Gut besuchte Fachwerkführung in Bauschlott
Heimatforscherin bringt Teilnehmern von nah und fern das Fachwerk nahe

Stand einst in Menzingen: Ein Beispiel für Nachhaltigkeit eines Fachwerkgebäudes | Foto: Uwe Kaiser
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  • Stand einst in Menzingen: Ein Beispiel für Nachhaltigkeit eines Fachwerkgebäudes
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Neulingen (kn) Eine Gruppe von rund 80 Teilnehmern zog am Samstag, 22. Oktober, durch den Anger in Neulingen-Bauschlott. Die Teilnehmer kamen nicht nur aus den umliegenden Ortschaften oder dem Enzkreis, sondern auch aus Sinsheim, Eppingen, Heidelberg und anderen Kraichgauorten. Für das große Interesse war der Heimatverein Kraichgau verantwortlich, der im Rahmen seiner Veranstaltung „Den Kraichgau erleben“ zu diesem Fachwerk-Rundgang eingeladen hatte. Susanne Kaiser-Asoronye, die seit 2021 im Beirat des Heimatvereins sitzt und im Enzkreis als langjährige Vorsitzende des aktiven Freundeskreis Königsbach-Steiner Geschichte bekannt ist, konnte für die Führung gewonnen werden. Sie hatte auch den Ortsführer durch Neulingen für das Klotz-Verlagshaus geschrieben und ist mit den Häusern, deren Geschichte und Inschriften bestens vertraut.

Direkter Vergleich damals zu heute

Gleich zu Beginn teilte Kaiser-Asoronye jedem Teilnehmer ein Heftchen mit historischen Fotos und Zeichnungen der Gebäude aus, „… damit der direkte Vergleich von früher zu heute ersichtlich ist und auch bauliche Maßnahmen und Restaurierungen sofort erkannt werden“. Viele der historischen Fotos stammen vom Landesamt für Denkmalpflege, zu dem Kaiser-Asoronye beste Kontakte pflegt. Anhand von Zeichnungen aus ihrem Buch „Fachwerk lesen lernen“, erklärte sie zuerst die Grundlagen des Fachwerkbaus, wie den Unterschied zwischen der frühen Ständerbauweise (Geschossbau) zur Rähmbauweise (Stockwerkbau) ab Anfang des 16. Jahrhunderts. Dazu diente das in Bauschlott noch erhaltene Firstständerhaus von 1442 als Beispiel, ist es doch als gut erhaltener, spätmittelalterlicher Ständerbau das älteste Wohnhaus des Ortes und das zweitälteste im Enzkreis – nur der rückwärtige Gebäudeteil des „Nachtwächters“ in Lienzingen ist ein Jahr älter. Die Füllung der Gefache mit Flechtwerk und Lehmbewurf kamen ebenso zur Sprache wie die Nachhaltigkeit der Fachwerkgebäude, die, mit natürlichen Materialien gebaut, Jahrhunderte überstanden.

Erstaunen erweckte der Hinweis, dass Fachwerkbegriffe Einzug in unsere Umgangssprache gehalten haben. „Meine Oma schickte mich früher oft in den zweiten oder dritten Stock des Hauses“ erzählte die Heimatforscherin. Dabei sei der Begriff „Stock“ oder „Stockwerk“ von der Rähmbauweise der Fachwerkgebäude entliehen und Geschoss wäre der richtige Ausdruck.

Vom Wilden Mann und Schwäbischen Männle

Mystisch wurde es, als die „Mannfiguren“, insbesondere der „Wilde Mann“ im Fachwerk erklärt wurden, in denen viele ein Überbleibsel alten Volksglaubens sehen und die angeblich zur Abwehr von Gefahr oder zur Abschreckung angebracht wären. „Alles falsch“, klärt Kaiser- Asoronye auf und widerlegt diese These genauso wie die angeblichen mystischen Zeichen auf den Balken. „Die eingezapften Fußstreben mit Kopfstreben stützen den senkrechten Ständer ab und sonst nichts“. Daher werde der Begriff der „Mannfigur“ von Bauhistorikern und Zimmermännern nicht benutzt. Auch für die eingeritzten Zeichen hat sie eine ganz natürliche Erklärung: „Die Fachwerkkonstruktion wurde auf dem Richtplatz zuerst probeweise zusammengebaut, dann wieder auseinandergenommen und am Haus endgültig aufgerichtet. Zur Erleichterung des Wiederaufbaus kennzeichneten die Zimmerleute die einzelnen Balken mit so genannten Abbundzeichen, die so überhaupt nichts Geheimes oder Symbolhaftes an sich haben.“

Ursprünglich nicht in Bauschlott gebaut

Am Ende des Angers bog die Gruppe in die Austraße ein. Haus Nummer 5 stand einst in Menzingen und sollte abgerissen werden. Familie Holz erwarb das Fachwerkhaus für eine symbolische Mark und baute es zusammen mit Freunden ab. Dabei wurde Balken für Balken gekennzeichnet, in einen Plan eingezeichnet und in einer Scheune zwischengelagert. Erst dann machte sich die Familie auf die Suche nach einem Bauplatz und wurde in Bauschlott fündig. In der Austraße mauerten sie ein massives Erdgeschoss, auf dem die eingelagerten Fachwerkteile aufgebaut werden konnten. Die Innenaufteilung des ursprünglichen Gebäudes wurde dabei ebenso beibehalten wie die Außenmaße, lediglich die frühere Lehmausfachung wurde durch Ziegel ersetzt. Das ist Nachhaltigkeit pur.

Zurück ging es auf der anderen Seite des Angers, vorbei an Kirche und Pfarrhaus bis zum Schlosscafé, in dem zum Abschluss eingekehrt wurde. Die Fülle der Fachwerkbauten in Bauschlott hat den Teilnehmern einen Rundgang beschert, der letztendlich – trotz einer Laufstrecke von nur 1,5 Kilometern – etwas über zwei Stunden dauerte. „Es war seit langer Zeit eine der bestbesuchten Veranstaltungen des Heimatvereins Kraichgau“ zog Vorsitzender Alfred Götz sein Fazit bei der Verabschiedung. Und er versäumte nicht, hervorzuheben, dass Susanne Kaiser-Asoronye und ihr Ehemann Uwe Kaiser Mitte November für ihr Buch „Fachwerk lesen lernen“ vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit dem ersten Preis beim Landespreis für Heimatforschung 2022 ausgezeichnet werden.

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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