Windkraftpläne in Neulingen sorgen für Empörung
Anonymes Flugblatt kursiert / Maulbronner Bürgermeister bangt um UNESCO-Welterbe-Titel
Neulingen-Bauschlott (kuna) Verärgert wendet sich Silvia D. (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt) an die Brettener Woche. In ihrem Briefkasten in Ruit habe sie ein anonymes Flugblatt gefunden, das Stimmung gegen Windkraftpläne im Neulinger Ortsteil Bauschlott macht. „Helft mit, diesen Wahnsinn zu stoppen!“, heißt es darauf. Und: „Rettet unseren Wald.“ Auf einer Landkarte sind Standorte für fünf Windräder im Wald entlang der B294 zwischen Bauschlott und Bretten markiert. Der Verfasser ruft zur öffentlichen Beteiligung auf, die bis zum 15. März beim Regionalverband Nordschwarzwald möglich war.
Neulingen will bis zu fünf Windräder bauen
Tatsächlich gibt es Pläne für Windräder an den markierten Stellen, in den Bereichen „Hinterbach“ und „Alte Hau“, bestätigt der Neulinger Bürgermeister Michael Schmidt. Bereits vor zwei Jahren habe die Gemeinde dafür einen Nutzungsvertrag mit dem Projektierer Res Deutschland GmbH aus Vörstetten geschlossen. Bei dem Verfasser des Flugblattes müsse es sich also um jemanden mit Insiderwissen handeln, schlussfolgert er.
Bürger ärgern sich über Anonymität des Flugblattes
Bereits vor einigen Wochen kursierte das besagte Flugblatt in Neulingen und offenbar auch darüber hinaus. Bei der Gemeinde habe es deswegen viele Anrufe gegeben, so Schmidt. „Aber statt Empörung hervorzurufen – was vom Verfasser wohl eigentlich gewünscht war – haben sich die meisten nur gefragt, wer dahintersteckt.“ So geht es auch Silvia D., die sich über die Anonymität des Flugblattes ärgert.
Firma kam vor drei Jahren auf Gemeinde zu
Bezüglich der Windräder holt der Bürgermeister aus: Vor drei Jahren sei die Firma auf die Gemeinde zugekommen und habe den Bau von drei Windrädern vorgeschlagen. "Aber der Gemeinderat meinte: Wenn mehr möglich ist, dann nur zu – wenn die Fläche sowieso belastet wird“, erklärt Schmidt. So gebe es nun Pläne für bis zu fünf Windkraftanlagen.
"Der Wind ist da"
Bislang habe die Firma Res auch schon verschiedene Untersuchungen durchgeführt, darunter eine einjährige Lidar-Messung. Dabei seien mittels Laserstrahlen die Partikel in der Luft gemessen worden, woraus sich Schlüsse über die Windstärke in verschiedenen Höhen ziehen lassen, so der Rathauschef, der bekräftigt: „Der Wind ist da.“ Weiterhin habe es Artenschutzuntersuchungen gegeben, nun stünden noch geologische Proben aus. Der Bauantrag werde vermutlich in den nächsten Wochen eingehen, so Schmidt. Der Aufruf des Flugblattschreibers zur Öffentlichkeitsbeteiligung sei daher eigentlich nichtig, meint der Bürgermeister.
Neulingen kommt Regionalverband zuvor
Zwar haben die Regionalverbände in sämtlichen Kommunen derzeit sogenannte Suchräume ausgewiesen. Ziel ist es, dass in den jeweiligen Regionen insgesamt 1,8 Prozent der Fläche für Windkraft festgelegt wird. Auch Stellungnahmen der Öffentlichkeit sind dabei willkommen. In Neulingen sei die Situation aber anders, da bereits Verträge mit einer Firma unterschrieben sind. „Die politische Entscheidung ist schon vor zwei Jahren gefallen“, erklärt Schmidt.
Windräder als Pflicht, einen eigenen Beitrag zu leisten
Kritischen Aspekten der Windenergie verschließt sich der Neulinger Bürgermeister aber nicht. So moniert er vor allem das ungelöste Speicherproblem. „Wenn das Netz voll ist, werden die Windräder abgeschaltet – das ist ein Irrwitz, das sehe ich auch so“, meint er und bekräftigt dennoch: Blicke man auf die Fläche der Region Nordschwarzwald, an deren nördlicher Grenze Neulingen liegt, sei festzustellen, dass „der Norden rund 70 Prozent der Energie verbraucht – wegen dichter Besiedelung und Industrie – und im Gegenzug nichts zur Produktion beiträgt.“ Den Bau von Windrädern betrachtet Schmidt deshalb als Pflicht der Gemeinde, ihren Beitrag zu leisten.
Kritik aus Maulbronn: Sorge um UNESCO-Welterbe-Titel
Doch mit den Plänen stößt Neulingen nicht nur bei dem anonymen Flugblattschreiber auf Widerstand. Kritik kommt aktuell auch aus dem Maulbronner Rathaus. Der Bürgermeister der Klosterstadt und Ortsvorsteher von Ruit, Aaron Treut, sieht durch die möglichen Windräder in Neulingen den UNESCO-Welterbe-Titel des Maulbronner Klosters gefährdet. Immerhin zähle zu dem Zisterzienserkloster auch die umliegende Kulturlandschaft, die maßgeblich von den Mönchen geprägt wurde und die Versorgung des Klosters mit Wasser sicherstellen sollte. Laut Treut umfasst der Schutzraum der Klosteranlage einen Radius von 7,5 Kilometern.
Unterläuft Neulingen den Schutzradius des Klosters?
Dieser würde von den Windrädern in Bauschlott, die in direkter Sichtachse zur Klosterlandschaft liegen würden, unterlaufen werden. Während der Regionalverband Mittlerer Oberrhein, der geeignete Windkraftflächen für Bretten ausgewiesen hat, diesen Schutzraum berücksichtige, würde der Regionalverband Nordschwarzwald, der sowohl für Neulingen als auch für Maulbronn zuständig ist, aus Sicht von Treut "nicht ganz so gewissenhaft" vorgehen. Dennoch müsse dieser letztlich bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange – zu der auch das Landesdenkmalamt zählt – die Pläne in Neulingen ablehnen, ist Treut überzeugt.
Treut: Verträge in Neulingen "hinfällig und nichtig"
Das Landesdenkmalamt könne im Zweifel das Icomos einschalten, die Berater-Organisation der UNESCO. Er selbst als Bürgermeister habe keine direkten Einflussmöglichkeiten, erklärt Treut. „Man muss das ganz sachlich sehen“, erklärt der Maulbronner Rathauschef. Manche Kommunen könnten zur Windkraft eben weniger beitragen als andere, die im Gegenzug ihre Ziele übererfüllen müssten – damit am Ende die geforderten 1,8 Prozent der Regionsfläche für Windenergie erfüllt werden. Treut geht daher davon aus, dass die bereits unterschriebenen Verträge in Neulingen „hinfällig und nichtig“ sind.
Neulinger Bürgermeister blickt Diskussion gelassen entgegen
Der Neulinger Bürgermeister Michael Schmidt dagegen zeigt sich verwundert über die Diskussion. „Das muss man sich eben angucken“, meint er gelassen. Aus seiner Sicht sei das Panorama der Klosteranlage durch die Windräder in Neulingen nicht beeinträchtigt. Bei einer Konferenz im Februar, bei der auch das Landesdenkmalamt anwesend war, habe es zudem keine Einwände seitens der Behörde gegeben. Schmidt meint daher: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Probleme gibt."
Autor:Kathrin Kuna aus Bretten |
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