Coronavirus hat die Wirtschaft und Verwaltungen in der Region hart getroffen
Eine Region im Corona-Griff
Region (swiz) Das Coronavirus hat auf einen Schlag das Leben in den Dörfern, Gemeinden und Städten der Region auf den Kopf gestellt. Der Einkauf beim Händler um die Ecke, das Treffen mit Freunden im Biergarten oder der Besuch von Konzerten und Museen, all das ist seit einigen Wochen nicht mehr möglich. Wie das Virus das Leben in den Kraichgau-Kommunen, aber auch die Arbeit der Beschäftigten in den Verwaltungen beeinflusst, darüber haben wir mit einigen Gemeindeoberhäuptern der Region gesprochen.Bretten
Die Melanchthonstadt wurde durch das Virus besonders hart getroffen. Von den 223 registrierten Corona-Fällen (Stand 14. April) sind alleine 187 Fälle dem Pflegeheim Haus Schönblick im Stadtteil Neibsheim zuzuordnen. Um eine schnelle Verbreitung des Virus zu verhindern, so Oberbürgermeister Martin Wolff, sei eine Reduzierung der sozialen Kontakte auf ein Minimum unerlässlich. "Das ist natürlich auch im Rathaus zu spüren. Wir haben umgehend auf eine Notbesetzung umgestellt, bei der sorgfältig abgewägt wird, welche Positionen und Aufgabenbereiche dauerhaft besetzt sein müssen und was auch per mobilem Arbeiten von zu Hause aus erledigt werden kann."
Der Bevölkerung, so sein Eindruck, sei der Ernst der Lage erst nach und nach bewusst geworden, so Wolff. "Deshalb haben wir nach unseren ersten beiden Verordnungen auch ein Betretungsverbot für öffentliche Flächen erlassen. Diese zeigt mittlerweile ihre Wirkung, auch wenn es anfangs viel Gesprächsbedarf gab." Dafür sei die Hilfsbereitschaft unter den Bürgern sehr groß, betont der Brettener OB. "Aus meiner Nachbarschaft kenne ich viele, die für ihre älteren Familienmitglieder und Bekannten den Einkauf erledigen und das nehme ich in allen Stadtteilen wahr. Auch die Kirchen bringen sich sehr aktiv auf diesem Gebiet ein." Hart getroffen habe die Krise indes die lokale Wirtschaft. "Gerade jetzt würde es viele von uns eigentlich auf den Marktplatz ziehen, um in der Fußgängerzone zu bummeln und eine Kleinigkeit zu essen. All das ist aktuell nicht möglich und den Einzelhändlern und Gastronomen fehlen wichtige Einnahmen." Hilfe kommt von der Stadt unter anderem durch einen kommunalen Hilfsfonds und die Aktion "Bretten hält zusammen". Mit der Aktion solle gezeigt werden, so Wolff, "dass jeder einzelne etwas für die Geschäfte in seiner Nähe tun kann".
Oberderdingen
Ein gemischtes Bild der lokalen Wirtschaft unter dem Einfluss des Coronavirus zeichnet der Oberderdinger Bürgermeister Thomas Nowitzki. Der Handel, der noch geöffnet haben dürfe, erlebe einen enormen Ansturm auf gewisse Produkte. Dort stehe vor allem die Einhaltung der Sicherheits- und Hygienevorschriften im Fokus. Betriebe, die schließen mussten und bereits Ware eingekauft hatten, hätten dagegen natürlich massive Probleme. Auch bei den großen Industriebetrieben zeige sich ein unterschiedliches Bild. Während bei Blanco die Produktion weiterlaufe, sei die Produktion bei E.G.O. bereits die zweite Woche geschlossen. "In der aktuellen Situation bedeutet dies für den größten Teil der Belegschaft herbe Einschnitte."
Ein Umdenken habe es auch in der Oberderdinger Verwaltung gegeben. "Seit nunmehr vier Wochen haben wir im Rathaus einen Schichtbetrieb eingeführt um die Verwaltungsarbeit im Ernstfall aufrechterhalten zu können." Aus Sicherheitsgründen ist der Zugang zum Rathaus nur beschränkt möglich, dennoch ist der Verwaltungssitz nicht wie in anderen Gemeinden geschlossen. In erster Linie sei das Bürgerbüro Anlaufstelle für die Einwohner. Dort stehe Desinfektionsmittel bereit, der Sicherheitsabstand zu den Mitarbeiterinnen werde durch eine Barriere gewährleistet und ist für wartende Personen durch Klebestreifen auf dem Boden gekennzeichnet, beschreibt Nowitzki die Sicherheitsvorkehrungen. Dennoch trete die eigentliche Kommunalpolitik momentan in den Hintergrund und die Verwaltung beschäftige sich ausschließlich mit Corona. In diesem Zug lobt der Rathaus-Chef auch die "Flexibilität der Rathausmitarbeiter" und das Engagement, mit dem die Herausforderung Corona angenommen worden sei.
Wie sein Brettener Amtskollege Wolff, hebt Nowitzki außerdem die Hilfsbereitschaft, die sich in der Corona-Krise in der Bevölkerung entwickelt hat, hervor. "Es gibt mehr Personen, die Hilfe anbieten, als beanspruchen." Aktuell benötigten nur sechs Personen in der Gemeinde Unterstützung, 27 Menschen böten dagegen ihre Hilfe an.
Sulzfeld
"Wir erleben viel Hilfsbereitschaft, Verständnis, Disziplin und Offenheit für die besondere Situation", weiß die Sulzfelder Bürgermeisterin Sarina Pfründer auch aus ihrer Gemeinde zu berichten. Und weiter: "In Sulzfeld gründete sich gleich zu Beginn der Corona-Krise eine Bürgerinitiative, um Menschen, die einer Risikogruppe angehören oder sich in häuslicher Quarantäne befinden, bei wichtigen Besorgungen oder Einkäufen zu helfen." Innerhalb weniger Tage habe Initiatorin Carolin Dinkel ein Netzwerk mit 25 Helfern aufbauen können. Die Hilfsanfragen seien aber, wie auch in Oberderdingen, am Anfang überschaubar gewesen.
Hilfe benötigt allerdings die lokale Wirtschaft in Sulzfeld. "Viele Betriebe, den Einzelhandel oder die Gastronomie trifft es sehr hart." Zusammen mit dem Gewerbeverein habe man daher die Unternehmen unter anderem über die Hilfspakete des Landes und des Bundes informiert. "Zudem hat der Gemeinderat beschlossen, den Betrieben auf Antrag mit Stundungsmöglichkeiten entgegenzukommen." Wichtig sei ihr, so Pfründer, dass die Bürger wieder vor Ort einkauften, sobald dies möglich sei.
Auch in der Verwaltung sei Corona indes das bestimmende Thema, sagt die Sulzfelder Bürgermeisterin. "Alle Geschäfte, mit Ausnahme der Planung von Großveranstaltungen, laufen jedoch uneingeschränkt weiter. Allerdings wurde der Publikumsverkehr nahezu auf Null heruntergefahren." Sorgen bereiten Pfründer die wirtschaftlichen Folgen der Krise. Der Gemeinderat habe Anfang April den Haushaltsplan 2020 für Sulzfeld einstimmig verabschiedet. Dies sei aber in dem Bewusstsein geschehen, dass vor allem bei den Einnahmen "Korrekturen nach unten folgen werden". Dennoch habe man eine Handlungsgrundlage gebraucht, um laufende Projekte fertigstellen zu können. "Bei den Ausgaben haben wir die meisten Ansätze belassen. Noch laufen unsere Baustellen wie die Generalsanierung der Blanc-und-Fischer-Schule oder die Erweiterung des Kindergartens", so Pfründer. "Und wir sehen es auch als wichtiges Zeichen an, dass sich Staat und Kommunen antizyklisch verhalten, gerade in dieser Zeit investieren und somit Handwerk und Wirtschaft stützen."
Walzbachtal
Gleich in seiner ersten Amtszeit muss sich auch der Walzbachtaler Bürgermeister Timur Özcan mit den Folgen der Corona-Krise auf seine Gemeinde beschäftigen. Hart trifft die Gemeinde, dass das Virus auch im Seniorenzentrum „Am Losenberg“ in Wössingen angekommen ist. Dort wurden bislang 23 Bewohner und 13 Beschäftigte positiv getestet (Stand 14. April). Zudem gab es unter den Bewohnern zwei Todesfälle, die auf das Virus zurückzuführen sind. Der Zusammenhalt in der Gemeinde sei indes voll gegeben. "Relativ schnell gab es viele gute Ideen aus der Bürgerschaft, um anderen Menschen zu helfen", so Özcan. Da sei zum Beispiel die Organisation „Hilfe, wo Hilfe benötigt wird“ und noch einiges mehr. "Als Bürgermeister macht es mich stolz zu sehen, wie stark Walzbachtal zusammenhält." Auch an die geltenden Einschränkungen würden sich die Bürger halten.
Schwer getroffen hat es, wie auch in den anderen Gemeinden, die lokale Wirtschaft in Walzbachtal. "Für das Gewerbe, das nach der Verordnung geschlossen haben muss, ist es eine enorm schwierige Zeit. Die fixen Kosten wie Miete oder Personal sind weiterhin vorhanden, Einnahmen gibt es hingegen keine mehr", fasst Özcan das Dilemma zusammen. Auch die finanzielle Unterstützung von Landes- beziehungsweise Bundesebene sei irgendwann aufgebraucht. "Daher wäre es für das Gewerbe sehr wichtig, einen gewissen Fahrplan zu haben, der so frühzeitig wie möglich darstellt, wann mit den ersten Lockerungen der Einschränkungen zu rechnen ist. Nur so kann das Gewerbe sich entsprechend vorbereiten und gewisse Maßnahmen planen."
Gondelsheim
Regelrecht ins Schwärmen kommt der stets rührige Gondelsheimer Bürgermeister Markus Rupp, wenn er auf die Hilfsbereitschaft "seiner" Bürger in der Corona-Krise zu sprechen kommt. "Das Engagement ist riesig und es wurde schon sehr viel auf die Beine gestellt." Allerdings müsse man das auch alles koordinieren, so Rupp. Da komme er dann ins Spiel. Ziel sei es unter anderem, dass es die lokalen Händler und die Gondelsheimer Gastronomie auch nach der Krise "noch gibt". Dafür, so das Gondelsheimer Oberhaupt, versuche man "den kleinen Schutzschirm der Gemeinde zu spannen".
Einschränkungen habe es aufgrund des Coronavirus auch in der Verwaltung gegeben. "Wir waren eigentlich die erste Gemeinde, die richtig heruntergefahren ist", betont Rupp. Dies bedeute, dringende Meetings gebe es nur noch im großen Besprechungszimmer, Sitzungen fänden, statt im Bürgersaal, in der Saalbachhalle statt und "nicht systemrelevante Mitarbeiter habe ich ins Homeoffice geschickt". Dies werde man auch noch eine Weile so beibehalten, sagt Rupp. "Wir werden sicher nicht die erste Gemeinde sein, die alles wieder hochfährt."
Autor:Christian Schweizer aus Bretten |
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