«Sind keine Fernuniversität und wollen auch keine werden»
Nicht alle Studierenden haben wieder Lust auf Campus-Leben

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Mannheim/Heidelberg (dpa/lsw) Die Universitäten im Südwesten rufen die Studierenden nach eineinhalb Jahren Online-Lehre dringend zur Rückkehr auf den Campus auf. Denn während der langen Durststrecke ohne direkten Kontakt mit Lehrenden und Kommilitonen scheint ihnen manch ein Studierender abhandengekommen zu sein. An den meisten Universitäten beginnt an diesem Montag der Studienbetrieb. «In diesem Wintersemester lohnt es sich für unsere Studierenden, wieder auf den Campus zu kommen», umwirbt der Hohenheimer Rektor und Chef der Landesrektorenkonferenz (LRK) Stephan Dabbert die jungen Leute. Sein Versprechen: Die Lehrveranstaltungen an den neun Unis im Land finden im Schnitt überwiegend wieder in Präsenz statt. Auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) versucht, den angehenden Akademikern wieder Lust auf den Campus zu machen und schwärmt «vom gemeinsamen Hochschulleben - mit Begegnung und Austausch, neue Menschen kennenlernen, all das, was das Studium eben ausmacht».

«Studieren dann digital vom Bett oder WG-Tisch aus»

Diese Ermunterung ist nötig, zeichnet sich doch der Trend bei der bereits Anfang September gestarteten Universität Mannheim ab. Die dortige Studierendenvertretung hat beobachtet, dass vor allem höhere Semester noch nicht den Weg zurück in Seminare und Hörsäle gefunden haben. «Sie studieren dann digital vom Bett oder WG-Tisch aus», sagt Asta-Chef Frederik Blank. Nach Schätzung des Mannheimer Rektors Thomas Puhl haben sich etwa zehn Prozent der Studierenden ohne stichhaltige Begründung vom Campus zurückgezogen. Da helfe es wenig, wenn dann auch noch 40 Prozent der Veranstaltungen ausschließlich digital seien, meint Studentenvertreter Blank. Lehrfreiheit dürfe nicht dazu führen, dass Dozenten nur noch online lehrten. In Mannheim muss deshalb ab dem Sommersemester der Nachweis erbracht werden, dass digitale Veranstaltungen im Vergleich zur Präsenzform einen Mehrwert haben. «Wir sind keine Fernuniversität und wollen auch keine werden», betont Blank.

«Gemeinsames Erarbeiten von Erkenntnissen»

Ganz anders sieht es an der Uni Heidelberg aus; dort werden grundsätzlich alle Studienveranstaltungen in Präsenz vorgenommen, Online-Lehrformate werden lediglich ergänzend fortgeführt. Rektor Bernhard Eitel betont, Heidelberg sei eine Forschungsuniversität: «Das bedeutet nicht die Weitergabe von Wissen, sondern das gemeinsame Erarbeiten von Erkenntnissen.»

An den Landesuniversitäten gilt die 3G-Regel, die den Zugang auf Geimpfte, Genesene und Getestete beschränkt. Allerdings hängt nach Angaben der LRK der Umgang mit der Pandemie auch stark von den Fächern ab. Die großen Vorlesungen der Wirtschaftswissenschaften etwa müssten weiterhin entweder hybrid - also sowohl online als auch in Präsenz - oder in gänzlich digitaler Form stattfinden. Hingegen gebe es auch Studiengänge wie die Lebensmittelchemie, die wegen der zwingenden Praxisanteile auch während des Lockdowns durchgehend in Präsenz gelehrt worden seien. In den Hörsälen und Veranstaltungsräumen gilt Maskenpflicht. Abnehmen darf man die Maske grundsätzlich nur bei einem Mindestabstand von 1,5 Metern. LRK-Chef Dabbert betont: «Wenn wir das immer im Hörsaal gewährleisten, müssten die meisten Studierenden draußen bleiben, was wir keinesfalls wollen.» Allerdings hört Asta-Chef Blank gerade in diesem Punkt Klagen über mangelnde Verhältnismäßigkeit. «Die Studierenden wollen sich auch in der Uni ohne Maske gegenübersitzen und reden können wie in ihrer Freizeit in Bars oder Restaurants», sagt Blank.

Kontrolle durch studentische «Health-Helper«

Als Orientierung für die Durchimpfung der Studierenden dient die Starter-Uni Mannheim: Dort sind 98 Prozent der Studierenden, die auf den Campus kommen, geimpft, ein Prozent genesen - und nur ein Prozent getestet. Diese Zahlen stimmen Dabbert zuversichtlich, dass der Wegfall der Gratis-Tests keine großen Probleme nach sich zieht. Manche Unis bieten auch noch übergangsweise kostenlose Tests für die an, bei denen keine medizinischen Gründe gegen eine Impfung sprechen. Die Einhaltung der Regeln kontrollieren die Unis nach Dabberts Worten mit sehr hohem Aufwand und viel Personal, darunter externe Dienstleister und studentische «Health-Helper«. Rektor Puhl ist die Kontaktnachverfolgung mit der Speicherung von Namen für jede einzelne Lehrveranstaltung ein Dorn im Auge. Denn das Gesundheitsamt verzichte bei einer hohen Impfquote bereits darauf, bei einzelnen Ansteckungen von Studierenden selbst oder in ihrem Umfeld die anderen Veranstaltungsteilnehmer zu kontaktieren.

Zu den Konstanten des Studentenlebens gehört auch in diesem Wintersemester die Wohnungsnot: In Stuttgart sensibilisieren Studierendenwerk und Grundbesitzerverein wie jedes Jahr für die Vermietung an Studenten. Beim Studierendenwerk Heidelberg kommen am Standort Heidelberg zehn bis zwölf Bewerbungen auf einen Wohnheimplatz - ähnlich wie in anderen Uni-Städten, wie eine Sprecherin erläutert. Und der Druck könne wachsen: «Wir wissen, dass einige Studierende zum aktuellen Zeitpunkt noch zwischen Elternhaus und Studienort pendeln.»

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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