„Chance, Menschen zu überraschen“
Landesbischöfin Heike Springhart war zur Visitation im Kirchenbezirk
Bruchsal (ger) „Die Risse in der Gesellschaft sollen nicht zu dauerhaften Brüchen werden“, äußerte Landesbischöfin Heike Springhart beim Empfang im Bruchsaler Schloss einen Wunsch angesichts all der derzeitigen Krisen. Die Kirche wolle dem entgegenwirken, „einen hoffnungsvollen Rahmen bieten“ und mit dem Glauben, also „im Wissen, dass nicht wir unser Leben in der Hand haben“, einen anderen Ton hereinbringen. Anlass des Empfangs war die Bezirksvisitation. Eine Delegation der Evangelischen Landeskirche in Baden, angeführt von Springhart, war von 10. bis 13. November zu Besuch im Kirchenbezirk mit den fünf Regionen Bretten, Bruchsal, Kraichtal, Südlicher Kraichgau und Rhein bis Kraichgau. Dabei sprach sie mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern, suchte aber bei einer Führung durch die SEW-Eurodrive auch Anregungen bei der Wirtschaft sowie den Kontakt mit den Kommunen und Landkreisen.
"Baustelle Kirche, an der Ökumene gemeinsam anpacken muss"
Dekanin Ulrike Trautz begrüßte im Gartensaal des Schlosses am Freitag viele Vertreter der Kirchen, konfessioneller Institutionen sowie der Kommunen aus dem Bezirk. Umrahmt von den beschwingten Klängen des Bezirklichen Blechbläserquintetts folgte auf die Begrüßung ein geistlicher Impuls des katholischen Dekans Lukas Glocker. Er brachte, passend zum Faschingsbeginn, mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen die aktuelle Situation der Kirche zum Ausdruck. Sie sei weniger etwas Altes, Kostbares, auf das man mit Ehrfurcht zurückblicke, als vielmehr eine Baustelle, an der die Ökumene gemeinsam anpacken müsse. Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg erläuterte, dass das Bruchsaler Schloss schon immer ein Ort des interkonfessionellen Austauschs gewesen sei. Knut Bühler, Erster Landesbeamter im Landkreis, ging in seinem Grußwort auf die Folgen der Globalisierung und Digitalisierung ein. Durch die Entgrenzung verliere das örtliche Umfeld an Wirksamkeit und der Rahmen, der Halt gibt, gehe verloren. Ein Zuwachs an Einsamkeit und sozialer Isolation sei die Folge, psychische Erkrankungen nähmen zu. Die Versorgung von psychisch Erkrankten sei im Landkreis jetzt schon mangelhaft, da die Fallzahlen die Versorgungskapazitäten überschritten.
"Gasthäuser für die Seele"
Bischöfin Springhart stellte in ihrem Vortrag über „Kirche in den Wechselfällen des Lebens“ die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Kirchen. „Wir müssen in traditionelle Räume frische und innovative Ideen bringen“, forderte sie, damit die Kirche auch künftig hör-, sicht- und spürbar sei. „Gasthäuser für die Seele“ wolle man sein, aber keine „Moralagentur, sondern die Menschen ernst nehmen“. Besonders an Schwellen des Lebens wie Taufe, Hochzeit, Krankheit oder Tod sei die Glaubensgemeinschaft für die Menschen da. Dem in den Medien prognostizierten „Wutwinter mit sozialer Kälte“ setze die Kirche gemeinsam mit der Diakonie den „#Wärmewinter“ entgegen. Dabei sollen warme Begegnungsräume allen Menschen offenstehen. In Erinnerung an Sankt Martin, dessen Namenstag am Freitag begangen wurde, sagte sie: „Wenn wir teilen, reicht es für alle.“
"Zuwendung ist Ausdruck der kirchlichen Arbeit"
Im anschließenden Pressegespräch stellte Springhart klar, dass die Kirche gebraucht, aber wenig gesehen werde. Martina Schäufele, Pressesprecherin des Kirchenbezirks, zählte unter der Überschrift „Da ist Kirche drin“ zahlreiche konfessionelle Institutionen und Angebote auf wie Nachbarschaftshilfe, Diakonie, Kindergarten oder auch Eine-Weltläden. „Zuwendung ist Ausdruck der kirchlichen Arbeit. Unsere soziale Arbeit ist nicht verzweckt“, stellte Springhart klar. Viele Menschen seien dafür ansprechbar, während sie der Kirche insgesamt eher indifferent gegenüberstünden. „So können sie überrascht werden. Das ist unsere Chance.“
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.