Obergrombacher Autorin veröffentlicht Buch
„Als wäre die Welt plötzlich stillgestanden“
Bruchsal-Obergrombach (hk) Zumindest das Lachen hat Jutta Brenneisen nicht verlernt. „Schreiben – das habe ich immer schon gerne gemacht“, sagt sie, die Mundwinkel zu einem sanften Lächeln hochgezogen. Dabei hat die Einzelhandelskauffrau aus Obergrombach in Bruchsal einen Schicksalsschlag nach dem anderen auf ihrem bisherigen Lebensweg erlebt. Als jugendliche Heranwachsende hat sie ihre Mutter nach langer Krankheit verloren. Vor viereinhalb Jahren lernte sie ihren zweiten Mann kennen, der im April 2019 dann durch einen tragischen Unglücksfall aus dem Leben schied. Diese und andere Stationen aus ihrem Leben hat die 59-Jährige in ihrem kürzlich erschienen Buch „SteinZeit“ verarbeitet.
„All die Jahre haben wir alles totgeschwiegen“
„Es war so, als wäre die Welt plötzlich stillgestanden“, sagt sie über den Verlust ihrer Mutter. „Mit 14 Jahren habe ich sie an Krebs verloren.“ In der Familie habe sich jeder damit schwer getan, darüber zu sprechen. „Meinen damals 62-jährigen Vater hat das natürlich auch sehr schwer getroffen“, erinnert sie sich. Auch er sprach nicht über den Tod seiner Frau. „Er war eben ein Mensch, der nicht über seine Gefühle reden konnte. Es hieß immer, ‚Kind, das wird schon‘. Das war natürlich nicht böse gemeint. Ich glaube, das mein Vater mit der Situation einfach überfordert war“, so Brenneisen. Vielleicht, so versucht sie eine Erklärung zu finden, sei das einfach so gewesen – damals in den 1970ern. „Heutzutage ist es normal, dass einem Kind, das trauert, einen Psychologen zur Seite zu stellen. Ich war damals nur bei einem Arzt, als mein Vater gemerkt hat, dass es mir nicht so gut geht. Nach meiner Untersuchung hieß es, ich müsse nur Beruhigungstabletten nehmen, dann werde es schon“, sagt Brenneisen und schüttelt den Kopf. Später wurden die Tabletten wieder abgesetzt und „all die Jahre haben wir alles totgeschwiegen.“
„Das war wie ein Déjà-vu“
Brenneisen heiratete schließlich und bekam mit 19 Jahren ihr erstes Kind. Heute sagt sie darüber: „Ich glaube, ich war auf der Suche – nach jemandem, der sich um mich kümmert.“ Doch auch ihre Ehe zerbrach. 2014 lernte sie ihren zweiten Mann kennen. „Da habe ich gedacht: Mit diesem Partner wirst du jetzt alt“, sagt Brenneisen und lächelt. Im Juni 2018 hat das Paar geheiratet. „Ein dreiviertel Jahr später war er tot. Für mich war das wie ein Déjà-vu“, sagt Brenneisen, die sich zum zweiten Mal von einem ihr nahe stehenden Menschen verabschieden musste. „Als mein Mann starb, da kam alles wieder hoch“, sagt Brenneisen und ringt in diesem Moment nach den richtigen Worten. Von diesem einschneidenden Erlebnis an, begann sie wieder zu schreiben, statt die schmerzhaften Gefühle zu verdrängen.
Leid von der Seele runter schreiben
Bei ihrem Buch „SteinZeit“ handele es sich weder um reines Buch zur Selbstfindung noch um eine rein fiktive Geschichte. Es sei, wie die Autorin erklärt, eine Mischung von beidem. Die Figur der „Marion“ begegnen seltsame Dinge, sie beschließt jedoch sich all dem zu stellen. In der Zwischenzeit reut sich auf den Besuch ihrer besten Freundin „Greta“ in ihrem neuen Zuhause, doch diese kann an der angegebenen Adresse kein Haus finden. Als „Marion“ verarbeitet die Autorin ihre persönlichen Erfahrungen. Die Erzählungen in den Kapiteln aus Gretas Sicht sind hingegen frei erfunden. „Als ich darüber schrieb, wie meine Mutter krebskrank wurde, da ging es mir sehr schlecht. Da hab ich auch viel geheult. Und dann habe ich aber auch gemerkt, dass das Schreiben hilft. Dass ich mir das Leid von der Seele runter schreiben konnte“, berichtet sie. Konsequent habe die Einzelhandelskauffrau jeden Tag zwei Stunden geschrieben, eineinhalb Jahre lang. „Normalerweise sagt man ja, man soll eigentlich nur schreiben, wenn man Lust dazu hat. Man muss sich trotzdem ein Zeitfenster setzen und mit Disziplin daran arbeiten.“
Jeder hat sein Päckchen zu tragen
Als Jutta Brenneisen mit dem Schreiben fertig war, gab sie ihr Buch zunächst drei Testlesern, „die mich wirklich ganz toll mit ihrer Kritik unterstützt haben. Unter anderem auch mein ehemaliger Deutschlehrer“. In ihrer Schreibphase sei ihr plötzlich bewusst geworden, dass andere Menschen auch ihr Päckchen zu tragen haben. „Ich habe meine Mutter verloren. Ich bin geschieden. Ich habe meinen zweiten Mann verloren. Wofür lerne ich ihn dann überhaupt kennen, wenn er dann gleich stirbt?“ - Gedanken, die die Autorin eine lange Zeit fest im Griff hatten. „Als ich dann in einer Trauergruppe beim Caritas war, habe ich gedacht: Mein Gott, hör doch mal auf dich immer selbst zu bemitleiden. Und guck mal nach vorne und gucke, was links und rechts von dir ist. Und das ist das, was ich gelernt habe.“ Ihr Buch sei für all jene, die sich in einer Sackgasse befinden, wie sie es einmal war. Viel Kraft hätten ihr auch ihre fünf Enkel gegeben. „Das Sechste kommt im März auf die Welt“, sagt Jutte Brenneisen voller Vorfreude.
„SteinZeit“ von Jutta Brenneisen ist an allen bekannten Verkaufsstellen sowie bei www.kolibrionline.buchhandlung.de erhältlich.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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