„Beamter auf Widerruf“
Kleinvillarser sollen Ortsreferenten wählen

Knittlingen (hk) Dass sich der kleinste Stadtteil von Knittlingen, Kleinvillars, kommunalpolitisch nicht gut vertreten fühlt, wurde bei der Einwohnerversammlung Ende Februar deutlich (wir berichteten). Die Bewohner des Ortes brachten ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck, dass keine Person aus Kleinvillars im Gemeinderat vertreten ist. 2008 wurde die unechte Teilortswahl in Knittlingen abgeschafft. Hintergrund war die Absicht, das Gremium zu verkleinern. Aktuell besteht der Rat aus 18 Personen – keine davon kommt aus Kleinvillars. Nun könnte der Wunsch nach einer Vertretung von Kleinvillars im Gremium aber doch noch wahr werden: Mit der einstimmigen Zustimmung des Gemeinderats wurde die Verwaltung am gestrigen Dienstagabend beauftragt, das Ortsreferenten-Modell für Kleinvillars weiterzuverfolgen. In einer der nächsten Sitzungen sollen die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden.

Einführung von Ortsreferenten nach Salem'er Art

Hierbei soll als Vorbild die Gemeinde Salem dienen, die sich aus elf Teilorten zusammensetzt und bei der jeder Teilort seinen eigenen Ortsreferenten besitzt. Die Referenten haben dort kein politisches Wahlamt, sondern sind Ehrenbeamte der Gemeinde und haben dadurch den Status „Beamte auf Widerruf“. Sie können auf Anordnung des Bürgermeisters an den öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzungen des Rates teilnehmen und erhalten eine ehrenamtliche Aufwandsentschädigung von 150 bis 350 Euro pro Monat und ein Sitzungsgeld von 50 Euro pro Sitzung. Ähnlich wie in Salem würden die Ortsreferenten in einer Einwohnerversammlung in Kleinvillars von den Bürgern durch Wahl „nominiert“ und dem Gemeinderat vorgeschlagen werden. Der Gemeinderat wählt schließlich den Ortsreferenten im Rahmen einer Gemeinderatssitzung und der Bürgermeister ernennt die jeweilige Person zum Ehrenbeamten.

Bürgermeister spricht sich für frühzeitige Ernennung aus

Die „Amtszeit“ der Ortsreferenten dauert fünf Jahre. Das Ortsreferenten-Modell hätte laut Bürgermeister Alexander Kozel einige Vorteile. Die Referenten bringen ihre Ortskenntnis ins Gremium ein, was eben dann von Vorteil ist, wenn kein Stadtrat aus Kleinvillars im Gemeinderat sitzt. Zudem würden geringe Kosten anfallen. Kozel sprach aber auch die Nachteile an. So erfordere das Amt einen hohen Zeitaufwand und es könnte schwierig sein, überhaupt Ehrenamtliche zu finden. Zudem hätten die Ortsreferenten keine Entscheidungskompetenz und könnten bei Entscheidungen des Gemeinderates lediglich eine Stellungnahme abgeben. Laut Bürgermeister Kozel wäre es aber in jedem Fall sinnvoll, wenn der Ortsreferent vor der nächsten Kommunalwahl ernannt werden würde: Dieser hätte dann bessere Chancen bei der Wahl, um eine eventuelle Doppelfunktion aus Gemeinderat und Ortsreferent ausüben zu können. Als "idealen Zeitpunkt" für eine Einwohnerversammlung in Kleinvillars schlug der Bürgermeister einen Termin kurz vor oder kurz nach den Sommerferien vor und damit ein bis zwei Monate vor der Sitzung, in der der Ortsreferent gewählt wird. Wenn das Ortsreferenten-Modell hingegen nach der Kommunalwahl 2024 eingeführt würde, könnte eventuell ein Gemeinderat oder eine Gemeinderätin aus Kleinvillars diese Aufgabe übernehmen, lautete auch eine Überlegung des Bürgermeisters.

Übergangslösung oder Alternative zum Ortschaftsrat?

Stadtrat Michael Arnold (SPD) betonte, dass es wichtig sei, Kleinvillars adäquat zu vertreten, da der Stadtteil keinen Vertreter mehr im Gemeinderat habe. Er hoffe, dass sich dies mit der Kommunalwahl ändern werde. Das Ortsreferenten-Modell sei ein wichtiger Schritt, für ihn persönlich jedoch nur eine Übergangslösung. Er plädiere weiterhin für einen Ortschaftsrat – auch deshalb, weil die Aufgaben eines Ortsreferenten zu zeitintensiv für eine einzelne Person seien. Stadtrat Timo Steinhilper (SPD) brachte Bedenken gegen das Modell vor und argumentierte, dass ein Ortsreferent im Zweifel die Meinung einer Einzelperson darstelle. Somit könne man nicht unbedingt von einer Mehrheitsmeinung in Kleinvillars ausgehen. Trotzdem sei er bereit, dem Modell eine Chance zu geben. Stadtrat Jörg Burmistrak (CDU) betonte, dass das beste Ergebnis zwei Vertreter aus Kleinvillars wären – ein Ortsreferent und ein Stadtrat.

Vor Einstieg in die Tagesordnung hatte ein Kleinvillarser Bürger die Einführung eines Ortsreferenten scharf kritisiert. Stattdessen forderte er vehement die Einführung eines Ortschaftsrats, der seiner Meinung nach dem mehrheitlichen Wunsch der Einwohner entspreche. Kozel wies den Kritiker jedoch zurecht und betonte, dass die Stadtverwaltung das Thema unechte Teilortswahl nicht weiter verfolgen werde. "Das Gremium entscheidet und das Gremium beschließt", lautete die klare Ansage des Bürgermeisters.

Haushaltssatzung 2023 beschlossen, Kreditaufnahme gekürzt

In der gestrigen Gemeinderatssitzung war auch die erneute Beschlussfassung über die Haushaltssatzung 2023 ein zentrales Thema. Durch verschiedene Änderungen in den Planansätzen konnte in Absprache mit der Rechtsaufsichtsbehörde die Kreditaufnahme im Finanzplanungszeitraum von 17,58 Millionen Euro auf neun Millionen Euro gekürzt werden, hieß es dazu in der Vorlage. Dem Beschluss wurde von der Mehrheit des Gemeinderats zugestimmt. "Es ist nicht der Haushalt, den wir wollen, aber der Haushalt, den wir uns leisten können", sagte Kozel, der sich nach eigenen Angaben im Gespräch mit der Kommunalaufsicht um die Erhöhung des Kreditrahmens für die Sanierung der Kelter bemüht habe. "Die Antwort blieb aber bei einem 'Nein'", sagte Kozel. Dennoch zeigte sich der Bürgermeister optimistisch und betonte, dass die Verwaltung in diesem Jahr mit dem Planungsbüro und dem Sanierungsträger sowie Baurechtsbehörden alle denkbaren Varianten für Kelter und Steinhaus nochmals durchgehen werde, um valide Zahlen für die Haushaltsplanung 2024 vorzulegen. Kozel zeigte sich auch offen für private Investoren oder Förderer für die Sanierung der Kelter.

Stadtrat Andreas Schwing (Alternative Liste) sagte in seiner Rede zum Haushalt, dass man die Chance verpasst habe, die freiwilligen Aufgaben gemeinsam zu priorisieren und sie in eine Reihenfolge zu bringen, die auch in der Bevölkerung mehrheitsfähig ist. Nun komme erschwerend hinzu, dass man auch bei den Pflichtaufgaben, wie zum Beispiel der Ausbau der Betreuung für Kindergarten- und Schulkinder viele Maßnahmen dringlich werden, die der Gemeinderat bislang auf die lange Bank geschoben habe. "Besonders bitter ist aus unserer Sicht, dass nun Projekte, die durch Beteiligungsprozesse angestoßen wurden, und somit auch Erwartungen und Hoffnungen bei Jung und Alt geweckt haben, wie zum Beispiel der Ausbau der Kelter, die Sanierung des Areals am roten Platz in Freudenstein, der Bürgerpark am alten Bauhof und der Pumptrack/Jugendplatz in Knittlingen nun erstmal hinten runtergekippt sind", unterstrich Schwing.

Beschlossen wurde auch die Erhebung der Hundesteuer auf 150 Euro pro Jahr mit Wirkung zum 1. Januar 2024.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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