Volksbegehren "Landtag verkleinern"
"Nicht auf Kosten der Bürgernähe"

Das Innenministerium hat am 10. Juni das Volksbegehren „Landtag verkleinern“ zugelassen. Seit August haben Bürger nun die Möglichkeit, innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ihre Unterschrift für dieses Vorhaben abzugeben. | Foto: stock.adobe.com - dudlajzov
  • Das Innenministerium hat am 10. Juni das Volksbegehren „Landtag verkleinern“ zugelassen. Seit August haben Bürger nun die Möglichkeit, innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ihre Unterschrift für dieses Vorhaben abzugeben.
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Bretten/Region (hk) Das Innenministerium hat am 10. Juni das Volksbegehren „Landtag verkleinern“ zugelassen. Seit August haben Bürger nun die Möglichkeit, innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ihre Unterschrift für dieses Vorhaben abzugeben. Ziel der Initiative ist es, die Zahl der Landtagswahlkreise und Abgeordneten zu reduzieren. Im Zuge der Wahlrechtsreform 2022 wurde das Wahlrecht von einem Ein-Stimmen- auf ein Zwei-Stimmen-System umgestellt, was laut dem Initiator des Volksbegehrens, Dieter Distler (www.landtag-verkleinern.com), die Gefahr eines „XXL-Landtags“ mit mehr als 200 Abgeordneten heraufbeschwören könnte. Um diese Entwicklung zu verhindern, habe er das Volksbegehren ins Leben gerufen.

Unterschriftensammlung bis Ende Februar 2025

Die Unterschriftensammlung (freie Sammlung) läuft noch bis Ende Februar 2025. Damit das Volksbegehren erfolgreich ist, müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten, also etwa 770.000 Personen, ihre Unterstützung erklären. Bis zum 10. Dezember können sich Bürger in den Rathäusern ihrer Kommunen in Unterstützungslisten eintragen (amtliche Sammlung). Sollte das Volksbegehren die erforderliche Anzahl an Unterschriften erreichen, könnte es in der Folge zu einem Volksentscheid kommen. Die nächste Landtagswahl ist für das Frühjahr 2026 angesetzt, was zu einer gewissen Dringlichkeit der angestrebten Reform führt.

FDP unterstützt Antrag

Unterstützt wird die Initiative auch von der FDP. Diese hatte zuvor einen eigenen Antrag zur Reform des Landtags eingebracht, der jedoch abgelehnt wurde. Auf Anfrage der Brettener Woche/kraichgau.news äußerte sich der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Jung, der die Landtagsfraktion sowie den Landesverband der Partei in dieser Angelegenheit vertritt, erneut zugunsten des Volksbegehrens.
Würden die 70 Wahlkreise unverändert bleiben, drohe 2026 ein übergroßer Landtag mit zusätzlichen Kosten von 200 Millionen Euro pro Legislaturperiode, zitiert Jung den Landesrechnungshof.

Jung widerspricht der Befürchtung, dass größere Wahlkreise die Nähe zwischen Abgeordneten und Bürgern beeinträchtigen könnten. Als früherer Bundestagsabgeordneter habe er im Bundestagswahlkreis Karlsruhe-Land zwischen 2017 und 2021 zeitweise die beiden Landtagswahlkreise Bretten und Ettlingen als einziger sichtbarer Bundestagsabgeordneter vertreten.

Mehr Effizienz, weniger Kosten

Ihm gehe es nicht allein um die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten, sondern auch um "schlanke Strukturen", die zu Effizienz führen und Kosten für den Steuerzahler senken würden. Diese Einsparungen, die Jung auf rund 200 Millionen Euro beziffert, könnten seiner Ansicht nach sinnvoll für Investitionen in die Bildung und Infrastruktur genutzt werden und dazu beitragen, die Verschuldung zu bremsen.

In Bezug auf das Volksbegehren, für das derzeit Unterschriften gesammelt werden, zeigt sich Jung optimistisch: Es könnte seiner Einschätzung nach durchaus noch vor der Landtagswahl 2026 umgesetzt werden. „Eine positive Gesetzesänderung könnte die Landesregierung, die Grünen und die CDU, sofort in den Landtag einbringen und abstimmen lassen", erklärt er.

Effizienz sollte überprüft werden

Unabhängig vom Ausgang des Volksbegehrens fordert Jung eine ständige Überprüfung der Effizienz staatlicher Strukturen. Dies gelte natürlich auch für die Strukturen des Landtags.
In diesem Zusammenhang verweist Jung auf den jüngsten Vorstoß der Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Bündnis 90/Die Grünen), die neue Stellen für die Landtagsverwaltung gefordert habe. „Ich sehe dies sehr skeptisch, da man mit den bisherigen Stellen in der Verwaltung auskommen sollte. Insgesamt ist die Parlamentsarbeit mit 120 Abgeordneten effizienter, zumal man dafür auch eine kleinere Verwaltung braucht. Bei der Dauer von Debatten im Landtag könnte man diese wie im Bundestag deutlich kürzer fassen, indem man die freie Redezeit der Regierungsmitglieder beschränkt“, argumentiert Jung.

Andrea Schwarz verteidigt Wahlrechtsreform

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz erläutert auf Nachfrage der Brettener Woche ihre Position. Sie erklärt: „Ich unterstütze die neue Wahlrechtsreform, bei der es uns besonders wichtig war, die Gesellschaft im Landtag abzubilden. Also zum Beispiel mehr Frauen die Möglichkeit zu geben, gewählt zu werden oder das Wahlalter abzusenken.“

Zu Spekulationen über eine Vergrößerung des Landtags äußert sich Schwarz zurückhaltend und betont, dass sie diese derzeit nicht für zielführend hält. Hinsichtlich der Sorge, eine Verkleinerung des Landtags könnte die Nähe zwischen Abgeordneten und Bürgern beeinträchtigen, beruhigt Schwarz: „Auch nach der Wahlrechtsreform werden die Wahlkreisabgeordneten die Belange der Bürgerinnen und Bürger in die Parlamente tragen können.“

Verkleinerung könnte Themenbehandlung minimieren

Eine Verkleinerung in dem Ausmaß, wie im Volksbegehren gewünscht, könnte laut Schwarz dazu führen, dass Themen aus Kapazitätsgründen nicht mehr auskömmlich behandelt werden.

Im Falle eines nicht erfolgreichen Volksbegehrens sieht Schwarz keine Notwendigkeit für Änderungen. Ihrer Ansicht nach ist die aktuelle Parlamentsarbeit effizient aufgestellt. „Innerhalb der einzelnen Fraktionen gibt es parlamentarische Zuständigkeiten, die es den Abgeordneten ermöglichen, in ihrem Themenfeld echte Experten zu sein und somit das Thema voranzubringen“, erläutert Schwarz aus ihrer praktischen Erfahrung im Parlament.

Vergrößerung ist nicht gewollt

Wie sich die Größe des Landtags tatsächlich entwickeln werde, müsse abgewartet werden. Sie erklärt, dass die Entstehung von Überhangmandaten von mehreren Faktoren abhängt. Dabei spielen nicht nur das Zwei-Stimmen-Wahlrecht, sondern auch die Verteilung der Erst- und Zweitstimmen sowie die Anzahl und Stärke der einzelnen Parteien in ganz Baden-Württemberg, aber auch in den einzelnen Wahlkreisen eine Rolle.

„Eine Vergrößerung ist von uns nicht gewollt“, stellt Schwarz klar. Sollte es dennoch dazu kommen, müsse "in Ruhe" geprüft werden, ob eine Reduktion der Wahlkreise oder andere Möglichkeiten die richtige Lösung ist, meint die Landtagsabgeordnete.

Verdoppelung der Wahlkreisgröße "nicht zielführend"

Wie sieht es der CDU-Landtagsabgeordnete Ansgar Mayr? Grundsätzlich stehe er der Möglichkeit, den Landtag zu verkleinern, offen gegenüber – insbesondere für den Fall, dass dieser infolge einer Wahlrechtsreform tatsächlich zu groß werde. Die konkreten Vorschläge der Initiative, die sich zu sehr auf eine Verdopplung der Wahlkreisgrößen konzentrieren würde, lehne er jedoch ab, da er diese nicht für zielführend halte.

Abstriche bei Bürgernähe

Seiner Ansicht nach würden größere Wahlkreise zwangsläufig Abstriche bei der Bürgernähe mit sich bringen. Dies verdeutlicht er anhand seiner eigenen Erfahrungen: „Wenn man die Wahlkreisgröße verdoppelt, dann geht das definitiv zu Lasten der Bürgernähe. Als Abgeordneter versuche ich möglichst alle Einladungen zu Veranstaltungen, Begehungen usw. anzunehmen, aber ich bin damit bereits heute sehr gut ausgelastet.“ Gerade bei solchen Begegnungen treffe man die Bürgerinnen und Bürger, die dabei häufig das direkte Gespräch suchen. „Von Montag bis Sonntag kommen da meist 60 bis 80 Stunden pro Woche zusammen“, berichtet Mayr. Sollte sich die Größe des Wahlkreises verdoppeln, könne ein Abgeordneter nicht mehr so häufig in den einzelnen Kommunen vor Ort sein. „Der Tag hat nur 24 Stunden“, erklärt Mayr und verweist damit auf die zeitlichen Grenzen der Mandatsausübung.

"Größe des Landtags keine Auswirkung auf Entscheidungsprozesse"

Mit Blick auf die häufig geäußerte These, eine Verkleinerung des Landtags würde die Entscheidungsprozesse vereinfachen, stellt Mayr klar: „Die Größe des Landtags hat keine Auswirkung auf die Entscheidungsprozesse.“ Er erläutert, dass die grundlegenden Weichen bereits zu Beginn einer Wahlperiode in den Koalitionsverhandlungen gestellt würden. Die inhaltliche Sacharbeit hingegen finde in den kleineren Ausschüssen statt, wo sie vorbereitet und bearbeitet werde.

Vielfalt der Repräsentation wäre eingeschränkt

In diesem Zusammenhang warnt Mayr vor den möglichen Konsequenzen einer Reduzierung der Abgeordnetenzahl. Eine solche Änderung würde die Vielfalt der politischen und gesellschaftlichen Repräsentation einschränken.

Auch zur Frage, ob die angestrebten Änderungen noch vor der Landtagswahl 2026 umgesetzt werden könnten, äußert sich Mayr skeptisch: „Nein, vor der Landtagswahl 2026 lässt sich das auf Grund vielfältiger Fristen nicht mehr realisieren.“ Die Nominierungen der Kandidaten beginnen bereits im Februar 2025, wobei die aktuellen Wahlkreise hierbei maßgeblich seien, erläutert der CDU-Landtagsabgeordnete.

Parlament soll nicht zu groß werden

Dennoch, so führt er weiter aus, dürfe das Landesparlament aus Platz- und Kostengründen nicht zu groß werden. „Sollte dies nach dem aktuellen (neuen) Wahlrecht tatsächlich passieren, muss man das Landtagswahlrecht erneut angehen – aber nicht auf Kosten der Bürgernähe oder der Wahlkreisgröße“, unterstreicht er nachdrücklich.

Auf Nachfrage der Brettener Woche informiert die Brettener Stadtverwaltung über den aktuellen Stand der Unterstützungsunterschriften zum Volksbegehren „Landtag verkleinern“ (Stand 25. November 2024, 11 Uhr): Bisher wurden im Brettener Rathaus 72 Unterschriften über die freie Sammlung und sechs Unterschriften über die amtliche Sammlung eingereicht.

Wie genau man das Volksbegehren „Landtag verkleinern“ unterstützen kann, erfährt jeder unter www.landtag-verkleinern.com. Dort kann man sich bis zum 11. Februar 2025 selbst an der freien Sammlung beteiligen. Bis zum 10. Dezember 2024 kann man auch in jedes Rathaus und jede Verwaltungsstelle in Baden-Württemberg gehen und dort unterschreiben. Dafür muss man mindestens 16 Jahre alt und in Baden-Württemberg wahlberechtigt sein.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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