älteren Frau vorbeigekommen. Diese war gerade in ihrem Vorgarten beschäftigt, sagt der 26-Jährige. Als er sie darauf angesprochen habe, ob sie Hilfe benötige, habe sie ihn ins Haus geführt, in dem er vier weitere Helfer vorfand. Diese hatten bereits damit angefangen, die Küche mit Schaufeln und Schubkarren vom rund 50 Zentimeter hoch stehenden Schlamm zu befreien. Im Laufe des Tages seien weitere Helfer dazugekommen. "Dort gab es auch unglaublich freundliche Menschen, die den Helfern einen Schlafplatz, Essen und Strom zum Aufladen des Handys angeboten haben." Am Abend habe er sich dann noch ein wenig in Ahrweiler umgesehen, erzählt der Brettener. Dabei sei ihm erst so richtig bewusst geworden, welche gigantischen Ausmaße die Zerstörung hat.

Heizöl und Fäkalien

An seinem ersten Tag habe er viele Sirenen und Hubschrauber gehört, habe Fahrzeuge von Feuerwehr, dem Deutschen Roten Kreuz, vom Technischen Hilfswerk und der Bundeswehr gesehen. So sei auch er, der eigentlich neben seinem Auto schlafen wollte, auf dem Rückweg vom DRK abgefangen und zur Feuerwehrstation mitgenommen worden. Dort sollte er sich unter der Dusche vom mit Heizöl und Fäkalien kontaminierten Schlamm befreien. Zurück am Auto habe er im Internet dann doch noch einen freien Platz in einem Feldbettenlager im Nachbarort gefunden. "Am Ende war ich sehr froh, dass ich dort schlafen konnte."

"Kleidungsstücke waren mehr als genug da"

Am zweiten Tag half der Student in Dernau. Der Ort sei einen Tag zuvor freigeräumt worden, damit Fahrzeuge überhaupt in den Ort gelangen konnten. "Der Anblick war noch schlimmer als der am ersten Tag." Denn dort sei das Hochwasser bis zur Oberkante des ersten Obergeschosses der Häuser gestanden. Auch seien die dort verlaufenden Schienen nicht mehr in ihrem Gleisbett gelegen, Müllberge aus Autos hätten sich entlang der Hauptstraße getürmt. Etwas zu essen habe es nur bei der Kirche gegeben. Zudem seien die Temperaturen hoch und alle Hilfskräfte und Bewohner entsprechend erschöpft gewesen. Darüber hinaus hatte der Brettener seinen Autoschlüssel verloren, weshalb er nach dem Duschen auf Spendenkleidung zurückgreifen musste. "Kleidungsstücke waren mehr als genug da."

"Schön, auch mal Bodenfliesen zu sehen"

Am dritten Tag half der Student dann in weiteren Häusern und erinnert sich: "Es war schön auch mal die Bodenfliesen in einem Keller zu sehen." Am Abend habe er dann aber gemerkt, wie müde und gereizt er inzwischen geworden sei. "So langsam ging mir die Arbeit an die Substanz." So habe er am Morgen so lange geschlafen, dass er sein Shuttle verpasst habe. Daher sei er mit seinem Auto alleine auf Tour gegangen – den Schlüssel hatte er inzwischen wiedergefunden – und habe immer mehr freiwillige Helfer in den Gemeinden arbeiten sehen. In Altenahr und Altenburg habe er dann eine sehr große Zerstörung vorgefunden. Viele Gebäude seien als einsturzgefährdet markiert gewesen oder wurden bereits abgerissen. In Altenburg habe das Wasser bis in den Dachgiebel gestanden. "Die Zerstörung in dem Ort war nochmal auf einem anderen Level." So sei eine Bahnbrücke gegen eine ehemalige Fußgängerbrücke geschwemmt worden. Ein Auto sei im Fluss unter Schutt vergraben gewesen, lediglich das Hinterrad habe herausgeschaut.

Menschen wirkten kraftlos

Am vierten Tag habe er dann vor allem bemerkt, wie kraftlos die Menschen vor Ort waren. Neben einem Haus, das er am Freitag mit anderen ausgeräumt habe, sei eine Frau gesessen, die wohl aufgrund ihrer Erschöpfung und der hohen Temperaturen nicht mehr aufstehen konnte, sagt der Brettener. Daher habe er mit weiteren Helfern eine Plane geholt, um der Frau Schatten zu spenden, bis die Sanitäter kamen. An diesem für ihn letzten Tag als Helfer, war er im Übrigen froh über den Zettel mit seiner Handynummer, den er in seinem Auto angebracht hatte. Auch die Aufschrift „Kein Schrottfahrzeug“ habe er in den am Fenster haftenden Staub auf seiner Rückscheibe geschrieben. Denn dort sei jedes Fahrzeug, dass halbwegs im Weg stand, auf einen Schrotthaufen gefahren worden.

"Ich habe nur versucht meinen Teil beizutragen"

"Ich habe nur versucht meinen Teil beizutragen", resümiert der 26-Jährige zurückblickend. Dennoch müsse jeder freiwillige Helfer wissen, worauf er sich einlasse, bevor er in das Gebiet gehe. Der Brettener selbst habe sich die Ausmaße nicht so gravierend vorgestellt, sagt er. Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr habe er unterschiedliche Einsatzerfahrung sammeln können und schon so einiges gesehen und erlebt. "Ich dachte, ich bin darauf vorbereitet, doch darauf vorbereiten kann sich niemand." Seine ersten Eindrücke seien für ihn ganz anders gewesen als auf den Fernsehbildern. "Es war schockierend." Ein Bundeswehr-Angehöriger habe im Gespräch zu ihm gesagt, dass es in einigen Orten im Katastrophengebiet schlimmer ausgesehen habe, als in manchen Kriegsgebieten, die er bereits gesehen habe.

Die ersten Tage nachdem er wieder zu Hause war, seien für ihn schwer gewesen. Doch er habe das Glück gehabt, wieder aus dem zerstörten Gebiet wegfahren zu können. Allerdings habe er dies an seinem letzten Tag nicht als Glück empfunden, sondern habe lieber weiterhelfen wollen. "Ich habe mir fest vorgenommen, in wenigen Wochen nochmal dort hinzufahren." Aber nicht nur, um mit anzupacken, sondern auch um die Fortschritte vor Ort zu sehen. So möchte er das Erlebte auch verarbeiten. Letztendlich ist der Brettener froh, dass er an die Ahr gefahren ist, um zu helfen. "Ich glaube, es gibt wenig Sinnvolleres."

Den Erfahrungsbericht eines Brettener Feuerwehrmannes von seinem Einsatz im Hochwassergebiet lesen Sie hier.

Den Zustand seiner Arbeitskleidung dokumentierte der freiwillige Helfer aus Bretten bei einer Pause.  | Foto: privat
Der 26-Jährige half im Hochwassergebiet entlang der Ahr in Rheinland-Pfalz. | Foto: privat
Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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