Widerstand gegen Windräder
„Kein Platz für gigantische Anlage“ auf dem Landskopf
Kraichtal (hk) Purpurreiher, Rotmilan und Wespenbussard: In Kraichtal sind viele besondere, und vor allem geschützte Vogelarten zu Hause. Durch die Windkraftpläne auf dem „Landskopf“, der Anhöhe zwischen den Kraichtaler Stadtteilen Menzingen, Gochsheim, Bahnbrücken und Münzesheim, würde der Bestand dieser Tiere bedroht werden. Dies ist eines der Argumente der Ortsgruppe Kraichtal des Vereins „Gegenwind Obergrombach-Helmsheim-Kraichgau“, die sich neuerdings gegründet hat.
„Absolut inakzeptabel für uns“
Anlass für die Gründung der Ortsgruppe war eine Informations-Veranstaltung des Initiativkreises Energie Kraichgau, die im Februar 2020 stattgefunden hat. Dort hatte der Investor, die Prokon Regenerative Energien eG, seine Pläne zum Bau von vier Windkraftanlagen vorgestellt. Auch Roland Heim, neben Joachim Cäsar, einer der Ansprechpartner für die Ortsgruppe war zu der Veranstaltungseinladung gefolgt. „Ich war natürlich erschrocken, wie weit die Pläne schon entwickelt waren, wie hoch die vier Windräder werden sollten und wie nahe an Menzingen sie platziert wären. Das war – nach der vorgestellten Planung – absolut inakzeptabel für uns“, erklärt der 55-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur. Deshalb sei der erste Schritt die Mitgliedschaft im Verein „Gegenwind Obergrombach-Helmsheim-Kraichgau“, gewesen, um „in einer erfahrenen Gemeinschaft gegen dieses Projekt vorzugehen.“
"Viel zu wenig betroffene Mitbürger wissen über Vorhaben Bescheid“
Im zweiten Schritt haben Heim und Cäsar die Bürgerinitiative in Menzingen ins Leben gerufen. "Wir mussten leider feststellen, dass viel zu wenig betroffene Mitbürgerinnen und Mitbürger über das Vorhaben Bescheid wissen“, begründet Heim das Vorgehen. Mit einer Nabenhöhe von 161 Metern und einem Rotordurchmesser von etwa 160 Metern würden die Windräder, laut Ortsgruppe, zu den höchsten Anlagen in Deutschland gehören. Hierzu erscheine der Menzinger Kirchturm im Vergleich, der gerade mal 52 Meter misst, winzig. „Sie müssen sich vorstellen: Der Stuttgarter Fernsehturm ist gerade mal 217 Meter hoch und extrem weit sichtbar. Die geplanten Anlagen wären sogar 30 Meter höher“, verdeutlicht Heim die Ausmaße der Windkraftanlage.
Weitere Artenschutz-Untersuchungen in Auftrag gegeben
Als Ortsgruppe wolle man verhindern, dass die „vier Windräder in Kraichtal als Industrieanlagen die Bevölkerung, Natur und Landschaft langanhaltend negativ beeinflussen“, so Heim. Die Gefahren seien längst bekannt: Gesundheitliche Beeinflussung durch Rotationslärm, Infraschall, Schlagschatten und nächtliches Blinken, optische Beeinträchtigung der Landschaft, starke Reduktion des Immobilienwertes in der Umgebung, Risiken bei Verpachtung und Rückbau und vieles mehr. „Wir sind sicher: Die massiven Dimensionen und Auswirkungen der riesigen Windräder können heute die wenigsten Mitbürgerinnen und Mitbürger richtig einschätzen“, ist Heim der Meinung. Man hoffe, dass insbesondere der Gemeinderat in Kraichtal erkenne, dass „in der dicht besiedelten und windschwachen Gemarkung Kraichtal beziehungsweise im Flächennutzungsplan, der in Arbeit ist, solche gigantischen Anlagen schlichtweg keinen Platz haben.“ Die Gemeinde Kraichtal sei sich aber „zum Glück“ ihrer Verantwortung bewusst und habe weitere Artenschutz-Untersuchungen in Zusammenhang mit der Standortplanung in Auftrag gegeben.
Skepsis unter einigen Gemeinderäten
„Zweifelsohne immens“ sei laut Heim der Druck auf Gemeinderäte bzw. Bürgermeister als Entscheider und auch auf die Kommune. Von der Bundesregierung beginnend über die Landesregierung und dem Regionalverband würden massive Forderungen auf ausgewiesene Gebiete für die Windkraftnutzung an die Gemeinden weitergereicht. „Und damit die Verantwortung übergeben“, ergänzt Heim. Auf der anderen Seite würde „von unten“ der Druck der gefährdeten Bevölkerung kommen. „Wir sind sicher, dass durch unsere Arbeit die Gemeinderäte so weit informiert und sensibilisiert werden, dass sie einer Ausweisung von sogenannten Konzentrationsflächen nicht guten Gewissens zustimmen können und werden. Denn ihre Aufgabe ist nicht zuletzt auch, Schaden von der Kommune, den Bürgern und der Natur fernzuhalten“, betont Heim. Von einigen Gemeinderäten habe man schon das Signal erhalten, dass sie der Windradplanung in Kraichtal äußerst skeptisch gegenüberstehen. „Das stimmt uns positiv“, sagt Heim zuversichtlich.
"Ich bewundere und schätze das Engagement der jungen Menschen"
Auf der sozialen Online-Plattform „Twitter“ sprach sich „Fridays for Future Germany“ für den Ausbau der Windenergie aus. Windkraftprojekte scheinen also auch wegen der aktuellen „Fridays for Future“-Bewegung vor allem unter jüngeren Bürgern wieder populär zu sein. Auf die Frage, wie er diese Entwicklung einschätzt, antwortet Heim: "Ich bewundere und schätze das Engagement der jungen Menschen in Zusammenhang mit der Klimaveränderung. Es ist schließlich ihre Zukunft. Ich selbst habe zwei Kinder." Doch er gebe auch zu bedenken, ob CO2-Reduzierung automatisch „mehr Windräder“ bedeuten muss, die dann das zerstören, was sie eigentlich schützen sollen, nämlich die Natur. Der Anteil der gesamten energiebedingten Emissionen in Deutschland habe sich in den letzten Jahren so gut wie nicht verändert und das trotz circa 30.000 Windrädern in Deutschland. "In den letzten zehn Jahren wurden aber rund 1.400 Hektar Wald für den Bau von Windkraftanlagen gerodet. Das entspricht einer Fläche von etwa 2.000 Fußballfeldern. Das kann nicht im Sinne von 'Fridays for Future' sein", sagt Heim, der einen anderen Ansatz vorschlägt: Ausbau von Photovoltaik und die deutliche Reduzierung von Stromverbrauch. "Oder die staatlichen Millionen-Euro-Subventionen, ohne die Windkraftanlagen nicht wirtschaftlich betrieben werden können, besser in Filtersysteme für herkömmliche, zuverlässige und permanente Energiegewinnung stecken. Denn diese benötigen wir nach wie vor, wenn weder Wind noch Sonne verfügbar sind." Das sei regelmäßig der Fall, da in Deutschland durchschnittlich etwa in der Hälfte des Jahres Windräder nur maximal 5 Prozent ihrer möglichen Leistung erreichen würden.
Petition gegen geplanten Windpark
Wenn die Windkraftanlage gebaut werden sollte, so wäre die absolute Mindestanforderung der Ortsgruppe, dass das Zehnfache der Höhe einer Anlage als Abstand zur nächsten Wohnsiedlung eingehalten werden muss. Im benachbarten Bundesland Bayern gilt die sogenannte „10-H-Regel“ schon seit 2014. Hoffnung für die Ortsgruppe, dass es gar nicht so weit kommt, hat zuletzt auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim gemacht, der am 20. November die Teilfortschreibung des Regionalplans Mittlerer Oberrhein 2003 für unwirksam erklärt hat. Diese sahen zwölf Standorte für Windkraftanlagen in der Region vor. Dagegen hatten sich die Städte Ettlingen, Baden-Baden sowie die Gemeinde Malsch mit einer Klage gewehrt – mit Erfolg. „Ob die Planungen für Kraichtal konkret auch davon ‚betroffen‘ sind, ist mir noch nicht klar. Aber: wir gehören auch zu dieser Region und profitieren zumindest von diesem Urteil.“ Derweil läuft eine Petition gegen den geplanten Windpark bei Menzingen aktuell auf www.openpetition.de weiter.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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