Historiker: Flutgefahr ist an kleinen Bächen am größten

Der Historiker Thomas Adam sprach in Gondelsheim über die Gefahren von Naturkatastrophen in Baden-Württemberg und den Umgang der Menschen damit. Foto: ch
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  • Der Historiker Thomas Adam sprach in Gondelsheim über die Gefahren von Naturkatastrophen in Baden-Württemberg und den Umgang der Menschen damit. Foto: ch
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(ch) Im weltweiten Vergleich leben die Baden-Württemberger hinsichtlich Naturkatastrophen noch auf einer Insel der Seligen, aber innerhalb Deutschlands sind sie am meisten gefährdet. Zu dieser Schlussfolgerung kam der Historiker Thomas Adam am vergangenen 27. Mai in Gondelsheim bei einem Vortrag anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Buchs „Feuer, Fluten, Hagelwetter – Naturkatastrophen in Baden-Württemberg“.

Vor knapp 30 Besuchern in den Gondelsheimer Schlosstuben ließ der Autor zahlreicher regionalgeschichtlicher Bücher und Artikel, der zugleich Kulturamtsleiter in Bruchsal ist, auf Einladung des örtlichen Heimat- und Kulturvereins Erdbeben, Großbrände, Tornados, Hagelschläge, Erdrutsche, Felsstürze und Lawinen sowie Hochwasserereignisse im Ländle während der letzten tausend Jahre Revue passieren.

Menschen mangelt es an Erfahrung mit Bachhochwasser

Dabei kam der Kraichgau relativ glimpflich davon, abgesehen von den lange Zeit notorischen Dorf- und Stadtbränden, von denen fast keine Kommune verschont blieb, sowie immer wiederkehrenden Überschwemmungen. Was die Überflutungen angeht, zog Thomas Adam jedoch eine auf den ersten Blick für manche überraschende Bilanz: „Was ist über die Jahrhunderte hinweg die gefährlichste Katastrophe, die uns in Baden-Württemberg treffen kann?“ lautete seine rhetorische Frage an die Zuhörer. Antwort: „Die Hochwasser der harmlosen kleinen Bäche.“ Auf den Unteren Kraichgau bezogen, sind dies Bäche wie der Saalbach, der Kraichbach, der Katzbach oder der Walzbach. Der Grund für ihre besondere Gefährlichkeit: „Diese Hochwasser kommen alle Jahrhunderte mal vor, aber wenn sie vorkommen, wissen die Menschen nicht, was sie machen sollen.“

Kleine Bäche – große Zerstörungen

Als Beispiel für die zerstörerische Kraft solcher plötzlicher Bachhochwasser nannte Adam das Eyachtal im Nordschwarzwald, in dem eine Flutwelle nach einem lokalen Starkregen 1895 ganze Häuser mitriss und 40 Tote forderte. Glück im Unglück hatten dagegen die Gondelsheimer, als sich bei einem ähnlichen Ereignis 1940, ausgelöst durch einen Starkregen – heute würden wir sagen ein Superzellen-Gewitter - beim Bonartshäuser Hof, zwar auch eine Flutwelle, gefolgt von Schlammmassen durch den Ort wälzte, aber keine Opfer an Menschen und Vieh zu beklagen waren. Denn es geschah an einem Sonntag und alle waren zuhause. Allein acht Mal wurde Gondelsheim laut Adam im letzten Jahrhundert von größeren Überschwemmungen getroffen. Erst diesen Mai jährte sich zum 85. Mal das Hochwasser von 1931, bei dem auch Bruchsal und Bretten unter Wasser standen und in Bretten ein Landwirt starb bei dem Versuch, seine Tiere zu retten. Unerwähnt, jedoch gleichwohl im Raum mitschwingend, blieben die letzten Hochwasser der Jahre 2013 und 2015.

Ein völliger Schutz bleibt Wunschdenken

Auch auf den Umgang der betroffenen Menschen mit wiederholten schweren Naturkatastrophen ging der Redner am Rande ein. „Man hat immer einen Schuldigen gesucht“, so seine Erkenntnis. Waren dies in Zeiten verbreiteten Aberglaubens vor allem Randgruppen der Gesellschaft, die als Hexen verfolgt wurden, bekommen in neuerer Zeit verstärkt die kommunalpolitisch Verantwortlichen den Unmut der Bevölkerung zu spüren. Trotz aller bereits ergriffenen Schutzmaßnahmen: „Ein völliger Schutz vor den Naturgewalten bleibt freilich eine vergebliche menschliche Wunschvorstellung“, stellte der Historiker rückblickend bereits 2006 in seinem Geschichtsbuch über Gondelsheim fest. Seinen Vortrag beschloss er unter anderen mit den Worten: „Eine Restunsicherheit bleibt immer, damit müssen wir leben.“

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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