Interview mit Professor Jörg Martin
"Krankenhäuser leiden an Post-Corona"

Professor Dr. Jörg Martin, der Geschäftsführer der RKH Kliniken. Foto: RKH Gesundheit
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  • hochgeladen von Kathrin Kuna

Bretten/Bruchsal (kuna) Die Kliniken der Regionale Kliniken Holding (RKH), zu denen auch die Rechbergklinik Bretten und die Fürst-Stirum-Klinik in Bruchsal gehören, haben in einer Pressemitteilung jüngst eine Finanzhilfe von Bund und Land gefordert (wir berichteten). Professor Dr. Jörg Martin, Geschäftsführer der RKH Kliniken, verwies darin auf zahlreiche Entwicklungen, die die Kliniken in eine angespannte finanzielle Lage führen würden, darunter die allgemeinen Preissteigerungen, die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und eine zunehmende Ambulantisierung. Im Interview mit der Brettener Woche/kraichgau.news erklärt Martin die aktuelle Lage der RKH-Häuser und deren Herausforderungen.

Welche Versäumnisse sehen Sie in der Politik, was die Finanzierung von Kliniken betrifft und was sind Ihre konkreten Forderungen an Bund und Land?
Es war vorherzusehen, dass die Kliniken nach der Corona-Krise nicht mehr die Fallzahlen erreichen, die vor der Pandemie behandelt wurden. Aber auch dem Personalmangel, der von allen Experten vorausgesagt wurde, wurde nicht rechtzeitig entgegengewirkt,beispielsweise durch ein Einwanderungsgesetz. Die Krankenhäuser leiden derzeit an einer "Post-Corona-Erkrankung". Das hat die Landesregierung für die vier Universitätskliniken erkannt und insgesamt 141 Millionen Euro an Hilfen zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle ist nun auch der Bund gefordert, um alle Krankenhäuser finanziell zu unterstützen. Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn hat am Beginn der Corona-Pandemie postuliert, dass keine Klinik nach der Krise schlechter gestellt sein würde als davor. Es geht also nur darum, ein öffentliches Versprechen einzulösen.

Wie hat sich die Lage in der Brettener Rechbergklinik durch die Pandemie verändert?
Drei Jahre Pandemie gehen an einer Klinik und ihren Beschäftigten, so auch in Bretten, nicht spurlos vorbei. Wir haben insbesondere darunter zu leiden, dass die hohe Belastung und Erkrankung des Personals nachwirken und dazu geführt haben, dass einige Beschäftigte ihre Tätigkeit in der Klinik ganz aufgegeben oder zumindest den Umfang ihrer Beschäftigung reduziert haben. Unabhängig von der Pandemie stellen wir aber auch eine hohe Dynamik in der Ambulantisierung fest, eine Entwicklung weg von der stationären Behandlung hin zur ambulanten Versorgung. Die Zahl der stationären Patienten ist um rund 15 Prozent zurückgegangen. Doch der rasanten Entwicklung dieser Umstellung von stationären zu ambulanten Prozessen hängt die Klinik noch hinterher. Hinzu kommt, dass auch die Optimierung der Zusammenarbeit der stationär tätigen Kliniken und der ambulant tätigen niedergelassenen Ärzten hinterherhinkt. Diese Sektoren sind in Deutschland momentan noch strikt getrennt.

Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel für die Klinik in Bretten?
Aktuell sind in Deutschland über alle Branchen hinweg zwei Millionen Stellen unbesetzt, allein im Gesundheitswesen sind es rund 300.000. Das wird sich in den kommenden Jahren verschärfen, da jedes Jahr mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als junge Menschen ins Erwerbsleben eintreten. Noch gelingt es, in der Rechbergklinik Bretten fast alle Stellen zu besetzen. Das liegt an dem guten Ruf der RKH Kliniken des Landkreises Karlsruhe, aber auch an den zahlreichen Mitarbeitervorteilen, die die Kliniken der RKH Gesundheit ihren Beschäftigten bieten. Doch in Zukunft wird auch die Klinik in Bretten in wachsendem Maße von dem allgemeinen Fachkräftemangel betroffen sein.

Haben Patienten in Bretten angesichts der schwierigen finanziellen Lage Einschränkungen zu befürchten?
Nein, die Patienten in Bretten haben, genauso wie alle Patienten der RKH Kliniken des Landkreises Karlsruhe, mit keinen Einschränkungen zu rechnen.

Welche Folgen sind zu befürchten, falls es keine Finanzhilfen für die Kliniken geben sollte?
Mehr als drei Viertel aller Kliniken in Deutschland rechnen mit einem steigenden und mitunter sehr hohen Defizit. Ein großer Teil dieser Kliniken ist in kommunaler Hand. Die Kommunen haben neben wachsenden Ausgaben, beispielsweise durch die Preissteigerungen, Tariflohnsteigerungen, Energiekosten, Kosten für die Unterkunft und Betreuung von Flüchtlingen oder Sanierungen von Infrastruktur dann auch ein wachsendes Defizit von den Kliniken zu tragen. Das kann dazu führen, dass vor allem die kleineren Kliniken von ihrem Träger geschlossen werden. Die RKH Kliniken des Landkreises stehen aber momentan zum Glück finanziell sehr gut da.

Im Hinblick auf die Fallpauschalen gibt es die Kritik, dass Kliniken dazu angehalten werden, möglichst viel Gewinn zu machen. Wie stehen Sie zu dieser Kritik? Denken Sie, dass den Kliniken mit einer einmaligen Finanzhilfe geholfen ist oder braucht es vielmehr eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems?
Ich kann nicht für andere Kliniken sprechen. Die Kliniken der RKH Gesundheit behandeln Patienten nur dann stationär, wenn das auch notwendig ist. In Anbetracht der steigenden Kosten kann man durch die Fallpauschalen keine Gewinne machen.
Die aktuell schlechten Rahmenbedingungen und die hohen Kosten machen eine sofortige Finanzhilfe notwendig. Die Kliniken können nicht warten, bis eine grundlegende, ausgereifte Reform des Gesundheitswesens steht, umgesetzt wurde und zu spürbaren Effekten geführt hat. Das wird noch Jahre dauern.

Die Fragen stellte Redaktionsvolontärin Kathrin Kuna.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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