Interview mit Zaisenhauser Bürgermeisterin Wöhrle
"Mit den Ressourcen der Gemeinde haushalten"

Cathrin Wöhrle, Bürgermeisterin von Zaisenhausen | Foto: archiv
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Zaisenhausen (ger) Cathrin Wöhrle startet mit ihrer Verpflichtung am 22. Februar 2022 in ihre zweite Amtszeit als Bürgermeisterin in der kleinsten eigenständigen Gemeinde im Landkreis Karlsruhe. Die Brettener Woche/kraichgau.news hat mit der 36-jährigen Verwaltungschefin über Gegenwart und Zukunft von Zaisenhausen gesprochen. 

Frau Wöhrle, Sie sind ja mit großer Zustimmung und guter Wahlbeteiligung in Ihre zweite Amtszeit gewählt worden. Hatten Sie das so erwartet oder gab es Überraschungen dabei?
Es war schon ein bisschen Spannung dabei, aber mit dem Wahlergebnis von 98 Prozent bin ich sehr, sehr zufrieden. Auch mit der Wahlbeteiligung von fast 50 Prozent, was ja, gerade wenn man alleinige Kandidatin ist, ein sehr gutes Ergebnis ist. Mit einer so hohen Zustimmung hatte ich nicht gerechnet, da ich ja in den letzten acht Jahren nicht jedem jeden Wunsch erfüllen konnte.

Was steht jetzt ganz oben auf Ihrer Agenda?
Wir haben 2015 mit dem Gemeinderat mit dem Entwicklungskonzept „Zaisenhausen 2030“ einen Masterplan erstellt, an dem wir kontinuierlich weiterarbeiten. Aktuell steht gerade die Erweiterung der Bahnhofstraße im Frühjahr an, was zum Konzept Ortsmitte gehört. Auf einer bisherigen Brache entstehen Parkplätze für die Kultur- und Sporthalle und durch die Herstellung eines neuen Straßenabschnitts sowie eines neuen Treppenaufgangs ein ganz neues Areal.
Der nächste Punkt ist dann das innerörtliche Baugebiet. Hier prüfen wir derzeit die Realisierbarkeit. Falls die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen erfüllt werden können, würde ich gerne noch 2022 in die Detailplanung mit dem Gemeinderat einsteigen. Außerdem müssen wir die Wasserversorgung in der Gemeinde langfristig sicherstellen, dafür wird gerade ein Gutachten erstellt.

Stichwort Innenentwicklung: In Zaisenhausen ist innerorts der Leerstand verhältnismäßig hoch. Was möchten Sie dagegen unternehmen?
Ich möchte die Privateigentümer noch stärker in die Innenentwicklung mit einbeziehen. Ein gutes Beispiel, dass dies zielführend sein kann, ist ein Projekt, das in 2022 realisiert werden kann: An der Hauptstraße, Ecke Friedrichstraße wird an der Stelle von drei leerstehenden Häusern ein kleines Quartier mit 14 Wohnungen entstehen. Der private Investor hat das Objekt in Zusammenarbeit mit den Sanierungsberatern der Gemeinde entwickelt und mit dem Gemeinderat abgestimmt. Dabei liegt mir persönlich sehr viel daran, dass Sanierungs- oder auch Neubauprojekte sich harmonisch in unseren historischen Ortskern einfügen. Auch mit anderen Eigentümern sind wir schon im Gespräch und zeigen auf, was möglich ist. Zur Unterstützung bieten wir allen Eigentümern Sanierungsberatungen durch die Kommunalentwicklung an.

Ein Dauerbrenner in kleinen Gemeinden ist ja auch das Thema Nahversorgung. Wie ist Zaisenhausen da aufgestellt?
Da gibt es erstmal unseren Bäcker Schäfer mit erweitertem Sortiment. Dann haben wir schon seit 2018 einen Lebensmittel-Automaten mit Fleisch und Wurst sowie einen Eis-Automaten. Dieses Jahr wurde das Angebot von unserem Landwirt Edel über eine Förderung des LEADER-Programms erweitert, so dass man sich jetzt an den Automaten ein schönes Menü zusammenstellen kann. Und auch im Gewerbegebiet gibt es einen Automaten. Ich halte immer die Augen offen und greife nach jedem Strohhalm, der sich in dieser Hinsicht bietet, aber von der romantischen Vorstellung des Tante-Emma-Ladens muss man sich leider verabschieden. Damit das rentabel ist, müsste alles stimmen, von Qualität bis zu den Öffnungszeiten. Den Wocheneinkauf machen wir schließlich alle im großen Supermarkt. Ein Café, in dem auch regionale Produkte vermarktet werden, wäre schön, aber auch das geht nur mit Herzblut und Risikobereitschaft, könnte aber über das LEADER-Programm unterstützt werden.
Was die Gastronomie angeht, sind wir froh über unser griechisches Restaurant Rhodos, das wegen seines leckeren Essens auch von auswärtigen Besuchern gut angenommen wird. Zusätzlich hat sich in den letzten Jahren die so genannte „Dorfplatzküche“ etabliert. Darüber hinaus machen auf dem neu geschaffenen Dorfplatz mittlerweile etwa alle zwei Tage Foodtrucks mit unterschiedlichen Angeboten Halt. Vor Corona haben dort auch Vereine das Essensangebot an Freitagen ergänzt. Ich freue mich immer, wenn ich zum Beispiel eine Gruppe von älteren Damen sehe, wie sie sich ihren Burger holen und noch ein bisschen plaudern. Durch die neue Möblierung auf dem Platz kann man sich dort gut aufhalten, es ist eine richtig schöne Atmosphäre mit Platz für Klein und Groß.

In Zaisenhausen wird ja noch ein starker Zusammenhalt gepflegt. Aber wie ist Ihr Empfinden, hat das Wir-Gefühl in der Corona-Krise gelitten? Wie erhält man es in Zeiten der sozialen Distanz?
Ja, im zweiten Jahr wird es schon zunehmend schwer. Aber wir bleiben, so gut es geht, dran, initiieren und unterstützen kleine, schöne Aktionen. Der Nikolaus hat dieses Jahr zum Beispiel wieder mit der Feuerwehr Geschenke für die Kinder gebracht. Und unsere Senioren ab 85 haben ein Weihnachtspräsent und einen Brief geschickt bekommen.
Der Jugendrat hat zu Halloween mit dem Familienzentrum Tüten für die Kinder gerichtet, die sie am Kögelhaus abholen konnten. Unser Familienzentrum bleibt weiterhin rührig und hat zum Beispiel das alte Schulhaus wieder zum Adventshaus geschmückt.
Den Energietag auf dem Dorfplatz Ende September haben wir, da die Inzidenzen zu der Zeit noch niedrig waren, ein bisschen größer gemacht mit Essensangebot. Und am Wahlabend habe ich Glühwein und Kinderpunsch in kleinen Flaschen „to go“ ausgegeben. Es ist so schade, dass zurzeit nicht mehr drin ist.
Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, haben wir spontan am 2. Dezember einen Impftermin für unsere Über-80-Jährigen sowie das Grundschul- und das Kindergartenteam und die Feuerwehr mit 140 Impfdosen organisiert. Wir haben alle persönlich angerufen und dazu eingeladen, das geht natürlich nur in so einer kleinen Gemeinde. Aber mir war es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Ältesten und die, die durch ihren Beruf auch am gefährdetsten sind, geschützt sind.

Wie sieht es mit Zaisenhausen als Gewerbestandort aus? Das Gewerbegebiets Flurscheide wurde ja gerade erweitert.
Genau, von 2018 bis 2019 lief die Erschließung, 2020 und 2021 haben wir das Regenrückhalte- und Klärbecken dafür gebaut, die ersten Firmen haben jetzt ihre Bauanträge eingereicht. Durch Corona hat sich das etwas verzögert, abgesprungen ist aber keine Firma. Die Flurscheide ist für die einheimischen Gewerbebetriebe und Handwerksbetriebe gedacht, ihnen wollen wir Entwicklungspotentiale bieten. Wir sind ein guter Gewerbestandort, 600 Arbeitsplätze bei 1.800 Einwohnern ist sehr beachtlich. Neuansiedlungen sind im interkommunalen Gewerbegebiet in Flehingen möglich, an dem wir beteiligt sind.

Die kleine Ortsumfahrung soll die heikle Verkehrssituation innerorts auflösen helfen. Wie gehen Sie das an? Wie lange wird es dauern?
Wir hatten ziemlich heftige Baujahre, in denen wir teils personell an unsere Grenzen gestoßen sind. Ich muss mit den Ressourcen der Gemeinde haushalten. Wir werden also die große Baumaßnahme in der Bahnhofstraße erst abschließen und auch erst, wenn das Gewerbegebiet abgerechnet und Zuschüsse eingeholt sind, das konkret angehen. Ich rechne mal vorsichtig damit, dass wir Mitte 2023 in die Planung für die Ortsumfahrung gehen. In ersten Gesprächen mit den oberen Behörden wurde mir aber schon signalisiert, dass das Projekt grundsätzlich nicht unmöglich ist.
Mir ist es generell wichtig, alle Pläne für die Ortsentwicklung in Einklang zu bringen. Zusammen mit meiner Hauptamtsleiterin Anastasia Grath setze ich mich da mit den Planungsbüros zusammen, im Jour fixe schauen wir in der Verwaltung die Pläne an und optimieren sie. Es ist sehr wichtig, in Vorschläge Zeit zu investieren, bevor man sie dem Gemeinderat vorlegt. Nur so ist eine optimale Entscheidungsgrundlage gegeben.

Klimaschutz und Sicherheit sind die Themen der Zeit. Wie ist Zaisenhausen da gewappnet?
Klimaschutz ist zunehmend selbstverständlich für uns, wir haben den Klimaschutzpakt unterzeichnet und behalten zusammen mit der Umwelt- und Energieagentur das für die Gemeinde im Blick. Auf den gemeindeeigenen Gebäuden werden wo möglich 2022 Photovoltaik-Anlagen installiert. Wir versuchen, mit Hinweisen im Amtsblatt und kleinen Aktionen die Einwohner zu sensibilisieren, zum Beispiel können sich die Bürgerinnen und Bürger von unabhängigen Energieberatern beraten lassen. Auch die Schulkinder werden mit spielerischen Projekten an das Thema herangeführt.
Besonders stolz bin ich auf unsere Feuerwehr, sie ist sehr professionell aufgestellt, was bei einer kleinen Gemeinde auch nicht selbstverständlich ist und wozu auch die die Zusammenarbeit mit Sulzfeld beiträgt. Wir sind dabei – sobald es die Pandemielage zulässt –, neben der Jugendfeuerwehr auch eine Kinderfeuerwehr ins Leben zu rufen. Es ist unerlässlich, in den Bereich Sicherheit zu investieren: Um für Großschadensereignisse gewappnet zu sein, haben wir gerade ein Notstromaggregat angeschafft, um die Wasserversorgung – wir sind dabei auf zwei eigene Pumpen angewiesen – sicherzustellen.

Stichwort Investitionen: Wie ist es um die finanzielle Lage der Gemeinde bestellt?
Die Lage ist okay, wir haben eine konstante Gewerbesteuereinnahme, ohne Zuschüsse geht es aber nicht. Da versuchen wir, so viel es geht zu bekommen, zum Beispiel auch über das Regionalbudget oder das LEADER-Programm. Es war ein Segen, dass wir 2017 ins Landessanierungsprogramm gekommen worden sind, die Baumaßnahmen im Ortskern werden so zu 60 Prozent bezuschusst. Dann nutzen wir, wann immer möglich, Synergien: Wir haben in Breitband investiert, wenn die Leitungen verlegt werden, legen wir noch ein bisschen was drauf, damit dabei zum Beispiel marode Gehwege saniert werden.
Für die Erweiterung des Kindergartens haben wir eine Bundesförderung von 90 Prozent der förderfähigen Mittel bekommen. Alle schauen, wie man mit wenig viel machen kann. Unsere Kindergartenleiterin hat zum Beispiel über die Ikea-Stiftung weitere Zuschüsse für den Außenspielbereich gewinnen können. Wir achten auf solide, langlebige Lösungen, und ich gehe mit dem Geld der Gemeinde so sparsam um, als wäre es mein eigenes. Wenn man Baumaßnahmen frühzeitig ausschreibt, kann man auch Geld sparen.

Was wünschen Sie sich fürs Neue Jahr?
Ich wünsche mir so sehr, dass wir uns endlich wieder unbeschwert begegnen können. Das würde dem Miteinander so guttun, wir würden wieder erkennen, wie gut es uns doch geht. Ich wünsche mir, dass wir achtsamer miteinander umgehen, so wie zu Beginn der Krise. Man muss doch dankbar sein, für alles, was man hat.
Die Fragen stellte Redakteurin Katrin Gerweck.

Cathrin Wöhrle, Bürgermeisterin von Zaisenhausen | Foto: archiv
Zaisenhausen ist die kleinste eigenständige Gemeinde im Landkreis Karlsruhe | Foto: archiv
Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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