Polen – Entdeckungsreise auf den Spuren der europäischen Geschichte, Teil 2: Łeba und Hel
Von der polnischen Sahara auf die Halbinsel Hela

Sand so weit das Auge reicht: Die enormen Wanderdünen im Slowinski-Nationalpark in der polnischen Region Pommern sind nichr nur eine Touristenattraktion, sondern auch ein UNESCO-Biosphärenreservat mit entsprechendem Schutzstatus. | Foto: ch
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  • Sand so weit das Auge reicht: Die enormen Wanderdünen im Slowinski-Nationalpark in der polnischen Region Pommern sind nichr nur eine Touristenattraktion, sondern auch ein UNESCO-Biosphärenreservat mit entsprechendem Schutzstatus.
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Aus dem Fenster im ersten Obergeschoss unserer im Landhausstil erbauten Resydencja hatten wir am Morgen einen herrlichen Blick auf den nur etwa 300 Meter entfernten Łeba-Strandsee, umgeben von Röhricht. In der Ferne konnten wir die großen, von Wald gesäumten Dünen der „polnischen Sahara“ erkennen, unser erstes Ziel an diesem Tag.

17. Juli: In der „polnischen Sahara“

Wir fuhren nach Łeba zum „Dünen-Park“ im Slowinski-Nationalpark. Ein Gebiet, das bereits 1977 zum  UNESCO-Biosphärenreservat erklärt wurde. Wieder großer Rummel, viele Mini-Personentransporter mit Elektroantrieb, eine Art motorisierte Sitzbänke. Je nach Bauart passten 30 bis 40 Passagiere auf ein Gefährt, das mit Quietsch-Enten-Hupe und teils mit Affenzahn über die holprige Piste rauschte, dass die Passagiere auf ihren Sitzbänken „hüpften“ und die Frauen vor Vergnügen kreischten. Wir sind die sechs Kilometer Hinweg zu Fuß gewandert und nur den Rückweg gefahren. Die große Düne war anstrengend zu erklimmen. Um das Sandlaufen zu erleichtern, tritt man am besten in die Fußstapfen des Vordermanns. Zum Schutz der Dünen und um die Völkerwanderung wenigstens ansatzweise zu steuern, sind große Areale abgesperrt. Ein weißes Gebirge aus Wanderdünen, die höchste ist über 40 Meter hoch und bewegt sich mit einem Tempo von zehn Metern im Jahr. Das also war die „polnische Sahara“. Dann das Meer. Das Wasser der Ostsee war in Strandnähe frisch, aber nicht kalt. Manche badeten. Am Sandstrand nur Sand und mehrfarbige Kieselsteine, keine Muscheln oder Meerestiere, nur wenig kleinteiliges Strandgut.

Polen in Urlaubsstimmung

Es waren Massen unterwegs. Hauptsächlich Polen, ganze Sippen, Familien, Freundeskreise, Schulklassen und Kindergärten mit Lehrern und Erziehern. Hauptbeschäftigungsmittel: das Smartphone. Bei Jung und Alt. Die Mädchen und Frauen waren ausgesprochen modisch gekleidet, dabei sportlich und leger, enge Shorts und körperbetonte Jeans waren Pflicht. Dazu Tops, manchmal signalfarben, gerne im Spitzenlook, gelegentlich folkloristisch angehaucht. Die Urlaubsbekleidung der Jungen und Männer bestand aus halblangen Turnhosen, dreiviertellangen Jeans, manchmal Trainingshosen, kombiniert mit T-Shirts mit und ohne Aufdruck. Die älteren Männer trugen eher ein normales Freizeithemd, wie bei uns. Tattoos gab es auch, auch viele, manchmal sogar lange Bärte, seltener eine Art Irokesenschnitt, dagegen sehr oft einfach kurzgeschorene Köpfe. Kurz: Die Urlaubserscheinung der Polen ist so vielfältig und bunt wie in anderen europäischen Ländern. Man spürt die Lebensfreude. In der direkten Begegnung haben wir die Polen immer freundlich erlebt, manchmal ein wenig hilflos aufgrund Verständigungsschwierigkeiten und immer erfreut, wenn wir unsere paar Brocken Polnisch an den Mann oder die Frau brachten. Englisch spricht fast nur die gebildete Jugend, dafür die Erwachsenen manchmal überraschend gut Deutsch.

Schnellboote und Hollywood-Piraten

Nach der Dünenbesteigung nahmen wir uns mittags das Städtchen Łeba vor. Am Hafen wurde viel Fisch geräuchert, auch Restaurants warben damit. Die Gastro-Szene ist so abwechslungsreich wie die Menschen, von gediegen bis rustikal, vom edlen Speiselokal bis zur Imbissbude mit Sitzplätzen.
Hauptattraktionen waren offene Schnellboote, die ihre bis zu 30 Passagiere mit bis zu 350 km/h über die Wasserfläche jagten. Gleich daneben filmreif umgebaute Hafenschlepper, in Łeba im Stil von „Piraten der Karibik“. Jetzt war mir auch klar, was es mit dem in Kolobrzeg in weiter Ferne gesichteten „Wikingerboot“ auf sich hatte. Es war nur eine andere Spielart eines umgebauten Hafenschleppers. Und es war nicht dasselbe Boot, das, kaum dass es in den Hafen eingefahren war, ihn auch schon wieder verließ, sondern ein zweites, ähnlich ausstaffiertes „Theaterschiff“. Am eindrucksvollsten waren die „Piraten“ von Łeba. Sie zeigten sogar artistische Kunststücke am Segelmast. Und das zu einem dramatischen Soundtrack, der jedem Hollywoodstreifen Ehre gemacht hätte.

18. Juli: Kasernen, Robben und Maskottchen

Obwohl wir gelesen hatten, dass man nicht die ganzen 34 Kilometer auf dem schmalen Landstreifen bis zur Spitze der Halbinsel Hela durchfahren könne, wurden wir nirgends aufgehalten. Die Straße zum Küstenort Hel an der Halbinselspitze war gut, aber auf der Rückfahrt erlebten wir wieder gefährliche Schlaglöcher. Neben der Straße einige heruntergekommen wirkende Kasernen der polnischen Armee sowie Soldatensiedlungen und Militärmuseen. In den vergangenen Jahrhunderten wechselte die Halbinsel – wie viele polnische Landstriche – mehrmals die Besitzer. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs war sie erbittert umkämpft. Denkmäler erinnern an den Sieg über Hitlerdeutschland. Heute hat im Kurort Jurata der polnische Staatspräsident seine Sommerresidenz. Im ehemaligen Handelsstädtchen Hel selbst brummt heute der Tourismus wie in Łeba. Massen schieben sich durch die Gassen mit Restaurants, Imbissbuden und Souvenirständen. Vor der mit EU-Geldern geförderten Robbenstation der Danziger Universität gab es Warteschlangen zur nächsten Fütterung. Bildtafeln werben für den Schutz der Seehunde, die oftmals qualvoll in verlorenen Fischernetzen verenden. Auf anderen in Strandnähe aufgestellten Bildtafeln werden gestrandete Finnwale und die Erforschung ihrer Irrwege in die Ostsee sowie die wichtigsten Fischarten der baltischen See präsentiert.
Auf der Hafenmole begegneten uns Nippesstände, ein Verkaufswagen mit slowakischem Naschwerk, Abfahrtstationen für Schnellboote und „Piratenschiffe“. Zudem das als hellblauer Seehund in Matrosentracht dargestellte Hel-Maskottchen und manch ein wunderlicher Tourist. In einem kugelförmigen weiß-hellblauen Gebäude, das an eine aus weißen Segeln geformte Blütenknospe erinnert, scheint die Hafenverwaltung untergebracht zu sein.

Nördlichsten Punkt verpasst

Auf der Rückfahrt übersahen wir im Gewusel der Touristenhochburg Władysławowo die Abzweigung zum nur wenige Kilometer abseits gelegenen Kap Rozewie, dem nördlichsten Punkt Polens an der Ostsee. Trotz Navi verfuhren wir uns noch mal und landeten schon am frühen Abend wieder im Hotel. Dadurch blieb noch Zeit für einen Rundgang durch den Ferienort Żarnowska. Es gibt noch ein Esslokal für Urlauber und eine Kneipe für Einheimische. Die meisten Häuser scheinen im Eigentum polnischer Familien zu sein, die teilweise dort wohnen, teilweise vermieten oder noch ausbauen, um später zu vermieten. Die Resydencja unserer Gastgeberin ist anscheinend das nobelste Haus im Ort mit einer hervorragenden Bewertung. 
Chris Heinemann

Alle Fotos: ch

Den dritten Teil des Reiseberichts Polen unter dem Titel „Gdansk/Danzig: Zeugen der Vergangenheit, Straßenmaler und Kaufleute“ lesen Sie nächste Woche wiederum an dieser Stelle.

Den ersten Teil und weitere Berichte von anderen Reisenden aus der Region lesen Sie auf unserer Themenseite: Reiseberichte

Autor:

Chris Heinemann aus Region

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