Auswirkungen und Widersprüche
Südwestumfahrung - Oder: Was wollen wir wirklich?
Die Variantenuntersuchung des Regierungspräsidiums Karlsruhe zur Südwestumfahrung Bretten geht auf die Zielgerade. Aus den Informationen aus Presse sowie des Regierungspräsidium Karlsruhe geht hervor, dass die als Südwestumfahrung bezeichnete Alternative der derzeitige Favorit in den Planungen ist. Was bedeutet diese Variante?
Eine Trasse, rund 500m vor der Abfahrt B294 aus Pforzheim kommend, zwischen Pferdeklinik und Bauernhof Müller, den Rechberg querend, zwischen Grillplatz und Umspannwerk Rinklingen vorbei, über Äcker und Streuobstwiesen auf die B293 führend. Ein rund 3,7km und 7,0m breiter Fahrstreifen plus min. 2x 0,25m Randstreifen, Bankett und Böschungsflächen, eine Asphaltfläche von mind. 28.000m² (rund 5 Fußballplätze in Standardgröße) [1, 2]
Die derzeitige Variantenuntersuchung gründet auf dem Bundesverkehrswegeplan 2030 [3] aus dem Jahr 2014 und auf einer, von der Südwestumfahrung abweichenden, Trasse. Die Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigt unter anderem „Veränderungen der Reisezeit im Personenverkehr mit Einzelreisezeitgewinnen kleiner 1 Minute“ mit 43 Mio. Euro Nutzen, während Schäden an der Natur komplett unbewertet bleiben. Die 2013 anvisierten Gesamtprojektkosten von 38 Mio. Euro werden in der Zwischenzeit sicher auch nicht mehr annährend ausreichen. Eine Reformation und Neubewertung des Bundesverkehrswegeplans 2030 wird von vielen Experten seit längerem gefordert und der aktuelle Plan von verschiedenen Organisationen gar als verfassungswidrig bewertet [4]. Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages schließt sich dieser Einschätzung an und bewertet diesen als nicht mit den Klimaschutzzielen vereinbar [5],
Vor Baubeginn dieses Projektes jedoch, ist mit einer Zweckflurbereinigung, ähnlich zur realisierten Umgehungsstraße Gölshausen, zu rechnen. Aufgrund der Trassenfläche ist davon auszugehen, dass ca. 2.000 bis 2.500 Grundstücke in rund 60 Gewannen betroffen sind [6]. Bisher wurde dieser Umstand und die daraus resultierenden Auswirkungen von offizieller Seite verschwiegen.
Die Befürworter der Südwestumfahrung fordern eine Lösung mit einem möglichst langen Tunnel um den Rechberg, vom Gewann Katzengraben kommend bis zum Grillplatz Rinklingen, zu queren. Fraglich ist hierbei jedoch, ob eine Lösung in dieser Form überhaupt genehmigt werden darf. Laut „Verordnung zum Wasserschutzgebiet Bauschlotter Platte“ [7] des RP Karlsruhe vom 7. September 1992 ist das „Errichten oder wesentliche Erweitern von Tunnelbauten“ in dem betroffenen Gebiet verboten.
Ist der Tunnel also nur ein Ablenkungsmanöver, um die Kritiker zu besänftigen oder gelten eigens aufgestellte Verordnungen für das Regierungspräsidium selbst nicht mehr? Auch das „Versickern von Abwasser einschließlich des von Straßen und sonstigen Verkehrsflächen abfließenden Wassers sowie Kühlwassers“ muss verhindert werden, was die Umsetzungskosten sicherlich nicht weniger werden lässt. Die ebenfalls notwendigen Brandschutzmaßnahmen treiben die Kosten eines solchen Bauwerks weiter in die Höhe.
Ein Tunnelbau in offener Bauweise würde einen sehr breiten (60-80m) und tiefen (min. 15m) [8] Einschnitt in den Rechberg während der Bauphase erfordern. Die Renaturierung zurück zum heutigen Zustand würde schätzungsweise 15-20 Jahre andauern, Auswirkungen auf die Grundwasserneubildung wären nicht absehbar.
Durch die Trasse gehen viele landwirtschaftlich genutzte Flächen verloren. Diese Flächen sind heute schon knapp. Eine weitere Verknappung bedeutet eine intensivere Nutzung, weniger Brachliegezeiten und eine entsprechend noch stärkere Ausbeutung des Bodens.
Die weiteren Auswirkungen auf Natur und Klima wurden in der Vergangenheit ausführlich vom BUND Bretten [9], NABU Bretten [10], den in Bretten ansässigen Landwirten und diversen anderen Interessensvertretern erläutert und sollten von der (Kommunal-)Politik nicht einfach beiseite gewischt werden. Ebenso trifft dies alles auch auf die in Abstimmung befindliche Fortschreibung des Regionalplans aus 2003 [11] und die hiermit verbundenen, geplanten Flächenversiegelungen zu. Diese sehen beispielsweise in Rinklingen eine Siedlungserweiterung in Form mehrerer Wohn-, Misch- und Gewerbegebiete vor, welche die überbaute Fläche Rinklingens um ca. 70% vergrößern würde.
Was wollen wir wirklich?
Eine Trasse quer über den Rechberg, durch Flora und Fauna, landwirtschaftlich genutzte Flächen und Streuobstwiesen, direkt vorbei am Grillplatz und Waldkindergarten. 10.000 zusätzliche Fahrzeuge pro Tag, davon viele LKW, welche nicht nur Lärm und Abgase bringen. Verlust von Natur und einem Erholungsgebiet, landwirtschaftlich genutzter Flächen. Existenzängste von Landwirten, die uns alle durch Ihre Arbeit mit regionalen Lebensmitteln versorgen. Eine weitere Gefährdung der für uns Menschen wichtigsten Ressource Wasser.
Kurz: Wir versuchen Probleme so zu lösen, wie man es früher getan hat. Mehr Straßen bauen, hoffen, dass alles besser wird, vergessen, dass weitere Straßen nur zusätzlichen Verkehr generieren. Dabei nehmen wir den Schaden an Natur und Klima billigend in Kauf.
Oder wollen wir vernünftig mit den uns anvertrauten Ressourcen umgehen, unseren Kindern eine möglichst intakte Umwelt hinterlassen. Unser eigenes Mobilitätsverständnis überdenken und Alternativen entwickeln, um den Verkehr nachhaltig zu verändern und zu reduzieren.
Argumente in der Form „die anderen machen doch auch…“ zählen nicht. Veränderungen beginnen stets im Kleinen. Wir sollten in Bretten endlich anfangen kreativ zu werden, anstatt den scheinbar einfachsten Weg zu gehen und zu vergessen was nach uns kommt. Auch in der Kommunal- wie auch Bundespolitik sollte endlich ein Umdenken einsetzen und sich für den Planungsstopp der Südwestumfahrung eingesetzt werden.
Sollte die Südwestumfahrung bittere Realität werden, weichen Ruhe und Erholung auf dem Rechberg, das Flair des Grillplatzes Rinklingen, das naturnahe Aufwachsen im Waldkindergarten, private Streuobstwiesen, regionales Kraichgau-Korn vom Rechberg und vieles andere mehr einer riesigen, 2 Jahre andauernden Baustelle, zerstörter Natur und zusätzlichem überregionalem Verkehr, während Bretten sein Verkehrsproblem noch immer nicht gelöst hat.
Quellen:
[1] Wikipedia - Richtlinien für die Anlage von Straßen – Querschnitt
[2] Wikipedia - Straßenquerschnitt
[3] Bundesverkehrswegeplan 2030
[4] BUND-Rechtsgutachten: Bundesverkehrswegeplan ist verfassungswidrig
[5] Wissenschaftliche Dienste - Deutscher Bundestag - Bundesverkehrswegeplanung und Klimaschutz
[6] BUND Ortsgruppe Bretten - Geplante Südwestumfahrung von Bretten
[7] LUBW - Verordnung zum Schutz des Grundwassers
[8] Daten- und Kartendienst der LUBW
[9] BUND Ortsgruppe Bretten - Umweltverbände fordern neue Verkehrsplanung
[10] NABU Bretten - Südwestumgehung Bretten - Status 2021 und weitere Verfahrensschritte
[11] Unterlagen zur Fortschreibung des Regionalplans aus 2003
Autor:Björn Böttle aus Bretten |
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