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Expert*Innen informierten zu: Grippesaison 2023
Schutzimpfung gegen bakterielle Lungenentzündungen und schwere Krankheitsverläufe

Grippesaison ist Pneumokokkensaison. | Foto: shutterstock.com
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„Wem eine Grippeimpfung empfohlen wird, sollte sich in der Regel auch gegen Pneumokokken impfen lassen“

Mit zunehmend kühleren Temperaturen steigt die Zahl der Atemwegserkrankungen – darauf ist Verlass. Doch wer dabei nur an eine Erkältung oder die Grippe denkt, greift zu kurz. Auch bakterielle Infektionen der Atemwege durch Pneumokokken haben ab Herbst Hochsaison. Sie stellen sowohl für alle Menschen über 60 eine Gefahr dar als auch für Menschen, deren Immunabwehr eingeschränkt ist. Entsprechende Empfehlungen der Ständigen Impfkommission legen diesen Personengruppen deshalb eine Impfung nahe. Rechtzeitig zu Beginn der Grippesaison informierten Fachärztinnen und -ärzte über das Risiko einer bakteriellen Atemwegsinfektion und beantworteten Fragen rund um die Pneumokokken-Schutzimpfung. Hier die wichtigsten Antworten zum Nachlesen:

Wie ist der Ansteckungsweg bei einer Pneumokokkeninfektion?
Dr. med. Ulrich Enzel: Wie viele andere Erreger, die den Menschen krank machen, werden Pneumokokken-Bakterien durch Tröpfcheninfektion übertragen, zum Beispiel beim Sprechen, Husten, Niesen oder Singen. Pneumokokken sind jedoch besonders gefährliche Bakterien: Sie haben sich im Laufe ihrer Entwicklung eine raffiniert konstruierte Kapsel zugelegt, die es unserer Abwehr erschwert, sie zu erkennen und zu vernichten. Daher tragen auch viele Gesunde, am stärksten nicht korrekt geimpfte Kinder während der ersten fünf Lebensjahre, Pneumokokken im Nasen-Rachenraum. Sie sind damit – ohne selbst Symptome zu haben – eine potenzielle Ansteckungsquelle für andere Menschen.

Was macht eine Pneumokokken-Infektion so gefährlich?
Dr. med. Franziska Wiesent: Sie kann vor allem dann gefährlich werden, wenn sie auf ein geschwächtes Immunsystem oder vorgeschädigte Atemwege trifft. Dann können sich die Pneumokokken-Bakterien ungehindert über den Nasen-Rachenraum hinaus ausbreiten und verschiedene schwere Erkrankungen verursachen, darunter Lungenentzündungen, Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen. Ein geschwächtes Immunsystem kann Folge des Alters, einer Erkrankung oder einer Therapie mit Medikamenten sein, die in das Immunsystem eingreifen.

Wie kann eine Pneumokokken-Infektion behandelt werden?
Prof. Dr. med. Roland Hardt: Als eine durch Bakterien verursachte Erkrankung muss sie in der Regel durch Antibiotika behandelt werden. Bei der ambulant erworbenen Lungenentzündung durch Pneumokokken ist meist eine Therapie mit einem Standardantibiotikum ausreichend. Bei schwereren Verläufen oder im Krankenhaus erworbenen Infektionen handelt es sich in der Regel um eine komplizierte Infektion, die teilweise durch Erreger verursacht wird, die bereits Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika ausgebildet haben. Entscheidend ist hier die möglichst frühzeitige mikrobiologische Diagnostik, um den Erreger genau zu identifizieren und ein wirksames Antibiotikum für eine gezielte Behandlung auszutesten. Da gerade alte Menschen häufig von schwereren Verläufen oder komplizierten Infektionen betroffen sind, ist gerade für diese Personengruppe die Vorsorge durch die empfohlene Pneumokokkenimpfung von herausragender Bedeutung.

Warum nimmt die Zahl der Pneumokokken-Erkrankungen ab Herbst zu?
Dr. med. Ulrich Enzel: Es sind unterschiedliche, sich gegenseitig unterstützende Ursachen, die zu einem massiven Anstieg der Pneumokokken-Erkrankungen in jedem Herbst und Winter führen. Zum einen halten wir uns mehr in Innenräumen auf, oftmals mit engem Kontakt zu anderen Menschen. Zum anderen sind unsere Schleimhäute sowohl in kalter Außenluft wie in trockener Heizungsluft weniger gut durchblutet, was unser Immunsystem schwächt. Und nicht zuletzt ist unsere Immunabwehr in der kalten Jahreszeit ohnehin durch den Kontakt mit vielen weiteren Viren und Bakterien gefordert – manchmal auch überfordert.

Welche Grunderkrankungen führen zu einer Schwächung des Immunsystems?
Dr. med. Bettina Schraut: Die Medizin unterscheidet zwischen der – eher selten auftretenden – angeborenen und der erworbenen Immunschwäche. Zu der zweiten Gruppe zählen zum Beispiel bestimmte Krebserkrankungen, HIV, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn sowie andere systemisch-entzündliche Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, aber auch Krankheiten des Nervensystems, zum Beispiel die Multiple Sklerose (MS). Auch Erkrankungen der Nieren und der Leber können eine Immundefizienz verursachen.

Ich bin Mitte 50 und nehme wegen einer rheumatischen Erkrankung immunmodulierende Medikamente ein. Gilt die Impfempfehlung auch in diesem Fall?
Dr. med. Sven Dubbert: Ja – bei vielen Menschen ist die Schwächung des Immunsystems auf die Therapie einer Erkrankung zurückzuführen. Das gilt auch für rheumatische Erkrankungen. Die Medikamente greifen gezielt in das Immunsystem ein mit dem Nebeneffekt, dass die Patientinnen und Patienten ein erhöhtes Risiko für Infektionskrankheiten und einen schwereren Krankheitsverlauf aufweisen. Dazu zählen neben Pneumokokken auch Grippe, COVID 19 und Gürtelrose. Immunmodulierende Medikamente werden zum Beispiel auch bei MS oder im Zusammenhang mit Organtransplantationen eingesetzt – und sie gewinnen in immer mehr Anwendungsbereichen an Bedeutung hinzu.

Worauf müssen Menschen achten, die sich einer Krebstherapie unterziehen?
Prof. Dr. med. Roland Hardt: Zu den unerwünschten Nebenwirkungen einer Krebstherapie mit Zytostatika gehört leider auch die Beeinträchtigung des Immunsystems mit der Folge einer erhöhten Infektanfälligkeit. Vor dem Beginn einer geplanten Chemotherapie wird daher in der Regel die rechtzeitige Durchführung verschiedener Standardimpfungen empfohlen, darunter die Pneumokokkenimpfung. Darüber hinaus sollten sich die Betroffenen aber auch durch ihr Verhalten so weit wie möglich vor Infektionen schützen, zum Beispiel durch Vermeiden von Durchnässung, das Tragen warmer und trockener Kleidung, die Vermeidung von engen Kontakten in größeren Menschenansammlungen und – falls erforderlich – die Verwendung einer Atemschutzmaske.

Ich bin vor kurzem 60 geworden, treibe regelmäßig Sport und bin kerngesund. Warum sollte ich mich impfen lassen?
Dr. med. Franziska Wiesent: Auch das Immunsystem altert. Dieser Immunoseneszenz genannte, fortschreitende Prozess führt zu einer verminderten Funktion der verschiedenen Komponenten des Immunsystems. Eine verminderte Immunabwehr führt auch bei gesunden älteren Menschen zu einer vermehrten Anfälligkeit für Infektionen, die oft auch schwerer verlaufen. Die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gilt daher für alle Menschen ab 60 Jahren.

Sollten alle, die sich gegen die Grippe impfen lassen, auch eine Pneumokokken-Impfung in Betracht ziehen?
Dr. med. Sven Dubbert: Die aktuellen Impfempfehlungen der STIKO nennen als Standardimpfungen für Menschen über 60 die Impfungen gegen Grippe, Pneumokokken und COVID 19. Das Robert Koch-Institut weist zudem darauf hin, dass es im Rahmen von Grippe-Erkrankungen gehäuft zu Sekundärinfektionen mit Pneumokokken kommen kann. Insofern macht ein Schutz gegen beide Erreger durchaus Sinn. Allerdings sollte die Grippe-Impfung – anders als die Pneumokokken-Impfung – jährlich wiederholt werden, da der Impfstoff den jeweils zirkulierenden Grippeviren angepasst wird.

Können Grippe- und Pneumokokkenimpfung gleichzeitig erfolgen?
Dr. med. Sven Dubbert: Es ist grundsätzlich möglich, gleichzeitig gegen Pneumokokken, Grippe und Corona und zu impfen. Bei Patienten, die mit immunmodulierenden Medikamenten behandelt werden, empfehle ich jedoch, das Thema mit dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin zu besprechen.

Gibt es – ähnlich wie bei der Impfung gegen das Corona-Virus – verschiedene Impfstoffe?
Dr. med. Ulrich Enzel: Es gibt zwei völlig unterschiedliche Impfstoff-Typen: Polysaccharidimpfstoff und Konjugatimpfstoff. Ersterer kann nur Menschen jenseits des Kleinkindesalters vor schweren Verläufen von Pneumokokken-Infektionen schützen. Konjugatimpfstoff hingegen schützt ab dem Säuglingsalter nicht allein den Impfling selbst. Er kann auch ein „gesundes“ Keimträgertum verhindern und dadurch die Gefahr verringern, andere Menschen mit Pneumokokken anzustecken. Zudem unterscheiden sich die Impfstoffe in der Zahl der einzelnen Pneumokokken-Typen, gegen die ein Schutz induziert wird. Ende September erst hat die STIKO ihre Empfehlung zur Pneumokokken-Impfung grundsätzlich geändert und rät, künftig bei allen über 18-Jährigen ausschließlich den Konjugatimpfstoff zu verwenden, der gegen 20 unterschiedliche Typen schützt.

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Impfung?
Dr. med. Bettina Schraut: Es tritt zwar eine Häufung von Pneumokokken-Erkrankungen im Herbst und Winter auf, aber grundsätzlich haben Pneumokokken-Bakterien – anders als Grippeviren – immer Saison. Die Impfung gegen Pneumokokken ist jederzeit während des gesamten Jahres möglich. Ausnahme: Während eines schweren Infekts oder einer Therapie, die das Immunsystem unterdrückt, sollte nicht geimpft werden.

Muss die Impfung nach einer Zeit aufgefrischt werden?
Dr. med. Franziska Wiesent: Bisher wurden gesunde Menschen einmal geimpft, Menschen mit Vorerkrankungen erhielten zwei verschiedene Impfstoffe gegen Pneumokokken. Inzwischen ist ein gut wirksamer Impfstoff verfügbar, der 20 Pneumokokken-Typen abdeckt und einen langfristigen Schutz bietet. Dieser muss nach der neuesten Empfehlung der Ständigen Impfkommission deshalb nur einmalig gegeben werden.

Kann ich mich auch anderweitig schützen, zum Beispiel durch eine gesunde Ernährung?
Prof. Dr. med. Roland Hardt: Gerade für alte Menschen ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung zur Gesunderhaltung außerordentlich wichtig. Neben einer genügenden Kalorienzufuhr zählt dazu eine ausreichende Versorgung mit Eiweiß, gesunden Kohlenhydraten und Fetten in einem ausgewogenen Verhältnis sowie der regelmäßige Verzehr von frischem Obst und Gemüse. Eine regelmäßige Zufuhr von vielfach empfohlenen Multivitaminpräparaten ist allerdings weder hilfreich noch sinnvoll. Nur wenn ein Mangel an Vitamin D, B-Vitaminen oder Folsäure nachgewiesen wurde, ist eine gezielte Substitution angezeigt. Die Impfempfehlung für Pneumokokken gilt jedoch unabhängig von solchen allgemein gesundheitsfördernden Maßnahmen.

Die Fragen am Lesertelefon beantworteten:
• Dr. med. Sven Dubbert; Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Sportmedizin; Rheumatologie Twistringen
• Dr. med. Ulrich Enzel; Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Zusatzbezeichnung Allergologie, Autor von Fachpublikationen zum Thema Prävention u.a. im Bereich Impfwesen, Heilbronn
• Prof. Dr. med. Roland Hardt; Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Schwerpunkt Geriatrie, internistische Intensivmedizin, Physikalische Therapie; Leiter der Abteilung für Geriatrie, Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
• Dr. med. Bettina Schraut; Fachärztin für Innere Medizin, Notfallmedizin, Diabetologin DDG, Aschheim
• Dr. med. Franziska Wiesent; Fachärztin für Innere Medizin, Schwerpunkt Rheumatologie, Zusatzbezeichnung Akupunktur, Endokrinologikum München

Pneumokokken-Impfung: STIKO aktualisiert Empfehlungen

Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut hat ihre Empfehlungen zur Impfung gegen Pneumokokken kürzlich aktualisiert. Die Empfehlungen wurden in der Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins vom 28. September veröffentlicht:

• Allen Personen über 60 Jahren empfiehlt die STIKO eine einmalige Impfung gegen Pneumokokken mit einem sogenannten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff, der gegen 20 Varianten des Pneumokokken-Bakteriums schützen kann.
• Personen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Pneumokokken-Erkrankungen aufweisen, wird die gleiche Impfung ab dem 18. Lebensjahr empfohlen. Zu den Risikofaktoren zählen unter anderem angeborene oder erworbene Immundefekte sowie bestimmte chronische Krankheiten wie z. B. Asthma, COPD oder Diabetes.
• Personen, die aus arbeitsmedizinischer Sicht eine Pneumokokken-Impfung erhalten sollten, wird ebenfalls die einmalige Impfung mit dem Konjugatimpfstoff empfohlen.

Quelle: Epidemiologisches Bulletin 39/2023 vom 28. September 2023: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2023/Ausgaben/39_23.pdf?__blob=publicationFile Seitenabruf vom 29.09.2023

Autor:

Kraichgau News Ratgeber aus Bretten

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