Interview mit dem Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan
„Der Alltag gestaltete sich komplett neu“

Timur Özcan ist seit einem Jahr Bürgermeister der Gemeinde Walzbachtal.  | Foto: swiz
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Walzbachtal (swiz) Seit einem Jahr ist der Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan inzwischen in Amt und Würden. Seine Wahl war nicht nur in der Gemeinde eine kleine Sensation, setzte er sich doch auch gegen arrivierte Lokalpolitiker durch. Doch viel Zeit zum Ankommen hatte einer der jüngsten Bürgermeister im Landkreis nicht. Denn die Corona-Pandemie forderte von der Verwaltung und ihrem Chef viel Engagement, Zeit und Nerven. Im Interview mit der Brettener Woche zog Özcan ein Fazit seiner ersten 365 Tage als Bürgermeister.

Herr Özcan, Sie sind nun ein Jahr Bürgermeister von Walzbachtal. Wie schauen Sie auf diese Zeit zurück?
Es war und ist eine sehr spannende und aufregende Zeit. Zu Beginn im neuen Amt wünscht sich vermutlich jede und jeder etwas Zeit zum Ankommen und zum Organisieren. Das war in diesem Fall nur bedingt möglich. Gleich in den ersten Monaten wurde ich mit der Corona-Pandemie konfrontiert und damit gestaltete sich auch mein Alltag als Bürgermeister komplett neu. Immerhin war das Thema "Stabsarbeit" für mich als bisheriger Beamter des Führungs- und Einsatzstabes des Polizeipräsidiums Mannheim nicht ganz neu. Als eine der ersten Handlungen habe ich in der Corona-Phase einen Krisenstab "Corona" eingerichtet. Verwaltungsintern sowie behördenübergreifend hatten wir dadurch eine hervorragende Vernetzung und waren in der Lage, schnell zu reagieren und zu handeln.

Mit der Corona-Krise haben Sie es in ihrem ersten Jahr der Amtszeit gleich mit einer gewaltigen Aufgabe zu tun bekommen. Wie denken Sie, hat Walzbachtal diese, immer noch andauernde Krise, bisher gemeistert?
Da verweise ich zum einem auf meine eben gegebene Antwort. Außerdem konnte ich durch meinen Internetauftritt in Social Media viele Menschen erreichen, die sich nicht über die Aushänge oder das Amtsblatt informieren. Dadurch war eine transparente und bürgernahe Kommunikation trotz Abstandsgebot möglich. Diese wurde sehr gut angenommen. In einer solchen Krise wurde deutlich, dass das Internet beziehungsweise Social Media eine gute und wichtige Kommunikationsplattform darstellen kann.

Wo sehen Sie in Walzbachtal die größten Auswirkungen der Corona-Krise?
Die Auswirkungen waren beziehungsweise sind tatsächlich in vielen Bereichen sehr groß. Die gesamte Kinderbetreuung in Kita, Schule und Hort, die Seniorinnen und Senioren und damit verbunden die gesamte Mitarbeiterschaft der jeweiligen Einrichtungen wie zum Beispiel das Seniorenzentrum vor Ort. Für die meisten Eltern war und ist das natürlich eine Herkules-Aufgabe. Es galt und gilt sowohl die Kinderbetreuung als auch das Berufliche unter einen Hut zu bringen. Das stellt sicherlich eine sehr große Herausforderung dar.
Auch für die ältere Generation, insbesondere die Seniorenbetreuung und -pflege, hatte und hat die Corona-Krise eine große Auswirkung. Denn gerade die älteren Menschen zählen zu den sogenannten Risikopersonen und machen daher eine sehr schwierige Phase durch. Zu Beginn der Corona-Phase hatte auch der gesamte Einzelhandel in Walzbachtal an der vordersten Front gestanden. Die Märkte wurden leergeräumt und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben hier mit großem Engagement tolle Arbeit geleistet. Viele Gewerbetreibende sowie die gesamte Gastronomie leiden ebenfalls stark unter der Krise. Wichtig zu erwähnen sind mir außerdem die Vereine. Die allermeisten konnten keine Aktivitäten durchführen und hatten damit große finanzielle Einbußen. Die Vereine sorgen für eine lebendige Gemeinschaft und genau in einer solchen Zeit merken wir, wie wichtig das soziale Miteinander und damit auch die Vereine sind.

Was hat die Verwaltung getan, um den Menschen, den Gewerbetreibenden und Einzelhändlern in ihrer Gemeinde durch diese schwere Zeit zu helfen?
Ein Bürgertelefon sowie eine spezielle Mail-Adresse wurden eingerichtet, an die sich die Bürger und Bürgerinnen wenden konnten und können, wenn sie Fragen in Bezug auf Corona haben. Zudem wurde eine Hilfsorganisation gemeinsam mit den Kirchen und einem Verein gegründet, welche verschiedene Hilfsangebote für Risikopersonen im Alltag angeboten hat beziehungsweise anbietet. Auch wurden Seitens der Kitas, Horte und Schulen tolle Aktionen für die Kinder angeboten. Erweitert wurde das Angebot von unserer Jugendsozialarbeiterin, von der ebenfalls einiges an tollen Projekten für Kinder und Familien angeboten wurde.
Die Verwaltung hat die Gewerbetreibenden regelmäßig über die Hilfsprogramme von Bund und Land im Amtsblatt und auf der Homepage informiert. Zudem haben wir den einzelnen Branchen die jeweiligen Verordnungen vorbeigebracht und über die einzelnen Maßnahamen aufgeklärt. Zudem haben in Walzbachtal auch einige Online-Veranstaltungen stattgefunden, welche ich über Social Media beworben haben und teilweise auch selbst Teilnehmer war.
Auch konnten wir gleich zu Beginn der Corona-Pandemie eine Übersicht unserer Gastronomie in Walzbachtal zusammenstellen und haben Werbung für die hiesige Gastronomie getätigt. Ebenfalls wurde diese über eine Social-Media Aktion stark beworben und sehr gut angenommen.
Eine weitere tolle Idee aus der Bürgerschaft haben wir als Gemeinde aufgenommen, unterstützt und beworben. Ziel war es, eine Steinkette zwischen den beiden Ortsteilen zu schaffen und diese dadurch zu verbinden. Das sollte natürlich vor allem auch symbolisch gelten. Damit wollten wir zeigen, dass jeder einzelne Stein, egal wie groß oder klein dieser ist, wichtig ist und dazu beitragen kann, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Analog dazu wollen wir in Walzbachtal auch die unterschiedlichsten Menschen darstellen. Auch hier ist es vollkommen egal, wie groß oder klein, welche Hautfarbe oder welche Wurzeln ein Mensch hat, wir stehen diese Krise gemeinsam durch und jeder kann sein Teil dazu beitragen.

Was bedeutet die Pandemie für die Finanzen der Gemeinde Walzbachtal?
Sicherlich ist mit Einbußen zu rechnen. Wie stark uns die Corona-Pandemie finanziell trifft, kann heute jedoch noch nicht endgültig festgestellt werden.

Mussten wichtige Projekte verschoben oder vorerst ganz aufgegeben werden?
Bei allen Projekten haben wir im Hintergrund aktiv weitergearbeitet, so dass es aufgrund von Corona, mit der Ausnahme des Mobilitätsforums, zu keinen Verschiebungen kommen muss. Die Auftaktveranstaltung fand noch im Januar als Präsenzveranstaltung statt. Das zweite Treffen konnte bisher leider noch nicht stattfinden.

Wo sehen Sie zurzeit die drängendsten Probleme in der Gemeinde und welche Projekte müssen zeitnah umgesetzt werden?

Vor allem das geplante Seniorenzentrum in Jöhlingen ist mir im Interesse der Bevölkerung in Walzbachtal sehr wichtig. Der Bedarf an Pflegeplätzen ist landesweit sehr groß, auch bei uns in Walzbachtal ist er entsprechend groß. Des Weiteren ist mir eine nachhaltige Mobilität sehr wichtig. Dieses Ziel wird in breiter Masse von den Walzbachtaler Bürgerinnen und Bürger unterstützt. Bezüglich der finanziellen Situation haben wir in Walzbachtal noch weitere Haushaltskonsolidierungen zu betreiben. Es gilt hier ein gesundes Maß an sinnvollen Investitionen mit Blick auf die Zukunft und dennoch sparsam zu planen.

Bei Ihrer Vorstellung als Bürgermeisterkandidat haben Sie als eines Ihrer Ziele die Reaktivierung des Gewerbevereins in Walzbachtal angegeben. Im Dezember hatten Sie dann im Interview mit uns von einer Trennung von Gewerbe und Einzelhandel gesprochen, was einen Verein angeht. Wie ist da der Stand der Dinge?
Es haben tatsächlich bereits erste Gespräche stattgefunden. Aufgrund der aktuellen Situation mussten wir die weiteren Treffen jedoch verschieben. Wir wollen diese zeitnah wieder aufnehmen und weiter gemeinsam nach zukunftsorientierten Lösungen zu suchen. Dabei ist beim ersten Treffen klar geworden, dass ein Verein hierfür nicht unbedingt erforderlich sein muss. Ein gemeinsames Planen und Vorgehen könnte mindestens genauso effektiv sein, um in diesem Bereich gemeinsam Themen voranzubringen.

Wie ist der Stand beim Seniorenzentrum in Jöhlingen?
Das zuständige Gericht hatte am 27. März 2019 bekanntlich beschlossen, dass der Bebauungsplan „Kirchberg“ bis zur Entscheidung über die Normenkontrollanträge außer Vollzug gesetzt wird. Das ergänzende Verfahren konnte inzwischen abgeschlossen werden und somit wurde der Bebauungsplan wieder in Kraft gesetzt. Zudem wurde durch die Baurechtsbehörde – Landratsamt Karlsruhe – eine Baugenehmigung zur Errichtung des Senioren-Zentrums erteilt. Allerdings wurde inzwischen ein weiterer Antrag nach Paragraph 47 Absatz 6 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof gestellt. Parallel dazu wurde ein Widerspruch gegen die Baugenehmigung und damit gegen die Baurechtsbehörde erhoben. Wir hoffen, dass die Entscheidung positiv und zeitnah entschieden wird. Die Gemeindeverwaltung und auch ich als Bürgermeister haben ein großes Interesse daran, vielen Bürgern und Bürgerinnen in Walzbachtal die Möglichkeit zu bieten, auch hier in Walzbachtal alt zu werden.

Abschließend noch eine persönliche Frage. Im Dezember 2019 waren Sie noch auf der Suche nach einer Wohnung in Walzbachtal. War diese Suche inzwischen erfolgreich?
Die Wohnungssuche innerhalb der Corona-Phase machte das Suchen nach einer geeigneten Wohnung nicht unbedingt leichter. Meine Frau und ich konnten allerdings glücklicherweise eine Wohnung in Bruchsal finden. Dadurch kommen wir der Wohnsituation in Richtung Walzbachtal schon ein ganzes Stückchen näher. Von den Bürgerinnen und Bürger wird das jedoch sehr positiv gesehen, denn damit bleibt meine Objektivität und Neutralität zu beiden Ortsteilen bestehen, die ich bereits vor der Wahl hatte. Ich bin Bürgermeister in und für Walzbachtal und betrachte Walzbachtal mit den beiden Ortsteilen und dem Aussiedlerhof Binsheim immer als Ganzes.

Die Fragen stellte Brettener Woche-Redaktionsleiter Christian Schweizer.

Alles zum Thema „neiguggt in Walzbachtal“ finden Sie auf unserer Themenseite.

Timur Özcan ist seit einem Jahr Bürgermeister der Gemeinde Walzbachtal.  | Foto: swiz
 Das Rathaus in Wössingen ist der Amtssitz von Timur Özcan.  | Foto: ch
Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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