Oberbürgermeister Martin Wolff spricht im Interview über Corona, die Sporgassen-Bebauung und Denkmalschutz
Keine schnelle Rückkehr zur Normalität

Der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff. | Foto: swiz
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Das Corona-Jahr 2020 hat auch in Bretten seine Spuren hinterlassen. Im Gespräch mit Redaktionsleiter Christian Schweizer blickt Oberbürgermeister Martin Wolff auf das zu Ende gegangene Jahr zurück und wagt einen Blick auf die künftigen Herausforderungen für die Melanchthonstadt.

Die aktuelle Corona-Lage in Bretten ist weiter sehr angespannt. Wo sehen Sie die Gründe für die anhaltend hohen Infektionszahlen?
OB Martin Wolff: Auch in Bretten sind, wie in anderen Teilen Baden-Württembergs, keine besonderen Treiber der Infektionszahlen zu erkennen. Es ist ein sehr diffuses Bild, das sich da zeigt. Da die steigenden Zahlen aber weder an Schulen, Kindergärten oder in den Pflegeheimen festzumachen sind, sind die Gründe wohl im privaten Bereich zu suchen. Da hilft dann eben manchmal nur noch die Ausgangssperre, um vor allem unser Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. Denn es ist keinem Arzt zuzumuten, eine Auswahl zu treffen, welcher Patient weiter beatmet wird und welcher nicht.

Wie beurteilen Sie den Kurs der Landesregierung, an Weihnachten die Vorgaben zu lockern? Wird das nicht zu einem Anstieg der Zahlen führen?
Da schlagen natürlich zwei Herzen in meiner Brust. Wir haben an Weihnachten zu Hause sonst auch immer größer mit der ganzen Familie gefeiert, aber wir werden uns in diesem Jahr zurücknehmen, um keine Risiken einzugehen. Und das sollte auch jeder Bürger so machen. Es gilt, sich zu hinterfragen, ob man nicht in diesem Jahr an Weihnachten auf eine größere Zusammenkunft verzichten sollte.

Rechnen Sie in 2021 schon mit einem normalen Leben wie wir es vor der Corona-Pandemie gekannt haben?
Ich denke, wenn überhaupt, dann wird es so etwas wie Normalität erst Ende des nächsten Jahres geben. Ich setze da stark auf die Impfaktion, doch auch diese wird ihre Zeit brauchen. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass es eine Normalität wie vor Corona nicht mehr geben wird. Es wird glaube ich, keine Zeit mehr ohne das Virus, sondern nur noch mit dem Virus geben.

Die Corona-Krise hat auch die Finanzen der Kommunen stark gebeutelt. In Bretten gibt es einen stark reduzierten Haushalt. Sehen Sie eine Erholung der kommunalen Finanzen in den nächsten Jahren oder wird man auch in den kommenden Perioden mit Haushalten auf Sparflamme rechnen müssen?
Wir haben uns in Bretten mit der Gewerbesteuer wieder etwas gefangen und es sieht nicht mehr ganz so düster aus wie noch zur Mitte des Jahres. Dazu kommen die zusätzlichen Hilfen des Landes und des Bundes, so dass wir nicht mehr ganz so schlecht dastehen. Geplant ist, dass wir dann 2021 mit einer schwarzen Null aus dem Haushalt herauskommen. Allerdings wird es uns, wie im Übrigen auch andere Kommunen, in 2022 hart treffen, weil die Schlüsselzuweisungen des Landes nach unten gehen werden. Ansonsten ist der größte Posten der Personaletat und wird es auch in Zukunft bleiben. Aber Personal werden wir in den nächsten Jahren eher mehr als weniger benötigen, da die Aufgaben immer vielfältiger werden. Das sieht man allein schon an den Aufgaben, die in den nächsten vier Jahren anstehen. Ich nenne da nur die Sanierung des MGB, die Barrierefreiheit an den Haltestellen und am Brettener Bahnhof, das Mobilitätskonzept, den Digitalpakt Schulen, die Sanierung der Brettener Hallen, die Entwicklung des Mellert-Fibron-Areals, die Sporgassen-Bebauung, den Ausbau der Radwege und so weiter.

Die Bebauung der Sporgasse hat den Gemeinderat auch 2021 weiter beschäftigt. Nun wurde ein weiteres Festhalten an den Plänen der Firma Weisenburger beschlossen. Wie ordnen Sie die Kritik verschiedener Parteien ein, dass so ein wichtiges Thema nicht mit einer so knappen Mehrheit hätte entschieden werden sollen?
Das sehe ich nicht so. Große Projekte haben in der Politik schon immer polarisiert, das ist mit der Sporgasse nicht anders. Aber das Vorhaben wurde in einer demokratischen Abstimmung befürwortet und von der Demokratie kann man nicht einfach so abrücken. Sonst muss man sich für die Zukunft die Frage stellen, wie viele Nein-Stimmen ein solches Projekt kippen sollen. Für mich ist klar, es zählt die Mehrheit und die war und ist für eine Bebauung der Sporgasse. Und mit dieser Zustimmung können wir nun belastbare Zahlen für Kosten und Verträge eruieren.

Sie sind immer noch von dem Projekt überzeugt, obwohl es der Firma Weisenburger nicht gelungen ist, auch nur einen unterschriebenen Vertrag für das Dienstleistungszentrum vorzuweisen. Woher nehmen Sie diese Zuversicht?
Weil ich weiß, dass der Bedarf da ist. Wir hatten schon in den vergangenen Jahren gemeinsam mit der Regionale Kliniken Holding abgefragt, ob die Ärzte in Bretten an neuen Praxen interessiert wären und wo diese Praxen entstehen sollten. Daraufhin wurde großer Bedarf angemeldet, wobei der eine Teil lieber in die unmittelbare Nähe der Rechbergklinik und der andere Teil in die Innenstadt wollte. Der andere Punkt ist, dass wir mit diesem Zentrum die Gesundheitsversorgung Brettens in der Zukunft sichern. Denn wenn wir den Ärzten kein Angebot machen, dann sind sie auf den freien Markt angewiesen. Und warum bauen denn alle Kommunen in der Nachbarschaft neue Gesundheitszentren? Um langfristig die Gesundheitsversorgung zu sichern und das wollen wir auch machen. Und auch den Kritikpunkt, wir würden dort Steuergelder verbraten, lasse ich nicht gelten. Das Haus wird sich durch seine Mieteinnahmen selbst tragen.

Nicht erst beim Thema Sporgasse war im Gemeinderat ein mehr oder weniger tiefer Riss zwischen einigen Fraktionen zu spüren. Wie beurteilen Sie die Stimmung im Gremium?
Ich denke, das Problem ist, dass im Gemeinderat nicht immer offen und sachlich kommuniziert wurde. Man muss unter anderem wieder Vertrauen fassen können, dass Dinge, die nichtöffentlich gesagt werden, auch nichtöffentlich bleiben.

Kommen wir zum Thema B294 Südwesttangente Bretten. Von der Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten (BIVEB) wurden, wie auch vom BUND und dem Landesnaturschutzverband, im Scoping-Verfahren die Planungen für die geplante Umgehung als Fehlplanung kritisiert. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Man muss bei der Umgehung das große Ganze sehen. In der Verkehrsprognose 2030 des Bundes wird eine Zunahme des Lkw-Verkehrs in Deutschland um bis zu 39 Prozent bis 2030 prognostiziert. Im Süden des Landes wird dies aber deutlich mehr sein, da hier viel produzierendes Gewerbe sitzt. Da rechnet man mit einer Zunahme des Lkw-Verkehrs um bis zu 60 Prozent. Darum müssen wir zum einen den Binnenverkehr in Bretten reduzieren, aber zum anderen auch den Transitverkehr durch eine Umgehungsstraße aus der Stadt herausnehmen. Und das Argument, man würde damit eine Abkürzungs-trasse für die A5 und die A8 schaffen, ist obsolet. Denn das ist heute schon der Fall.

Heiß diskutiert wird in Bretten auch immer wieder das Thema Denkmalschutz. Beim Landmesser-Haus in Bretten gab es jüngst erfreuliche Neuheiten: Mehrere Interessenten hatten ein Kauf- und Sanierungsangebot gemacht. Wie ist hier der Status Quo?
Da kann ich gute Neuheiten vermelden. Das Landmesser-Haus wurde inzwischen von einer bekannten Firma aus der Region gekauft, die schon lange Interesse an dem Gebäude hat. Was nun daraus entsteht, wird das Konzept der Firma zeigen. Den gordischen Knoten hat meiner Meinung nach die von uns in Auftrag gegebene bauhistorische Untersuchung gelöst. Denn ab da war klar, was an dem Haus zu erhalten ist und was man abreißen darf. Nun sind klare Verhältnisse geschaffen.

Auch über den Abriss oder Erhalt des Böckle-Hauses wird immer wieder gestritten. Gibt es aus Ihrer Sicht eine Alternative zum Abriss?
Da möchte ich erst die Begehung mit dem Denkmalamt abwarten. Fakt ist aber auch, die Stadt hat das Gebäude damals gekauft, um es abzureißen. Dazu gab es auch einen Beschluss des Gemeinderats. Vielleicht kann man aber auch einen Mittelweg finden. Man könnte das bestehende Gebäude abbrechen und ein Stück weiter einen Neubau errichten, bei dem die historisch wertvollen Bauteile des Böckle-Hauses wiederverwendet werden und die stadtbildprägende Optik wieder hergestellt wird. Der Keller des Böckle-Hauses sollte indes aber in jedem Fall erhalten werden.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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